18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 24415

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Urteil24.06.2015Oberlandesgericht Karlsruhe9 U 18/14
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DAR 2015, 646Zeitschrift: Deutsches Autorecht (DAR), Jahrgang: 2015, Seite: 646
  • NJW 2016, 1106Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2016, Seite: 1106
  • NJW-Spezial 2016, 683 (Raimer Heß und Michael Baumann)Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2016, Seite: 683, Entscheidungsbesprechung von Raimer Heß und Michael Baumann
  • VersR 2016, 135Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2016, Seite: 135
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Vorinstanz:
  • Landgericht Konstanz, Urteil14.01.2014, 4 O 155/13 D
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil24.06.2015

Vor­fahrts­berechtigung gilt auch für aufgrund einer Baustelle nur für Anlieger freigegebene StraßeBeschilderung zum Verbot der Einfahrt in eine Sackgasse ist bei gleichzeitigem Verbot der Ausfahrt nichtig

Ist eine vor­fahrts­berechtigte Straße aufgrund einer Baustelle nur für Anlieger freigegeben, so ändert dies nichts an der Vorfahrts­re­gelung. Der aus der Anliegerstraße kommende Fahrzeugverkehr genießt weiterhin die Vorfahrt. Zudem ist eine Beschilderung, wonach die Einfahrt in eine Sackgasse erlaubt ist, aber die Ausfahrt aus der Sackgasse verboten ist, nichtig. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall kam es im Juni 2013 an einer Kreuzung zu einem Verkehrsunfall. Der Fahrer eines VW missachtete ein Stopp-Schild und kollidierte aufgrund dessen mit einem von links kommenden BMW. Die Fahrerin des BMW klagte anschließend gegen den VW-Fahrer und dessen Haftpflicht­ver­si­cherung auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Der BMW-Fahrer wies jedoch jede Verantwortung zurück. Er wies darauf hin, dass die VW-Fahrerin von einer nur für Anlieger freigegebenen Straße kam. Die Straße war aufgrund einer Baustelle für den allgemeinen Fahrzeugverkehr durch das Zeichen 250 mit dem Zusatzschild "Anlieger bis Baustelle frei" gesperrt. Der BMW-Fahrer vertrat die Meinung, dass es sich daher um eine untergeordnete Straße gehandelt habe, so dass er Vorrang gehabt habe. Zudem befanden sich auf der von der VW-Fahrerin befahrenen Straße mehrere Schilder mit dem Zeichen 250 (Verbot für alle Fahrzeuge). Nach Meinung des BMW-Fahrers habe die VW-Fahrerin daher die Straße gar nicht befahren dürfen.

Landgericht wies Schadensersatz- und Schmer­zens­geldklage ab

Das Landgericht Konstanz wies die Schadensersatz- und Schmer­zens­geldklage ab. Der Unfall sei allein durch einen Verstoß der Klägerin gegen § 10 StVO verursacht worden. Sie sei von einem "anderen Straßenteil" im Sinne der Vorschrift gekommen und sei daher verpflichtet gewesen, dem Beklagten Vorrang zu gewähren. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein.

Oberlan­des­gericht bejaht Schadensersatz- und Schmer­zens­geldan­spruch

Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe entschied zu Gunsten der Klägerin und hob daher die Entscheidung des Landgerichts auf. Der Klägerin stehe sowohl der Schadensersatz- als auch der Schmer­zens­geldan­spruch zu. Der Beklagte habe den Unfall durch einen erheblichen schuldhaften Verkehrsverstoß verursacht, weil er das für ihn geltende Stopp-Schild missachtet habe.

Vorfahrts­be­rech­tigung gilt auch für aufgrund einer Baustelle nur für Anlieger freigegebene Straße

Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, so das Oberlan­des­gericht, dem Beklagten den Vorrang zu gewähren. Der Umstand, dass die von der Klägerin befahrene Straße zum Unfallzeitpunkt nur für Anlieger freigegeben war, führe nicht zu einer Anwendung von § 10 StVO. Ein "anderer Straßenteil" sei dadurch gekennzeichnet, dass er nicht dem fließenden Durch­gangs­verkehr diene. So liege der Fall hier aber nicht. Die von der Klägerin befahrene Straße habe weiterhin dem Durch­gangs­verkehr für die Anlieger gedient. Die Beschränkung des Verkehrs auf Anlieger ändere nichts am Charakter einer dem Durch­gangs­verkehr dienenden Straße.

Vorfahrtstraße besaß keine Merkmale eines "anderen Straßenteils"

Darüber hinaus habe die von der Klägerin befahrene Vorfahrtstraße nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts keine Merkmale eines "anderen Straßenteils" aufgewiesen. Fahrbahnbelag und -beschaffenheit haben einer normalen Straße entsprochen und seien nicht etwa durch einen abgesenkten Bordstein oder bestimmten Markierungen von der durch den Beklagten befahrenen Straße abgetrennt gewesen. Aus der Beschilderung "Anlieger bis Baustelle frei" habe sich für jeden Verkehrs­teil­nehmer ergeben, dass jederzeit mit Durch­gangs­verkehr zu rechnen war. Von besonderer Bedeutung sei das Stopp-Schild gewesen, das dem Beklagten deutlich gemacht habe, dass er in eine normale Kreuzung einfuhr.

Kein Verkehrsverstoß aufgrund Nichtbeachtung des Zeichens 250 (Verbot für alle Fahrzeuge)

Die Klägerin habe nach Auffassung des Oberlan­des­ge­richts durch die Missachtung der Schilder mit dem Zeichen 250 (Verbot für alle Fahrzeuge) keinen Verkehrsverstoß begangen. Denn die in Fahrtrichtung der Klägerin aufgestellten Schilder, die keinen "Anlieger frei"-Zusatz enthielten, seien nichtig gewesen. Denn die Konsequenz der Beschilderung sei unsinnig gewesen. Während die Einfahrt in die baustel­len­be­dingte Sackgasse erlaubt war, war die Ausfahrt nicht gestattet. Sämtliche Anlieger wären somit in der Sackgasse gefangen gewesen. Dies habe die Verwal­tungs­behörde erkennbar nicht gewollt.

Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 EUR

Aufgrund dessen, dass die Klägerin durch den Unfall für einen Zeitraum von sechs Wochen erhebliche Wirbel­säu­len­be­schwerden hatte und zu dieser Zeit krank­ge­schrieben war, sprach das Oberlan­des­gericht ihr ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 EUR zu.

Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe, ra-online (vt/rb)

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