Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss15.05.2017
Moslem kann Aufstehen zur Urteilsverkündung nicht aus religiösen Gründen verweigernVerweigertes Aufstehen zieht Ordnungsgeld nach sich
Ein Moslem darf das Aufstehen zur Urteilsverkündung nicht aus religiösen Gründen verweigern. Denn der Islam verbietet dieses Aufstehen nicht. Verweigert daher ein Moslem das Sicherheben zur Urteilsverkündung, kann dies ein Ordnungsgeld gemäß § 178 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) nach sich ziehen. Dies hat das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall weigerte sich ein Angeklagter im Oktober 2016 beim Amtsgericht Mannheim zur Verkündung des Urteils aufzustehen. Trotz Ermahnung und wiederholter Aufforderung der vorsitzenden Richterin lehnte der Angeklagte ein Aufstehen ab. Zur Begründung führte er an, dass ihm als Moslem das Aufstehen nur für Allah erlaubt sei. Die Richterin sah dies anders und verhängte gegen den Angeklagten wegen Ungebühr ein Ordnungsgeld von 300 Euro. Dagegen richtete sich die Beschwerde des Angeklagten.
Zulässige Verhängung des Ordnungsgelds wegen Ungebühr
Das Oberlandesgericht Karlsruhe bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und wies daher die Beschwerde des Angeklagten zurück. Die Verhängung des Ordnungsgeldes sei zu lässig gewesen, da sich der Angeklagte einer Ungebühr nach § 178 Abs. 1 GVG schuldig gemacht habe, als er sich trotz wiederholter Aufforderung nicht zur Urteilsverkündigung erhoben habe. Der Angeklagte habe provozieren und seine Missachtung bekunden wollen.
Aufstehen zur Urteilsverkündung im Islam nicht verboten
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts sei das Aufstehen zur Urteilsverkündung im Islam nicht verboten. Nach einer entsprechenden Rechtsauskunft sei das Stehen vor einer Person oder Etwas nach dem Islam verboten, wenn die Situation den Charakter einer gottesdienstlichen Verrichtung im Sinne von Anbetung oder Verherrlichung habe oder haben könnte und damit den Glauben an die Einheit und Einzigkeit Gottes in Frage stelle. Nur in diesem Fall sei das Aufstehen als Götzdienst zu betrachten. So habe der Fall hier aber nicht gelegen. Da das Gericht selbst, alle Verfahrensbeteiligten und die im Sitzungssaal anwesenden Personen aufstehen müssen, könne darin naturgemäß kein Unterwerfungsritual gegenüber der Person des Richters gesehen werden. Zwar wohne dem Sicherheben ein Element der Achtung inne. Dies sei aber die von der Person des Richters unabhängige Achtung vor der besonderen Bedeutung des auf ein Urteil ausgerichteten richterlichen Verfassungsauftrags.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 03.12.2018
Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe, ra-online (vt/rb)