21.11.2024
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Dokument-Nr. 1777

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Urteil24.01.2006BundesgerichtshofXI ZR 384/03
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BB 2006, 681Zeitschrift: Betriebs-Berater (BB), Jahrgang: 2006, Seite: 681
  • BGHReport 2006, 593Zeitschrift: BGH Report (BGHReport), Jahrgang: 2006, Seite: 593
  • BGHZ 166, 84Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 166, Seite: 84
  • MDR 2006, 940Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2006, Seite: 940
  • NJW 2006, 830Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2006, Seite: 830
  • VersR 2006, 1219Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2006, Seite: 1219
  • WM 2006, 380Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM), Jahrgang: 2006, Seite: 380
  • ZIP 2006, 317Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ZIP), Jahrgang: 2006, Seite: 317
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil24.01.2006

BGH entscheidet über Schadensersatz­feststel­lungsklage von Dr. Kirch gegen die Deutsche Bank AG und Dr. Breuer

Der Bundes­ge­richtshofs hatte über eine Schadensersatz­feststel­lungsklage von Dr. Leo Kirch, Gründer des seinerzeit im Mediengeschäft tätigen Kirch-Konzerns, aus eigenem und aus abgetretenem Recht der Konzernholding, der TaurusHolding GmbH & Co. KG, sowie deren Enkel­ge­sell­schaft, der Print­Be­tei­ligungs GmbH, gegen die Deutsche Bank AG und ihren ehemaligen Vorstands­s­precher Dr. Rolf E. Breuer zu entscheiden.

Die Deutsche Bank AG hatte der Print­Be­tei­ligungs GmbH ein Darlehen über 1,4 Milliarden DM gewährt, das durch ein Aktienpaket der Kreditnehmerin abgesichert war. Im Zusammenhang damit und mit der in den Medien erörterten Finanzkrise des Kirch-Konzerns antwortete Dr. Breuer im Februar 2002 in einem vom Fernsehsender Bloomberg TV ausgestrahlten Interview auf die Frage:

Erläuterungen

„Kirch hat sehr, sehr viele Schulden, sehr hohe Schulden. Wie exponiert ist die Deutsche Bank ?“

Dr. Breuer: „Relativ komfortabel, würde ich mal sagen, denn – das ist bekannt und da begehe ich keine Indiskredition, wenn ich das erzähle – der Kredit, den wir haben, ist

1. zahlenmäßig nicht einer der größten, sondern relativ im mittleren Bereich und

2. voll gesichert durch ein Pfandrecht auf Kirchs Aktien am Springer-Verlag.

Uns kann also eigentlich nichts passieren, wir fühlen und gut abgesichert. Es ist nie schön, wenn ein Schuldner in Schwierigkeiten kommt, und ich hoffe, das ist nicht der Fall. Aber wenn das so käme, wir bräuchten keine Sorgen zu haben.“

Frage: „Die Frage ist ja, ob man mehr ihm hilft, weiter zu machen.“

Dr. Breuer: „Das halte ich für relativ fraglich. Was alles man darüber lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd- oder gar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen. Es können also nur Dritte sein, die sich gegebenenfalls für eine wie Sie gesagt haben Stützung interessieren."

Im Juni 2002 wurde über das Vermögen mehrerer zum Kirch-Konzern gehörender Gesellschaften, darunter der Print­Be­tei­ligungs GmbH, das Insol­venz­ver­fahren eröffnet. Die Deutsche Bank kündigte den gewährten Kredit, verwertete das ihr verpfändete Aktienpaket und verzichtete auf den verbleibenden Darle­hens­rest­betrag von rd. 50 Millionen €. Dr. Kirch hat mit seiner Klage geltend gemacht, die Inter­vie­w­äu­ße­rungen von Dr. Breuer hätten den Zusammenbruch des Kirch-Konzerns und bei der Print­Be­tei­ligungs GmbH, bei der TaurusHolding GmbH & Co. KG sowie bei ihm selbst noch nicht abschließend bezifferbare Vermö­gens­schäden verursacht.

Der Bundes­ge­richtshof hat der Schaden­s­er­satz­fest­stel­lungsklage, die nicht den Nachweis eines durch die Inter­vie­w­äu­ßerung verursachten Vermö­gens­schadens, sondern lediglich die Wahrschein­lichkeit eines solchen voraussetzt, nur aus abgetretenem Recht der Print­Be­tei­ligungs GmbH stattgegeben. Er hat in den Inter­vie­w­äu­ße­rungen von Dr. Breuer eine Verletzung der aus dem Darle­hens­vertrag der Deutschen Bank AG mit der Print­Be­tei­ligungs GmbH folgenden Pflicht, die Kredit­wür­digkeit der Darle­hens­nehmerin nicht zu gefährden, gesehen. Die Inter­vie­w­äu­ße­rungen waren unter Berück­sich­tigung des Ansehens der Deutschen Bank AG und von Dr. Breuer in der Kredit­wirt­schaft geeignet, die Aufnahme dringend benötigter neuer Kredite durch Dr. Kirch und die Gesellschaften seines Konzerns erheblich zu erschweren. Auf ihr Recht zur freien Meinung­s­äu­ßerung kann sich die Deutsche Bank AG nicht mit Erfolg berufen, da dieses die Verletzung vertraglicher Pflichten nicht erlaubt. Insoweit liegt auch ein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Print­be­tei­ligungs GmbH durch die Deutsche Bank AG vor.

Im Ergebnis Entsprechendes gilt auch für Dr. Breuer. Zwar haftet er nicht aus Vertrag, weil zwischen ihm selbst und der Print­be­tei­ligungs GmbH keine vertraglichen Beziehungen bestanden. Seine Inter­vie­w­äu­ßerung stellt aber unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Print­Be­tei­ligungs GmbH eine unerlaubte Handlung dar. Als Vorstands­s­precher der Deutschen Bank AG, die zur Print­Be­tei­ligungs GmbH darle­hens­ver­tragliche Beziehungen unterhielt, traf ihn die organ­schaftliche Pflicht, alles zu unterlassen, was die Deutsche Bank einem Schaden­s­er­satz­an­spruch der Print­Be­tei­ligungs GmbH aussetzen konnte. Was der Deutschen Bank AG als Vertrags­partnerin der Print­Be­tei­ligungs GmbH wegen der bestehenden Loyali­täts­pflicht untersagt war, war auch ihren Organen verboten. Das Recht zur freien Meinung­s­äu­ßerung schützt Dr. Breuer nicht, da es kein vertragwidriges Verhalten erlaubt.

Die gegen die Deutsche Bank AG und gegen Dr. Breuer gerichtete Schaden­s­er­satz­fest­stel­lungsklage aus eigenem Recht von Dr. Kirch und aus abgetretenem Recht der TaurusHolding GmbH & Co. KG hat der Bundes­ge­richtshof abgewiesen. Schaden­s­er­satz­ansprüche auf vertraglicher Basis scheiden insoweit mangels bestehen-der vertraglicher Beziehungen aus. Die enge Einbindung der Print­Be­tei­ligungs GmbH als Darle­hens­nehmerin der Deutschen Bank AG in den Kirch-Konzern reicht für einen Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nicht aus. Das konzern­rechtliche Trennungs­prinzip, das zu einer Beschränkung der Haftung für ein Darlehen auf die vertrags­schließende Konzern­ge­sell­schaft führt, muss konse­quen­terweise auch beachtet werden, wenn es um Rechte aus dem Darle­hens­vertrag geht.

Schaden­s­er­satz­ansprüche von Dr. Kirch und der TaurusHolding GmbH & Co. KG aus unerlaubter Handlung sind nicht gegeben, weil die in dem Interview von Dr. Breuer geäußerten Tatsachen wahr und die darin enthaltenen Werturteile durch das Recht zur freien Meinung­s­äu­ßerung gedeckt sind. Das Recht der Beklagten, sich zu der in den Medien behandelten Finanzkrise des Kirch-Konzern frei zu äußern, ist gegenüber Dr. Kirch und gegenüber der TaurusHolding GmbH & Co. KG nicht durch vertragliche Pflichten eingeschränkt, da mit ihnen vertragliche Beziehungen nicht bestanden.

Vorinstanzen:

LG München I - Urteil vom 18. Februar 2003 – 33 O 8439/02

OLG München - Urteil vom 10. Dezember 2003 – 21 U 2392/03

Quelle: Pressemitteilung Nr. 13/06 des BGH vom 24.01.2006

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