24.11.2024
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Oberlandesgericht Köln Beschluss18.07.2019

Grenzen journa­lis­tischer Recherche: Heimliche Aufnahmen in psychiatrischer Klinik unzulässigKeine Anwendung der DSGVO wegen des Medienprivilegs im Rundfunk­staats­vertrag

Verdeckt erlangtes Ton- und Filmmaterial kann einen Unterlassungs­anspruch begründen, auch wenn es nicht gesendet wird. Bereits die Weitergabe an Dritte kann das allgemeine Persönlichkeits­recht verletzen und Straf­tat­be­stände erfüllen. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Köln hervor.

Die Entscheidung erging im Zusammenhang mit einer Recherche für das TV-Format "Team Wallraff". Geklagt hatte ein seit früher Jugend unter einer Autismus-Störung leidender Patient einer geschlossenen psychiatrischen Klinik. Eine Journalistin (Beklagte zu 1) hatte sich im Auftrag der Produk­ti­o­nsfirma (Beklagte zu 2) mit dem Ziel einer verdeckten Recherche unter einem falschen Namen als Praktikantin in der Klinik anstellen lassen. Während ihres Praktikums fertigte sie in umstrittenem Umfang heimliche Ton- und Filmaufnahmen u.a. auch von dem Kläger. Am 18. März 2019 strahlte der Fernsehsender RTL eine Reportage über Zustände in psychiatrischen Kliniken in Deutschland aus. Ton- und Bildaufnahmen des Klägers waren nicht Teil dieser Sendung.

Beklagte geben eidesstattliche Versicherungen über Löschung des Materials ab

Die Parteien stritten ursprünglich über den Antrag des Klägers, dass die ihn betreffenden Aufnahmen nicht verarbeitet oder verbreitet werden dürfen. Im Laufe des Verfahrens legten die Beklagten eidesstattliche Versicherungen vor, wonach das Material gelöscht worden war. Beide Parteien erklärten den Rechtsstreit daraufhin für erledigt, so dass nur noch über die Kosten zu entscheiden war. Hierbei ist vorgesehen, dass das Gericht in einer "summarischen Prüfung" die Erfolgs­aus­sichten der Klage beurteilt.

Beklagten hat Verfah­rens­kosten zu tragen

Das Oberlan­des­gericht Köln entschied, dass die Beklagten die Verfah­rens­kosten zu tragen haben. Ohne Löschung des Materials hätten sie den Rechtsstreit voraussichtlich verloren, auch wenn gar keine Veröf­fent­lichung des Materials beabsichtigt gewesen wäre. Die Journalistin habe bereits durch die Aufnahmen bzw. die Weitergabe des Materials an die Produk­ti­o­nsfirma die Straf­tat­be­stände der §§ 201Abs. 1 Nr. 2, 201 a Abs. 1 Nr. 3 StGB sowie 203Abs. 4 S. 1 StGB verwirklicht.

Aufnahmen haben höchst­per­sönliche Lebensbereich des Klägers verletzt

Durch die Aufnahmen sei der höchst­per­sönliche Lebensbereich des Klägers verletzt worden. Auch eine zum Schein in die Klinik eingeschleuste Praktikantin sei eine sogenannte mitwirkende Person i.S.d. § 201 Abs. 4 S. 1, Abs. 3 S. 1 StGB. Die Produk­ti­o­nsfirma könne zwar selbst keine Straf­tat­be­stände verwirklichen, sie hafte zivilrechtlich aber über § 31 BGB.

Handlung im vorliegenden Fall nicht mit investigative Recherchen von Journalisten zu rechtfertigen

Das Oberlan­des­gericht führte aus, dass investigative Recherchen von Journalisten grundsätzlich gerechtfertigt sein können. Dies sei der Fall, wenn bei gebotener Abwägung der wider­strei­tenden Interessen unter Beachtung der Schutz­wür­digkeit der Dritten "erhebliche Missstände" sonst nicht aufzudecken wären und die berechtigten Interessen Dritter daher jedenfalls im Stadium der Recherche zurücktreten müssen. Für eine Rechtfertigung im vorliegenden Fall hätten die Beklagten aber nicht genügend vorgetragen.

Kein sich aus der DSGVO ergebender Unter­las­sungs­an­spruch

Schließlich sah das Gericht keinen sich aus der Daten­schutz­grund­ver­ordnung (DSGVO) ergebenden Unterlassungsanspruch. Art. 9 DSGVO finde bei einer Verarbeitung zu "journa­lis­tischen Zwecken" durch von privaten Rundfunk­ver­an­staltern und deren "Hilfs- und Betei­li­gungs­un­ter­nehmen" damit "befassten" Personen gemäß § 9 c Abs. 1 S. 4 bis 6 RStV keine Anwendung ("Medienprivileg").

Quelle: Oberlandesgericht Köln/ra-online (pm/kg)

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