15.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 5218

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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil27.11.2007

EnBW muss keinen Schadenersatz an Thermoselect zahlenKeine Pflicht­ver­let­zungen bei Beendigung von "Thermoselect-Engagement"

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Ersatz aller Schäden, die ihr durch den Ausstieg der Beklagten aus dem Thermoselect-Engagement entstanden seien, zuletzt die Zahlung von ca. 581 Mio. Euro und Feststellung der Ersatzpflicht aller weiter entstehenden Schäden. Sie stützt ihre Ansprüche im Wesentlichen darauf, dass die Beklagte ihre Verpflichtungen, die sie auf dem Gebiet der Förderung und Vermarktung der Thermoselect-Technik übernommen habe, in grober Weise verletzt und versucht habe, die Klägerin in vertrags­widriger und delikts­rechtlich relevanter Weise in ihrer wirtschaft­lichen Existenz zu vernichten, um daraus eigene wirtschaftliche Vorteile zu ziehen.

In den neunziger Jahren schloss die Klägerin schriftliche Verträge mit konzern­an­ge­hörigen Gesellschaften der Beklagten und dieser, u.a. 1993 einen Rahmenvertrag mit der U., mit dem die U. das Exklusivrecht bezüglich Vertrieb und Einsatz der Thermoselect-Technologie in Baden-Württemberg erwarb, 1995 eine Vereinbarung zum Bau einer Anlage im Tessin, 1997 mit der T. einen Vertrag über den Bau einer Thermoselect-Anlage in Ansbach, 1995 gab die Beklagte die Errichtung einer Thermoselect-Anlage in Karlsruhe in Auftrag. Alle drei Projekte scheiterten; Gründe und Verant­wort­lich­keiten sind höchst streitig.

In einer ad-hoc-Mitteilung vom 03.07.2003 nach § 15 WpHG gab die Beklagte potentielle Ertrags­be­las­tungen für das Jahr 2003 bekannt, die neben anderen Risiken auch solche bei Thermoselect betrafen. In der folgenden Bilanz­pres­se­kon­ferenz teilte der Vorstand der Beklagten Gesamtverluste aus dem Projekt Thermoselect in den Jahren 1998 bis 2002 mit über 200 Mio. Euro und das Gesam­ten­ga­gement mit über 400 Mio. Euro mit, wobei er auch dieses Engagement als „Altlast“ und „Sanierungsfall“ bezeichnete. Er teilte mit, dass der Vorstand „zum Thema Altlast Thermoselect einen konditionalen Ausstiegs­be­schluss“ gefasst habe, für den Fall, dass in den nächsten sechs Monaten keine spürbare Leistungs- und Ertrags­ver­bes­serung erkennbar werde. In der ad-hoc-Mitteilung vom 14.08.2003 teilte die Beklagte mit, die Vorsteu­e­r­er­gebnisse seien im ersten Halbjahr 2003 durch „Altlasten“ in Höhe von über 1 Milliarde Euro belastet, im Geschäftsfeld „Energie und Umwelt­dienst­leis­tungen“ beträfen die Einmaleffekte außerplanmäßige Abschreibungen und Maßnahmen zur Risikovorsorge insbesondere im Bereich der thermischen Entsorgung mit 283 Mio. Euro. In der Pressekonferenz vom 05.03.2004 gab die Beklagte ihren Ausstieg aus dem Thermoselect-Projekt in Karlsruhe bekannt, in ihrer Presse­mit­teilung nannte sie als wesentlichen Grund, dass trotz des Ertüch­ti­gungs­konzepts ein wirtschaftlich verant­wort­licher Weiterbetrieb der Anlage nicht gewährt werden könne.

Das Landgericht Karlsruhe hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe blieb ohne Erfolg.

Die Klägerin hat im Wesentlichen geltend gemacht, die Beklagte habe als herrschende Konzer­no­ber­ge­sell­schaft für die Einhaltung aller Pflichten ihrer Tochter­ge­sell­schaften einzustehen und ihre wirtschaftliche Leitungsmacht in Bezug auf sämtliche mit ihr verbundenen Unternehmen so auszurichten gehabt, dass alle Verpflichtungen aus dem Rahmenvertrag und allen sonstigen Verträgen mit der Thermoselect-Gruppe uneingeschränkt erfüllt würden. Die praktizierten Methoden des Ausstiegs aus allen laufenden Thermoselect-Projekten sowie Art und Weise der Unter­neh­mens­kom­mu­ni­kation der Beklagten auf ihren Presse­kon­fe­renzen stellten einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar und verletzten Delikts­vor­schriften.

Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Landgerichts. Der Senat hat festgestellt, dass die mit der Klage geltend gemachten Schaden­s­er­satz­ansprüche der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zustehen.

Verstöße gegen vertragliche Koope­ra­ti­o­ns­pflichten bestehen nicht. Die Beklagte ist nicht Vertragspartei des Rahmenvertrages von 1993, dem Vertrag nicht beigetreten und auch im Wege des „konzern­recht­lichen Zurech­nungs­durch­griffs“ an den Rahmenvertrag nicht gebunden. Es entspricht dem Wesen eines Konzerns, dass die darin zusam­men­ge­fassten Unternehmen rechtlich selbständig bleiben. Die konzern­an­ge­hörigen Unternehmen behalten ihre Rechtsfähigkeit, sind also Träger ihrer eigenen Rechte und Verpflichtungen und damit auch ihrer Vertrags­be­zie­hungen. Somit findet im Konzern gerade keine Zusammenfassung oder Verlagerung solcher Rechte und Pflichte sowie von Verträgen statt. Insbesondere geltend gemachte Pflicht­ver­let­zungen des Werkvertrages zwischen den Parteien über die Errichtung der Karlsruher Anlage hat der Senat nicht festgestellt. Die Beklagte war nicht verpflichtet, die Karlsruher Anlage zu Ende zu ertüchtigen, was sich bereits aus § 649 BGB ergibt, wonach der Besteller eines Werkes bis zur Vollendung jederzeit den Vertrag kündigen kann. Allein der Umstand, dass die erfolgreiche Durchführung der Karlsruher Anlage für die Beklagte erkennbar für die Klägerin besonders wichtig war, rechtfertigt nicht die Annahme einer Vertrags­durch­füh­rungs­pflicht. Die Beklagte war nach dem Werkvertrag nicht verpflichtet, die Thermoselect-Technologie zu fördern und das Anbieten von Konkur­renz­pro­dukten zu unterlassen.

Auch durch die Äußerungen in der Öffentlichkeit über ihr Thermoselect-Engagement und den Ausstieg hat die Beklagte keine Vertrags­pflichten verletzt. Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf das „Kirch-Urteil“ des Bundes­ge­richtshofs. Das Thermoselect-Projekt der Beklagten mit der Klägerin wurde von den Parteien bewusst öffentlich gemacht, bevor es zu Meinungs­ver­schie­den­heiten gekommen war. Es fehlt an einem Bezug der hier veröf­fent­lichten Information zu einer Geheimnissphäre. Eine dem Darle­hens­vertrag im Fall „Kirch“ vergleichbare Vertrau­ens­be­ziehung bestand nicht. Es geht hier nicht nur in erster Linie um eine bloße Information über den Vertragspartner, die Beklagte hat sich vielmehr in den Mitteilungen mit sich selbst beschäftigt und ihre Ertrags­be­las­tungen mitgeteilt, die zwangsläufig auch das Thermoselect-Engagement und damit auch die Beklagte betreffen. Anders als im Fall „Kirch“ kann sich die in der Öffentlichkeit äußernde Vertragspartei auf eigene gegenläufige Interessen an einer transparenten Kapitalmarkt-Kommunikation berufen. Zu den ad-hoc-Mitteilungen war die Beklagte gesetzlich verpflichtet, die weitgehend abstrakt gehaltenen Äußerungen gingen nicht über die gesetzlichen Verpflichtungen hinaus. Die Mitteilung über den „konditionalen Ausstiegs­be­schluss“ war als Erläuterung zulässig, ohne sie hätte die naheliegende Möglichkeit einer Überreaktion auf dem Kapitalmarkt bestanden. Die Pressekonferenz diente dem berechtigten Interesse der Beklagten eine solche Auswirkung möglichst zu verhindern. Auch bei der Mitteilung über den Ausstieg aus dem Thermoselect-Projekt in Karlsruhe überwiegt das Interesse der Beklagten an einer transparenten Kapital­ma­rk­t­in­for­mation.

Die Beklagte hat keine unwahren Tatsachen über die Klägerin verbreitet, sondern lediglich erlaubte Werturteile; herabwürdigende Äußerungen oder Schmähkritiken sind den öffentlichen Mitteilungen nicht zu entnehmen. Sie hat vielmehr in der Pressekonferenz ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit dem „Aus“ für die Karlsruher Anlage kein Werturteil über die Technologie als solche verbunden sei. Auch delikts­rechtliche Ansprüche stehen der Klägerin (daher) nicht zu.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 27.11.2007

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