21.11.2024
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Dokument-Nr. 10659

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Oberlandesgericht Koblenz Urteil01.12.2010

OLG Koblenz: Staatliche Lotte­rie­ge­sell­schaft muss Verkauf von Rubbellosen an Minderjährige unterbindenEinsatz minderjähriger Testkäufer zulässig

Eine staatliche Lotte­rie­ge­sell­schaft darf Minderjährigen nicht durch den Verkauf von Rubbellosen in Lotte­rie­an­nah­me­stellen die Teilnahme am öffentlichen Glücksspiel ermöglichen. Dies hat das Oberlan­des­gericht Koblenz entschieden und damit der Unter­las­sungsklage eines Berufsverbandes, der eine minderjährige Testkäuferin eingesetzt hatte, teilweise stattgegeben.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls ist ein eingetragener Verein, dessen Mitglieder auf dem Markt für Gewinn- und Glückss­pielwesen tätig sind. Die Beklagte sind die staatliche Lotte­rie­ge­sell­schaft Lotto Rheinland-Pfalz GmbH mit Sitz in Koblenz und ihr Geschäftsführer.

16-jährige kauft an zwei Lotto­an­nah­me­stellen Rubbellose

Am 4. April 2009 kaufte die damals 16 Jahre alte, vom Bundesverband eingesetzte Testkäuferin an zwei Lotto­an­nah­me­stellen im Landkreis Ahrweiler jeweils ein Rubbellos. Nach den Bestimmungen des Glückss­piel­staats­vertrags (im Anhang abgedruckt) ist die Teilnahme von Minderjährigen an öffentlichen Glücksspielen unzulässig; die Veranstalter und die Vermittler haben sicherzustellen, dass Minderjährige von der Teilnahme ausgeschlossen sind.

LG Koblenz: Lotte­rie­ge­sell­schaft darf Minderjährigen nicht Teilnahme an öffentlichen Glücksspielen ermöglichen

Der klagende Berufsverband hat von den Beklagten unter anderem verlangt, es zu unterlassen, Minderjährigen die Teilnahme an allen von Lotte­rie­ge­sell­schaft angebotenen Glücksspielen zu ermöglichen. Das Landgericht Koblenz hat die Klage des Vereins als rechts­miss­bräuchlich und damit als unzulässig abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte gegenüber der Lotte­rie­ge­sell­schaft überwiegend Erfolg. Die Lotte­rie­ge­sell­schaft muss es unterlassen, Personen unter 18 Jahren (Minderjährigen) durch den Verkauf von so genannten Rubbellosen die Teilnahme an öffentlichen Glücksspielen zu ermöglichen und/oder diese Handlungen durch Dritte zu begehen. Für den Fall der Zuwiderhandlung wurden die gesetzlichen Ordnungsmittel (Ordnungsgeld, Ordnungshaft) angedroht. Hinsichtlich des beklagten Geschäfts­führers der Lotto­ge­sell­schaft hat das Gericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

OLG Koblenz hält Klage des Berufsverbandes für gerechtfertigt

Das Oberlan­des­gericht Koblenz hat die Klage - anders als das Landgericht - für zulässig gehalten. Der klagende Verein sei klagebefugt. Hierbei hat sich das Gericht aufgrund einer Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Verein über die in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG (im Anhang abgedruckt) vorausgesetzte hinreichende finanzielle Ausstattung verfügt. Auch handele der Kläger nicht deshalb rechts­miss­bräuchlich nach § 8 Abs. 4 UWG, weil er bisher keines seiner eigenen Mitglieder wegen eines Wettbe­wer­bs­ver­stoßes gerichtlich in Anspruch genommen habe. Es sei nach dem Vorbringen der Beklagten nicht davon auszugehen, dass der Kläger gleichartige Verstöße seiner Mitglieder planmäßig dulde und er aus sachfremden Erwägungen nur gegen Nichtmitglieder wie die beklagte Lotte­rie­ge­sell­schaft vorgehe.

Personal der Lotto­an­nah­me­stellen hätte aufgrund des Erschei­nungs­bildes der Testkäuferin Anlass gehabt, nach dem Alter zu fragen

Gegenüber der Lotte­rie­ge­sell­schaft Lotto Rheinland-Pfalz GmbH sei die Klage überwiegend begründet. Ein Verstoß gegen das Verbot der Teilnahme Minderjähriger an öffentlichen Glücksspielen liege vor, weil die Zeugin M. (Testkäuferin) im Auftrag des klagenden Vereins am 4. April 2009 in zwei Fällen in Lotto­an­nah­me­stellen in Rheinland-Pfalz jeweils ein Rubbellos gekauft habe, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt erst 16 Jahre alt war. Diesen Sachverhalt hat das Gericht durch Vernehmung der damaligen Käuferin und eines weiteren Zeugen festgestellt. Das Ergebnis dieser Testkäufe sei im Verfahren verwertbar, weil es nicht in unlauterer Weise erlangt worden sei. Nach dem Erschei­nungsbild der Zeugin, das auf Fotos dokumentiert ist, habe das Personal der Lotto­an­nah­me­stellen durchaus Anlass gehabt, nach dem Alter der Zeugin zu fragen; es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Zeugin das Personal zum Verkauf der Lose an sie habe überreden müssen.

Entlohnung für Mitwirkung nicht als verwerflich oder als Verstoß gegen das Jugend­schutz­gesetz anzusehen

Die Testkäufe seien auch nicht deshalb als verwerflich anzusehen, weil die Zeugin für ihre Mitwirkung eine Entlohnung erhalten habe; ohne eine solche Entlohnung wäre die Gewinnung von Jugendlichen als Testkäufer kaum möglich. Der Kläger habe auch nicht gegen das Jugend­schutz­gesetz verstoßen, indem er die Zeugin als Testkäuferin eingesetzt habe.

Lotte­rie­ge­sell­schaft muss ohne Entlas­tungs­mög­lichkeit für Fehlverhalten des Personals einstehen

Die beklagte Lotto­ge­sell­schaft hafte für das Verhalten des Personals der Lotte­rie­an­nah­me­stellen. Die Lotte­rie­ge­sell­schaft vermittele über diese Annahmestellen ihre Glückss­piel­produkte. Die Lotte­rie­an­nah­me­stellen seien trotz ihrer rechtlichen Selbst­stän­digkeit Beauftragte im Sinne des § 8 Abs. 2 UWG mit der Folge, dass die Lotte­rie­ge­sell­schaft ohne Entlas­tungs­mög­lichkeit für das Fehlverhalten einstehen müsse.

Gericht sieht keine Gefahr von Rechtsverstößen hinsichtlich anderer angebotener Glücksspiele

Der Unter­las­sungs­an­spruch ist nach Auffassung des Gerichts jedoch nur insoweit begründet, als er sich auf den Verkauf von Rubbellosen im Auftrag der Lotto­ge­sell­schaft bezieht. Soweit der Kläger darüber hinaus ein Verbot auch hinsichtlich aller weiteren von der Lotte­rie­ge­sell­schaft angebotenen Glücksspiele beantragt hat, hat das Gericht keine Gefahr eines künftig drohenden Rechtsverstoßes der Beklagten angenommen. Das Gericht hat die Berufung des Klägers deshalb insoweit zurückgewiesen.

Klage gegen Geschäftsführer der Lotte­rie­ge­sell­schaft erfolglos

Hinsichtlich des Geschäfts­führers der Lotte­rie­ge­sell­schaft hatte die Berufung des Klägers insgesamt keinen Erfolg, weil der Geschäftsführer der Lotto Rheinlad-Pfalz GmbH die in den Lotto­an­nah­me­stellen begangenen Verstöße gegen den Minder­jäh­ri­gen­schutz nicht kannte und auch nicht kennen musste.

Zusat­z­in­for­mation:

§ 4 des Staatsvertrags zum Glückss­pielwesen in Deutschland (Glückss­piel­staats­vertrag) enthält unter anderem folgende Regelung:

(3) Das Veranstalten und das Vermitteln von öffentlichen Glücksspielen darf den Erfordernissen des Jugendschutzes nicht zuwiderlaufen. Die Teilnahme von Minderjährigen ist unzulässig. Die Veranstalter und die Vermittler haben sicherzustellen, dass Minderjährige von der Teilnahme ausgeschlossen sind.

§ 8 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) lautet auszugsweise wie folgt:

(1) Wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, kann auf Beseitigung und bei Wieder­ho­lungs­gefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.

(2) Werden die Zuwider­hand­lungen in einem Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen, so sind der Unter­las­sungs­an­spruch und der Besei­ti­gungs­an­spruch auch gegen den Inhaber des Unternehmens begründet.

(3) Die Ansprüche aus Abs. 1 stehen zu:

2. rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienst­leis­tungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, soweit sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt;

(4) Die Geltendmachung der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche ist unzulässig, wenn sie unter Berück­sich­tigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwider­han­delnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechts­ver­folgung entstehen zu lassen.

Quelle: Oberlandesgericht Koblenz/ra-online

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