18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.

Dokument-Nr. 24815

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Urteil23.01.2001Oberlandesgericht Köln5 U 85/01
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • VersR 2003, 860Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2003, Seite: 860
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Vorinstanz:
  • Landgericht Aachen, Urteil11.04.2001, 11 O 483/00
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Köln Urteil23.01.2001

16-jähriger Patient hat wegen Verlustes des linken Hodens aufgrund von Behandlungs­verzögerungen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 18.000 EuroKörperschaden, leichtfertiges Verhalten der Ärzte sowie Angst vor Verlust des übrigen Hodens rechtfertigt Schmer­zens­geldhöhe

Kommt es aufgrund einer vorwerfbaren Behandlungs­verzögerung bei einem 16-jährigen Patienten zu einem Verlust eines Hodens, rechtfertigt der Körperschaden, das leichtfertige Verhalten der Ärzte und die Angst vor dem Verlust des anderen Hodens ein Schmerzensgeld von 18.000 Euro. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Köln hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: An einem Morgen im Februar 1996 litt ein 16-jähriger Jugendlicher unter Schmerzen im linken Unterbauch. Er befand sich diesbezüglich seit dem Vortag in einem Krankenhaus. Die behandelnden Ärzte unterließen trotz des bestehenden Verdachts auf eine Hodentorsion entsprechende Untersuchungen, um dies auszuschließen. Der Jugendliche wurde anderweitig behandelt und seinem Vater übergeben, der ihm zu einem Urologen bringen sollte. Dieser bestätigte den Verdacht einer Hodentorsion und wies den Jugendlichen umgehend in eine Fachklinik ein. In diesem kam es aufgrund eines Organi­sa­ti­o­ns­fehlers ebenfalls zu einer Verzögerung, weshalb der Jugendliche erst knapp drei Stunden nach Aufnahme operiert werden konnte. Die Verzögerungen führten schließlich zum Verlust des linken Hodens. Der Jugendliche erhob daraufhin gegen die erste und die zweite Klinik Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld.

Landgericht bejaht Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 DM

Das Landgericht Aachen gab der Schmer­zens­geldklage statt und sprach dem Jugendlichen wegen des Hodenverlustes ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 DM (ca. 12.782 EUR) zu. Es hielt jedoch nur die Betreiberin der ersten Klinik für schaden­s­er­satz­pflichtig. Gegen diese Entscheidung legte der Jugendliche sowie die Betreiberin der ersten Klinik Berufung ein.

Oberlan­des­gericht erhöht Schmerzensgeld auf 18.000 Euro

Das Oberlan­des­gericht Köln entschied zum Teil zu Gunsten des Jugendlichen und hob dementsprechend die Entscheidung des Landgerichts auf. Ihm stehe wegen des Hodenverlustes ein Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 18.000 EUR (ca. 35.000 DM) zu. Zu berücksichtigen sei, neben dem erlittenen Körperschaden, das leichtfertige Verhalten der behandelnden Ärzte in der ersten Klinik sowie die Angst vor dem Verlust des verbliebenen Hodens mit den damit verbundenen schweren Folgen.

Haftung der Klinik aufgrund Behand­lungs­ver­zö­gerung

Das Oberlan­des­gericht hielt zunächst nur die Betreiberin der ersten Klinik für schaden­s­er­satz­pflichtig. Für eine Haftung der Fachklinik erachtete das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich. Jedenfalls hätten die Ärzte in der ersten Klinik den Jugendlichen sofort einem zur operativen Freilegung der Hoden bereiten Urologen vorstellen müssen. Der Verdacht auf Hodentorsion müsse im Zweifel durch sofortige Operation geklärt werden, da der Hoden aufgrund der Durch­blu­tung­stopps nach vier bis sechs Stunden verloren sei. Im Falle der gebotenen notfallmäßigen Verlegung in eine Fachklinik wäre der Hoden zu retten gewesen.

Keine ausreichende Behandlung durch Verweisen an Urologen

Soweit die Klinik­be­treiberin zur Entlastung darauf hinwies, dass sie den Jugendlichen zur weiteren Abklärung des Torsi­ons­ver­dachtes an einem niedergelassen Urologen verwiesen haben, hielt das Oberlan­des­gericht dies für unbeachtlich. Die Verweisung sei falsch gewesen, da der Urologe mangels technischer Ausstattung nicht zur operativen Freilegung der Hoden in der Lage gewesen sei. Er haben den Jugendlichen daher weiterverweisen müssen, was zu einer weiteren Verzögerung geführt habe.

Kein Haftungs­aus­schluss aufgrund Verzögerung bei der Fachklinik

Nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts habe die Verzögerung in der Fachklinik nicht zu einem Haftungs­aus­schluss geführt. Zwar hätte der Hoden möglicherweise gerettet werden könne, wenn es nicht zu dem Organi­sa­ti­o­ns­fehler in der Fachklinik gekommen wäre. Die erhebliche Verzögerung der Behandlung sei aber durch die Ärzte in der erste Klinik verursacht worden. Diese haben durch ihre vorwerfbare Fehlent­scheidung die Kausalkette in Gang gesetzt, die schließlich zum Hodenverlust geführt habe.

Quelle: Oberlandesgericht Köln, ra-online (vt/rb)

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