21.11.2024
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Dokument-Nr. 23554

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Beschluss29.02.2016Oberlandesgericht Köln2 Ws 60/16
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW-Spezial 2016, 281Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2016, Seite: 281
  • StV 2016, 445Zeitschrift: Der Strafverteidiger (StV), Jahrgang: 2016, Seite: 445
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Vorinstanz:
  • Landgericht Köln, Beschluss26.01.2016, 111 Ks 5/14
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Köln Beschluss29.02.2016

Vermeidbare und nicht gerechtfertigte Verfahrens­verzögerung von über 8 Monaten rechtfertigt Aufhebung der Unter­su­chungshaftSchwere der Tat und hohe Straferwartung rechtfertigen keine unver­hält­nismäßig lang andauernde Unter­su­chungshaft

Kommt es im Strafverfahren zu einer vermeidbaren und sachlich nicht gerecht­fer­tigten Verzögerung von über acht Monaten, rechtfertigt dies die Aufhebung der Unter­su­chungshaft. Dies gilt selbst dann, wenn dem Angeklagten ein versuchter Mord zur Last gelegt wird und er erstinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 9 Monaten verurteilt wurde. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Köln hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall beantragte ein Angeklagter im Januar 2016 die Aufhebung eines Haftbefehls wegen Verstoßes gegen das Beschleunigungsgebot. Dies hatte folgenden Hintergrund: Der Angeklagte befand sich seit Oktober 2013 in Untersuchungshaft. Nach der fünf Monate andauernden Haupt­ver­handlung wurde er schließlich im Dezember 2014 wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körper­ver­letzung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Nach Fertigstellung des Urteils im Februar 2015 dauerte es fünf Wochen bis zur Fertigstellung des Sitzungs­pro­tokolls. Erst im Anschluss daran konnte das Urteil der Verteidigerin des Angeklagten im April 2015 zugestellt werden. Sie legte gegen das Urteil Revision ein und begründete sie im Mai 2015. Nachfolgend kam es wegen einer Arbeits­über­lastung des Staatsanwalts zu einer weiteren Verzögerung von über 6 Monaten. Erst im Dezember 2015 entschied sich der Staatsanwalt gegen eine Abgabe der Revisi­ons­ge­ge­n­er­klärung und verfügte die Übersendung der Akten an die General­bun­des­an­walt­schaft. Wegen eines justizinternen Fehlers kam es dabei zu einer nochmaligen Verzögerung von über einen Monat. Die General­bun­des­an­walt­schaft erhielt die Akten schließlich im Januar 2016.

Landgericht verneint Aufhebung des Haftbefehls

Das Landgericht Köln verneinte die Aufhebung des Haftbefehls und ordnete daher das weitere Bestehen der Unter­su­chungshaft an. Dagegen richtete sich die Beschwerde des Angeklagten.

Oberlan­des­gericht ließ Angeklagten frei

Das Oberlan­des­gericht Köln entschied zu Gunsten des Angeklagten und hob daher die Entscheidung des Landgerichts auf. Die Fortdauer der Unter­su­chungshaft sei unver­hält­nismäßig gewesen. Sie sei aufgrund der Verfah­rens­ver­zö­ge­rungen mit dem Recht des Angeklagten auf ein im rechts­s­taat­lichen Verfahren verankerten Beschleu­ni­gungsgebot nicht mehr vereinbar gewesen.

Verstoß gegen Beschleu­ni­gungsgebot aufgrund vermeidbarer und ungerecht­fer­tigter Verzögerung

Die Straf­ver­fol­gungs­be­hörden und Strafgerichte müssen nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um die notwendigen Ermittlungen mit der gebotenen Schnelligkeit abzuschließen und eine gerichtliche Entscheidung über die einem Beschuldigten vorgeworfene Tat herbeizuführen. Es sei insofern zu beachten, dass die Unter­su­chungshaft trotz geltender Unschulds­ver­mutung zu einem Freiheitsentzug führe. Die Unter­su­chungshaft könne daher als nicht notwendig anerkannt werden, wenn ihre Fortdauer durch vermeidbare und sachlich nicht gerechtfertigte Verfah­rens­ver­zö­ge­rungen verursacht wird. So habe der Fall hier gelegen.

Vermeidbare und ungerecht­fertigte Verzögerung von über 8 Monaten

Im vorliegenden Fall sei es zu einer auf justizinterne Ursachen zurück­zu­führende Verfahrensverzögerung von über 8 Monaten gekommen, so das Oberlan­des­gericht. Die Fertigstellung des Haupt­ver­hand­lungs­pro­tokolls über 5 Wochen nach Fertigstellung des Urteils sei verspätet gewesen. Ebenso die Entscheidung des Staatsanwalts gegen die Abgabe der Revisi­ons­ge­ge­n­er­klärung und seine Verfügung zur Übersendung der Akten an die General­bun­des­an­walt­schaft. In diesem Zusammenhang spiele eine eventuelle Arbeits­über­lastung keine Rolle. Dies könne nicht zu Lasten eines Beschuldigten gehen. Schließlich sei die Verzögerung von über einem Monat bei der Versendung der Akten an die General­bun­des­an­walt­schaft zu lang gewesen.

Schwere der Tat sowie erstin­sta­nzliche Verurteilung unbeachtlich

Die Schwere der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat sowie seine erstin­sta­nzliche Verurteilung sei nach Auffassung des Oberlan­des­gericht unbeachtlich bei der Frage der Verhältnismäßig der Unter­su­chungshaft gewesen.

Quelle: Oberlandesgericht Köln, ra-online (vt/rb)

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