14.11.2024
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Dokument-Nr. 876

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Urteil06.05.2005Oberlandesgericht Köln20 U 129/04
Beschluss09.11.2004Oberlandesgericht Köln24 U 125/04
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Oberlandesgericht Köln Urteil06.05.2005

Oberlandesgericht Köln Beschluss09.11.2004

Teilnahme an "Schenkkreisen" ist sittenwidrigRückzah­lungs­ansprüche der Teilnehmer können ausgeschlossen sein

Das OLG Köln hat sich in mehreren Entscheidungen mit der Beteiligung an sog. Schenkkreisen befasst. Es hat hierbei entschieden: Der Vertrag über die Teilnahme an einem solchen Schenkkreis ist sittenwidrig. Der Teilnehmer kann jedoch nicht die Rückzahlung des für seinen "Beitritt" gezahlten Betrages verlangen, wenn er sich der Einsicht in den Schnee­ba­ll­cha­rakter des Systems leichtfertig verschließt.

In einem der entschiedenen Fälle hatte die Ehefrau des Klägers, eine Frau aus dem Bonner Raum, im September 2003 eine Werbe­ver­an­staltung für die "Schenkbörse 2003" besucht. Deren System ist wie eine auf dem Kopf stehende, in mehrere Ränge untergliederte Pyramide aufgebaut. Einige Tage später übernahm die Ehefrau des Klägers vom Beklagten, der selbst Teilnehmer der Schenkbörse war, gegen Zahlung von 10.000 Euro dessen dritte Rangstelle im System. Der Beklagte hatte diesen Platz seinerseits zu einem früheren Zeitpunkt gegen Zahlung desselben Betrages erhalten. Die auf Rückzahlung der 10.000 Euro gerichtete Klage blieb in zwei Instanzen erfolglos. Das OLG Köln als Berufungs­gericht führte aus:

Bei den dem Schenkkreis zugrunde liegenden Regeln handele es sich um ein Schnee­ba­ll­system. Die Gewinnerwartung beruhe allein darauf, dass eine immer stärker ansteigende Zahl von Teilnehmern den geforderten Beitrag leiste. Im Wesentlichen hätten jedoch nur die Initiatoren als erste Mitspieler eine sichere Gewinnchance, während die späteren Teilnehmer zumeist ihren Einsatz verlieren müssten, weil angesichts des Verviel­fäl­ti­gungs­faktors in überschaubarer Zeit keine Mitspieler mehr gewonnen werden könnten. Darüber hinaus sei der Schenkkreis darauf angelegt, dass die Teilnehmer in ihrem privaten und beruflichen Umfeld nach neuen Mitspielern suchten, was zu einer Kommer­zi­a­li­sierung des Privatlebens und zu nachhaltigen Einflüssen auf das Privatleben führe. Ein solches System, das die Gefahr erheblicher Belastungen im sozialen Umfeld mit sich bringe, verstoße schon an sich gegen die guten Sitten. Daher sei die Abrede zwischen der Ehefrau des Klägers und dem Beklagten betreffend die Übernahme der dritten Rangstelle gegen Zahlung von 10.000 Euro wegen Sitten­wid­rigkeit nichtig.

Gleichwohl stehe der Ehefrau des Klägers der danach an sich gegebene Rückzah­lungs­an­spruch gegen den Beklagten aus Rechtsgründen nicht zu. Denn die Ehefrau habe mit dem Abschluss der Übernah­me­ver­ein­barung und der Hingabe des Geldes - objektiv - ebenfalls gegen die guten Sitten verstoßen und sich - subjektiv - dieser Einsicht leichtfertig verschlossen.

Zwar seien die sozialen Rahmen­be­din­gungen, unter denen das beanstandete Geschäft zustande gekommen sei, namentlich die in Schenkkreisen erlebten Gemeinsamkeiten, zu berücksichtigen. Auch werde dem Schenkkreis durch Anwesenheit von Honoratioren ein seriöser Anstrich verliehen. Die Verbreitung einer "Goldgrä­ber­stimmung" sowie Mitläu­fe­r­effekte trügen ebenfalls zur Herabsetzung von Hemmschwellen bei. Gleichwohl habe der Ehefrau des Klägers der Schnee­ba­ll­cha­rakter des Systems, wonach jeder Gewinnerwartung die Schädigung später eintretender Mitspieler zugrunde liege, schlechthin nicht entgehen können.

Darüber hinaus habe sie versucht, sich durch Erwerb einer Position im dritten Rang einen Sondervorteil gegenüber neu eintretenden Teilnehmern zu verschaffen. Hierdurch werde deutlich, dass sie die grundlegenden Elemente des Schnee­ba­ll­systems durchschaut habe und gewillt gewesen sei, die hohen Risiken des Eintritts zugunsten eines schnelleren Vorankommens zum ersten Rang in Kauf zu nehmen.

In einem zweiten Fall (OLG Köln, Beschluss vom 09.11.2004 - 24 U 125/04) hatte die Klägerin dem Beklagten, der ebenso wie sie selbst Mitglied eines Schenkkreises war, gleichfalls im September 2003 insgesamt 7.500 Euro zur Teilnahme an dem System ausgehändigt, nachdem sie an einigen Treffen des Schenkkreises in einem Hotel teilgenommen hatte. Die auf Rückzahlung der 7.500 Euro gerichtete Klage wurde in erster Instanz abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin wies das OLG Köln darauf hin, das Rechtsmittel habe keine Aussicht auf Erfolg. Ein Rückfor­de­rungs­an­spruch sei auch hier ausgeschlossen, weil die Klägerin die Augen vor der Sitten­wid­rigkeit der Vereinbarung leichtfertig verschlossen habe. Die Konzeption des Spiels sei ihr bekannt gewesen. Sie habe daher erkennen können, dass ihre Gewinnerwartung allein darauf beruhe, dass eine immer größere Zahl von Mitspielern einen hohen Einsatz zahle. Über das Prinzip des Schnee­ba­ll­systems werde seit vielen Jahren immer wieder kritisch informiert. Die Klägerin hat aufgrund dieser Hinweise die Berufung zurückgenommen, so dass die erstin­sta­nzliche Klageabweisung rechtskräftig geworden ist.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Köln vom 15.08.2005

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