15.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil25.06.2001

Außer­or­dent­liches Kündigungsrecht des Darlehnsnehmers bei BankenfusionBankkunde kann besondere Interessen haben

Immer wieder kommt es in Deutschland zu Bankenfusionen, wie aktuell der Fusion der Commerzbank mit der Dresdner Bank. Manch ein Kunde möchte dann ungünstige Kredite kurzfristig kündigen. Ein gesetzliches Sonder­kün­di­gungsrecht bei einer Bankenfusion gibt es aber nicht. Eine Kündigung ist aber bei einem gewichtigen Grund möglich, wie ein Urteil des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe zeigt. Dann kann der Bankkunde bei Kreditkündigung die Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung sparen.

Im zugrunde liegenden Fall schlossen sich zwei Volksbanken zusammen. Ein Kreditnehmer kündigte ca. 11 Monate nachdem ihm die Fusion mitgeteilt worden war seinen Kreditvertrag. Die Richter des Oberlan­des­ge­richts Karlruhe wiesen die Klage des Kreditnehmers im Ergebnis allerdings ab, weil er innerhalb von zwei Wochen oder zwei Monaten (strittig) nach dem er Kenntnis von der Fusion erhalten hatte, hätte kündigen müssen.

Außer­or­dent­liches Kündigungsrecht bei Bankenfusion

Die Richter bejahten aber grundsätzlich bei der Fusion von Banken die Möglichkeit des Entstehens eines außer­or­dent­lichen fristlosen Kündi­gungs­rechts für einen Kreditvertrag aus wichtigen Gründen mit der Folge, dass die Verpflichtung zur Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung entfällt.

Besonderes Vertrau­ens­ver­hältnis

Insbesondere bei einem langfristigen Kreditvertrag, wie im entschiedenen Fall, entstünde zwischen dem Bankkunden und der Bank ein besonderes Vertrau­ens­ver­hältnis, führten die Richter aus. Dies beruhe darauf, dass die Bank im Zusammenhang mit dem Kredit und der Prüfung der Sicherheiten während der ganzen Vertragszeit höchst­per­sönliche insbesondere auch wirtschaftliche Informationen über den Kreditnehmer erhalte, während der gesamten Vertragszeit sich über die Entwicklung dieser Verhältnisse auf dem Laufenden halten könne und gegebenenfalls nach dem Kredit­we­sen­gesetz sogar hierzu verpflichtet sei.

Besondere Interessen des Bankkunden

Der Bankkunde könne daher zur Wahrung seiner eigenen wirtschaft­lichen und sonstigen Interessen Gründe haben, seine Bank- und Kreditgeschäfte auf verschiedene Kreditinstitute in verschiedenen Orten zu verteilen und sei es nur, um einzelnen Banken zu großen Einblick in seine wirtschaft­lichen Aktivitäten zu verwehren. Er könne auch im Einzelfall Gründe dafür haben, von einer Zusammenarbeit mit einem speziellen Kreditinstitut Abstand zu nehmen, weil er eine Inter­es­sen­kol­lision befürchte oder gerade diesem Kreditinstitut Informationen über seine wirtschaft­lichen Verhältnisse vorenthalten wolle. Die Möglichkeit solcher Interessenlagen sei der kredit­ge­wäh­renden Bank bei Vertragsschluss gegenwärtig. Auch beim späteren Abschluss eines Fusions­ver­trages müsse sich die Bank darüber im Klaren sein, dass eine derartige Fusion im Einzelfall wesentliche wirtschaftliche Interessen ihrer Kunden beeinträchtigen könne.

Nach Treu und Glauben keine Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung

Dann entspreche es Treu und Glauben (§ 242 BGB unter Anlehnung an die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Anpassung eines Vertrages bei Wegfall einer Geschäfts­grundlage), dass der Bankkunde sich ohne Verpflichtung zur Zahlung einer Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung durch fristlose Kündigung von dem Darlehensvertrag lösen könne.

Zwei-Wochen-Frist

Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen über den Zeitpunkt der Kündigung eines Dauer­schuld­ver­hält­nisses aus wichtigem Grund sei eine solche fristlose Kündigung in angemessener Frist zu erklären. In Rechtsprechung und Schrifttum sei anerkannt, dass beispielsweise die Zweiwochenfrist für die fristlose Kündigung gemäß § 626 Abs. 2 BGB gleichermaßen für selbständige und nicht selbständige Dienst­ver­hältnisse gelte, entschieden die Richter. Nach anderer Auffassung könnte der Darlehnsnehmer eine Frist von zwei Monaten haben. Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe ließ die Entscheidung darüber, welche Frist angemessen sei, dahinstehen, da im Fall die Kündigung erst 11 Monate nach der Fusions­mit­teilung erfolgte, also in jedem Fall zu spät.

Quelle: ra-online

der Leitsatz

Nach der Fusion zweier Banken durch einen Verschmel­zungs­vertrag nach dem Umwand­lungs­gesetz kann der Schuldner eines langfristigen Kreditvertrages diesen fristlos kündigen, wenn er gewichtige Gründe dafür hat, dass nicht aufgrund der Univer­sal­suk­zession eine andere an der Fusion teilnehmende Bank in diesen Vertrag mit eintritt. Er ist dann von der Zahlung einer Vorfäl­lig­keits­ent­schä­digung befreit. Die fristlose Kündigung muss in angemessener Frist erfolgen. Jedenfalls eine Frist von 2 Monaten ist nicht mehr angemessen.

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