23.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil29.09.2008

Oberbür­ger­meister darf Rastatter Rechtsanwalt nicht rechtsradikal nennen

Der Kläger, ein Rechtsanwalt, vertrat in einer rechtlichen Ausein­an­der­setzung über die Nutzung eines Anwesens in Karlsruhe-Durlach die Interessen der Eigentümerin, einer tschechischen Gesellschaft. Der Beklagte ist Oberbür­ger­meister der Stadt Karlsruhe und wie der Kläger Mitglied der CDU. Über das Anwesen war in der Öffentlichkeit verbreitet worden, es solle in Zukunft von der NPD genutzt werden.

Am 21.04.2008 strahlte der SWR in der Sendung "Baden-Württemberg aktuell" einen Fernsehbericht aus, in dem der Kläger als "bekannter Rastatter Rechtsanwalt" namentlich genannt wurde. Der Kläger wurde durch die Moderatorin in der Berich­t­er­stattung als "Schlüsselfigur der rechten Szene" bezeichnet. Zu dem Beitrag gehörten zwei Filmausschnitte mit Stellungnahmen des Beklagten:

"Ich bin als Oberbür­ger­meister gewählt von allen Bürgerinnen und Bürgern, aber ich bin natürlich auch CDU-Mitglied, ich muss sagen: Jemand, der rechts­ra­di­kaltes Gedankengut vertritt, verteidigt, hat eigentlich in der CDU nichts verloren".

und

"Dass jemand der die Interessen der NPD vertritt, dass der Mitglied in der CDU ist, da muss ich sagen, das finde ich in höchstem Maße bedenklich."

Der Kläger hat gegen den Beklagten vor dem Landgericht Karlsruhe im Verfahren der einstweiligen Verfügung ein Urteil erwirkt, wonach es dem Beklagten untersagt wird, in Bezug auf den Kläger öffentlich zu behaupten, dass er Interessen der NPD vertrete oder rechtes Gedankengut vertrete oder verteidige.

Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe führte lediglich zu einer sprachlich abweichenden Fassung des Verbotes, im Übrigen hatte sie keinen Erfolg.

Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe hat die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Beklagten verboten wird, sich im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers als Rechtsanwalt in der rechtlichen Ausein­an­der­setzung über die Nutzung des Anwesens Badener Straße 34 in Karlsruhe-Durlach wie folgt zu äußern:

„Jemand, der rechtsradikales Gedankengut vertritt, verteidigt, hat eigentlich in der CDU nichts verloren"

oder

"Dass jemand, der die Interesser der NPD vertritt, dass der Mitglied in der CDU ist, da muss ich sagen, das finde ich in höchstem Maße bedenklich."

Der Senat hat ausgeführt, dass das Landgericht zu Recht einen Unter­las­sungs­an­spruch bejaht hat. Das in Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG verankerte allgemeine Persön­lich­keitsrecht gewährleistet die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grund­be­din­gungen. Zu seinen wesentlichen Inhalten gehört der Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen der Person, insbesondere ihr Bild in der Öffentlichkeit auszuwirken.

Entscheidend für die Beurteilung, ob eine Äußerung das allgemeine Persön­lich­keitsrecht verletzt, ist der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvor­ein­ge­nommenen und verständigen Durch­schnitts­pu­blikums hat. Bei der Auslegung sind auch verdeckte Äußerungen von Bedeutung. Die angegriffenen Äußerungen sind dahin zu verstehen, dass sie sich auf den Kläger beziehen und dass diesem vorgeworfen wird, die Interessen der NPD bzw. rechtsradikales Gedankengut zu vertreten. Zwar sind die Äußerungen nach ihrem Wortlaut allgemein und nicht mit Bezug auf eine bestimmte Person formuliert, ein Bezug ergibt sich jedoch bereits aus einer eingeblendeten Stellungnahme des Beklagten, wonach sich nämlich seine Äußerungen auf die konkrete rechtliche Ausein­an­der­setzung um das Gebäude in Durlach bezogen. Vor diesem Hintergrund versteht ein unvor­ein­ge­nommener und verständiger Zuschauer die nachfolgende Äußerung über Personen, die die Interessen der NPD bzw. rechtsradikales Gedankengut vertreten, nicht als Kundgabe allgemeiner und nicht auf eine bestimmte Person bezogener politischer Überzeugungen. Aufgrund der in dem Bericht geschilderten und unstreitig bekannten Befassung des Klägers mit der im Blickpunkt stehenden rechtlichen Ausein­an­der­setzung lag vielmehr auf der Hand, dass der Beklagte den Kläger als Person ansieht, auf die seine Äußerungen zutreffen; der Zusammenhang ist auch nicht erst durch den Schnitt des Interviews des Beklagten durch die Verant­wort­lichen des SWR hergestellt worden.

Die Äußerungen verletzen das Persön­lich­keitsrecht des Klägers. Die Äußerung, er vertrete rechtsradikales Gedankengut, ist eine Tatsa­chen­be­hauptung, die geeignet ist, sein Ansehen herabzusetzen. Der Beklagte, der die Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit dieser Tatsa­chen­be­hauptung trägt, hat nicht behauptet, dass die Äußerung mit dem genannten Inhalt wahr ist. Die Äußerung, der Kläger vertrete die Interessen der NPD, ist ebenfalls eine unzutreffende Tatsa­chen­be­hauptung. Der Kläger war unstreitig nicht von der NPD mandatiert, sondern von der Grund­s­tücks­ei­gen­tümerin, dass diese institutionell mit der NPD verbunden wäre, ist nicht vorgetragen. Die Äußerungen sind auch nicht deshalb von der Meinungs­freiheit gedeckt, weil ihr Schwerpunkt in einer Meinung­s­äu­ßerung liegt. Zwar stellt es eine Meinung­s­äu­ßerung dar, dass Personen, die rechtsradikales Gedankengut bzw. die Interessen der NPD vertreten, nicht Mitglied der CDU sein dürften. Diese Äußerungen enthalten jedoch zugleich den oben beschriebenen Tatsachenkern, nämlich die verdeckte Behauptung, der Kläger gehöre zu dem angesprochenen Personenkreis.

Der Unter­las­sungs­an­spruch des Klägers deckt jedoch nicht ein Verbot in der ursprünglich beantragten und vom Landgericht formulierten allgemeinen Fassung. Der Tenor eines gerichtlichen Verbots darf grundsätzlich nur auf die konkrete Begehungsform gerichtet sein. Daher war das Verbot - wie oben dargestellt - zu konkretisieren.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 29.09.2008

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