21.11.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.
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Oberlandesgericht Koblenz Urteil28.10.2010

OLG Koblenz zu den Voraussetzungen für den Kauf eines Kraftfahrzeugs mit ausländischem KennzeichenKein gutgläubiger Eigentumserwerb ohne Prüfung der Berechtigung des Verkäufers

Kauft ein Kraft­fahr­zeughändler ein gebrauchtes, in Belgien zugelassenes Kraftfahrzeug und ist der Verkäufer nicht Eigentümer des Fahrzeugs, dann kann der Käufer in der Regel nicht gutgläubig Eigentum an dem Fahrzeug erwerben, wenn er es unterlässt, sich eine Original-Ankaufsrechnung des Verkäufers vorlegen zu lassen und er auch keine anderen Erkenntnisse über das Eigentum des Verkäufers hat. Das hat das Oberlan­des­gericht Koblenz entschieden.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls, eine in Belgien ansässige Leasingbank, erwarb im Jahr 2008 zwei Fahrzeuge Mercedes-Benz C 220 CDI Elegance und überließ sie der belgischen Firma D. auf der Grundlage von Leasing­ver­trägen. Eigentümerin blieb die Klägerin. Später kündigte die Klägerin die Leasingverträge wegen Zahlungs­rück­ständen und erwirkte ein Urteil auf Herausgabe der Fahrzeuge. Zuvor hatte die Firma D. die in Belgien zugelassenen Fahrzeuge jedoch bereits an die Beklagte, eine Autohändlerin aus dem Raum Neuwied, verkauft und die Fahrzeugpapiere und Fahrzeug­sch­lüssel übergeben. Später wurden die Fahrzeuge von der Polizei beschlagnahmt und in Verwahrung genommen.

Parteien streiten über gutgläubigen Erwerb von Eigentum

Die Klägerin hat die Beklagte unter anderem auf Zustimmung zur Herausgabe der beiden Fahrzeuge aus dem Polizei­ge­wahrsam an sie - die Klägerin - sowie auf Herausgabe der Fahrzeug­sch­lüssel und Fahrzeugpapiere in Anspruch genommen. Die Parteien haben darüber gestritten, ob die Beklagte von der Leasingnehmerin D., die unstreitig nicht Eigentümerin des Fahrzeugs war, gutgläubig Eigentum erworben hat.

OLG verurteilt Autohändler zur Herausgabe der Fahrzeuge Zug um Zug gegen Erstattung der während ihrer Besitzzeit entstandenen Kosten

Das Landgericht Koblenz hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin hatte weit überwiegend Erfolg. Das Oberlan­des­gericht Koblenz hat die Beklagte unter anderem verurteilt, der Herausgabe der beiden Fahrzeuge an die Klägerin zuzustimmen sowie Fahrzeug­sch­lüssel und Fahrzeugpapiere herauszugeben, allerdings nur Zug um Zug gegen Erstattung von Kosten, die der Beklagten während ihrer Besitzzeit entstanden sind; ferner hat das Oberlan­des­gericht antragsgemäß festgestellt, dass die Beklagte nicht Eigentümerin der beiden Fahrzeuge geworden ist.

Bank hat ursprüngliche Stellung als Eigentümerin infolge der Veräußerung der Fahrzeuge durch Leasingnehmerin nicht verloren

Das Oberlan­des­gericht Koblenz hat deutsches Recht auf den Anspruch der Klägerin und die Eigen­tums­ver­hältnisse angewandt und einen Heraus­ga­be­an­spruch aus dem Gesichtspunkt der ungerecht­fer­tigten Bereicherung bejaht (§ 812 BGB, im Anhang abgedruckt). Die Klägerin habe ihre ursprüngliche Stellung als Eigentümerin nicht infolge der Veräußerung der beiden Fahrzeuge von der Leasingnehmerin (D.) an die Beklagte verloren. Da die Firma D. nicht zur Veräußerung der Fahrzeuge berechtigt gewesen sei, könne die Beklagte das Eigentum nur erlangt haben, wenn sie bei der Übergabe in gutem Glauben gewesen wäre (§ 932 BGB, im Anhang abgedruckt). Dies sei nicht der Fall, weil die Beklagte es in grob fahrlässiger Weise unterlassen habe, sich Kenntnis über das Eigentum an den von ihr gekauften Fahrzeugen zu verschaffen.

Käufer muss sich Kraft­fahr­zeugbrief zur Überprüfung der Berechtigung des Veräußerers vorlegen lassen

Zu den Mindest­vor­aus­set­zungen des gutgläubigen Erwerbs eines gebrauchten in Deutschland zugelassenen Kraftfahrzeugs gehöre, dass sich der Käufer die Zulas­sungs­be­schei­nigung Teil II - früher: den Kraft­fahr­zeugbrief - vorlegen lasse, um die Berechtigung des Veräußerers überprüfen zu können. Beim Erwerb eines im Ausland angemeldeten Wagens dürfe der Käufer keinesfalls weniger Vorsicht walten lassen, als wenn er ein in Deutschland zugelassenes Fahrzeug erwerbe. Im Gegenteil seien beim Kauf eines Auslands­fahrzeugs im Inland im Hinblick auf mögliche Besonderheiten ausländischer Kfz-Papiere gesteigerte Anforderungen zu stellen. Notfalls müsse der Käufer die Hilfe eines sprachkundigen und mit den im Zulassungsstaat geltenden Regeln vertrauten Fachmanns in Anspruch zu nehmen, um die Eigentumslage zu klären. Dies habe die Beklagte unterlassen.

Autohändler hätte prüfen müssen, ob belgischer Kennzei­chen­nachweis zum Nachweis der Verfü­gungs­be­rech­tigung geeignet ist

Spätestens bei Befragung einer fachkundigen Person hätte die Beklagte Kenntnis davon erlangt, dass für in Belgien zugelassene Kraftfahrzeuge ein der Zulas­sungs­be­schei­nigung Teil II vergleichbares Papier nicht ausgestellt werde und der belgische Kennzei­chen­nachweis ("Kentekenbewijs"), welcher von der Firma D. anlässlich der Veräußerung der Kraftfahrzeuge vorgelegt worden war, zum Nachweis ihrer Verfü­gungs­be­rech­tigung nicht geeignet sei. Weiter wäre die Beklagte, wenn sie sich in der gebotenen Weise kundig gemacht hätte, darüber informiert worden, dass in Belgien der Nachweis des Eigentums an einem Gebrauchtwagen üblicherweise durch die Vorlage der Rechnung geführt werde, die dem späteren Verkäufer (hier: D.) beim Erwerb des Fahrzeugs ausgestellt wird. Damit bestehe eine Möglichkeit, das Eigentum an Fahrzeugen mit belgischer Zulassung in ähnlich zuverlässiger Weise zu belegen wie durch eine deutsche Zulas­sungs­be­schei­nigung Teil II. Die Vorlage eines solchen Beleges sei daher beim Erwerb eines Fahrzeugs auch nach deutschem Recht als Mindest­vor­aus­setzung des guten Glaubens zu verlangen, wenn andere Mittel zur Klärung der Eigentumslage nicht zur Verfügung stünden. Entsprechende Rechnungen über den vorangegangenen Erwerb der Fahrzeuge hatte die Firma D. der Beklagten jedoch nicht vorgelegt.

Autohaus hätte auffallen müssen, dass in Kennzei­chen­nachweis nicht Veräußerer sondern Bank als Halterin ausgewiesen war

Auf Erklärungen der Veräußerin, das Eigentum sei auf sie übergegangen, auf die Vorlage sämtlicher Fahrzeug­sch­lüssel und Versi­che­rungs­papiere beim Verkauf und auf das Fehlen eines – nach dem Vortrag der Beklagten in Belgien üblichen – fest angebrachten Hinweises auf das Eigentum der Leasinggeberin (hier: der Klägerin) habe sich die Beklagte nicht verlassen dürfen. Zu weitergehenden Nachforschungen habe insbesondere auch deshalb Anlass bestanden, weil in dem von der Firma D. beim Verkauf vorgelegten "Kentekenbewijs" nicht diese, sondern die Klägerin als Halterin ausgewiesen gewesen sei.

Autohändler muss Zustimmung zur Herausgabe der verwahrten Fahrzeuge erteilen

Die Beklagte, die nicht Eigentümerin der Fahrzeuge geworden ist, hat deshalb die Zustimmung zur Herausgabe der von der Polizei verwahrten Fahrzeuge zu erteilen und die Fahrzeug­sch­lüssel und Fahrzeugpapiere herauszugeben, aber nur gegen gleichzeitige Erstattung der so genannten notwendigen Verwendungen. Hierunter fallen alle erforderlichen Reparatur- und Wartungs­a­r­beiten, die die Beklagte erbracht hat, um die Verkehrs­si­cherheit der Fahrzeuge zu erhalten und die der Werterhaltung dienen.

Zusat­z­in­for­mation:

§ 812 und § 932 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) lauten auszugsweise wie folgt:

§ 812 Heraus­ga­be­an­spruch

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet.

(...)

§ 932 Gutgläubiger Erwerb vom Nicht­be­rech­tigten

(1) Durch eine nach § 929 erfolgte Veräußerung wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist. In dem Falle des § 929 Satz 2 gilt dies jedoch nur dann, wenn der Erwerber den Besitz von dem Veräußerer erlangt hatte.

(2) Der Erwerber ist nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.

Quelle: Oberlandesgericht Koblenz/ra-online

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