21.11.2024
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Dokument-Nr. 2146

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Entscheidung31.03.2006Oberlandesgericht Karlsruhe3 AussChl 1/06 - 6 KLs 503 Js 4/96
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Oberlandesgericht Karlsruhe Entscheidung31.03.2006

Wahlver­tei­digerin von Verfahren ausgeschlossen

Vor der 6. Großen Strafkammer des Landgerichts Mannheim ist derzeit gegen den sich seit 01.03.2005 in Unter­su­chungshaft befindlichen Ernst Zündel aufgrund einer Anklage der Staats­an­walt­schaft Mannheim vom 17.08.2005 ein Strafverfahren anhängig.

Diesem wird hierin vorgeworfen, seit Oktober 2000 von Toronto/Kanada und Pigeon Forge/USA aus über eine von ihm verantwortete Internet-Homepage und durch schriftliche Publikationen, insbesondere von ihm verfasste "Germania-Rundbriefe", weltweit nazistische und antisemitische Propaganda betrieben zu haben, in welcher er unter anderem in pseudo-wissen­schaft­licher Art die Massen­ver­nichtung der Juden und die Existenz von Gaskammern im Dritten Reich geleugnet habe (Vergehen der Volksverhetzung, strafbar nach § 130 Abs.1 bis 4 StGB).

Mit Beschluss vom 09.03.2006 hat das Landgericht Mannheim die Haupt­ver­handlung unterbrochen und dem Oberlan­des­gericht Karlsruhe die Akten zur Entscheidung vorgelegt, ob die Wahlver­tei­digerin des Angeklagten, Rechtsanwältin Sylvia S., welche den Angeklagten neben zwei weiteren Wahlver­tei­digern und drei Pflicht­ver­tei­digern vor dem Landgericht Mannheim vertritt, von der Mitwirkung an dem Strafverfahren auszuschließen ist.

Den Senat hat die Ausschließung der Verteidigerin angeordnet, weil diese dringend verdächtig ist, sich unter Missbrauch ihrer Vertei­di­gungs­aufgabe der versuchten Straf­ver­ei­telung zugunsten des Angeklagten schuldig gemacht zu haben (§ 138 a Abs.1 Nr. 3 StPO).

Durch ihr Verhalten an den vier Sitzungstagen im Februar/März 2006 habe sie versucht, den Abschluss der beschleunigt zu bearbeitenden Haftsache durch prozessfremdes Verhalten zu sabotieren. So habe sie etwa trotz Entzugs des Rederechts durch den Vorsitzenden Erklärungen mit teilweise strafbarem natio­nal­so­zi­a­lis­tischem Inhalt abgegeben und sich während der Befragung des Angeklagten durch den Vorsitzenden eigenmächtig in einer Art "Paral­lel­ver­handlung" fortwährend in einer Rede an die im Gerichtssaal anwesenden Zuhörer gewandt, in welcher sie unter anderem den Holocaust geleugnet und das "Deutsche Reich" als fortbestehend bezeichnet habe. Die Haftsache habe deshalb an zwei Sitzungstagen vorzeitig abgebrochen werden müssen.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat der Senat ausgeführt, dass es sich beim Verteidiger um ein an Recht und Gesetz gebundenes Organ der Rechtspflege handele. Dieser habe einen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen, dessen Ausführung nicht nur im Interesse des Beschuldigten, sondern auch im Interesse einer am Rechts­s­taats­ge­danken ausgerichteten Straf­rechts­pflege liege. Dabei sei er nicht zur Unpar­tei­lichkeit verpflichtet, vielmehr dürfe er einseitig zu Gunsten des Beschuldigten handeln und sei berechtigt, dabei an anderen Verfah­rens­be­tei­ligten Kritik zu üben. Prozessual zulässiges Handeln des Verteidigers im Interesse sachgerechter Straf­ver­tei­digung stelle deshalb grundsätzlich keine Straf­ver­ei­telung dar. Seine Stellung als Organ der Rechtspflege bedinge es jedoch, dass der Verteidiger nur verfah­rens­rechtlich erlaubte Mittel einsetze und sich der Wahrheits­er­for­schung nicht mit unerlaubten Verhal­tens­weisen hindernd in den Weg stellen könne, weshalb er nur mit prozes­sa­d­äquaten Mitteln eine Verurteilung des Beschuldigten verzögern dürfe. Mache er deshalb von einem ihm zustehenden prozessualen Recht zugunsten des Beschul-digten Gebrauch, so begründe dies keine Strafbarkeit wegen (versuchter) Straf­ver­ei­telung.

Bei seiner Entscheidung ist der Senat vorliegend aber zur Überzeugung gelangt, dass das Verhalten der Verteidigerin nicht mehr als sachbezogene und prozessual zulässige Vertei­di­ger­tä­tigkeit eingestuft werden könne, sondern allein dem Ziel gedient habe, das Verfahren vor der 6. Großen Strafkammer des Landgerichts Mannheim gegen Ernst Zündel zu sabotieren und publi­kums­wirksam zur "Farce" zu machen. Hieraus rechtfertige sich der Verdacht einer versuchten Straf­ver­ei­telung und begründe die Ausschließung der Verteidigerin vom weiteren Verfahren.

Hinweis auf den Gesetzestext :

STPO § 138a

(1) Ein Verteidiger ist von der Mitwirkung in einem Verfahren auszuschließen, wenn er dringend oder in einem die Eröffnung des Hauptverfahrens recht­fer­ti­genden Grade verdächtig ist, dass er

1. an der Tat, die den Gegenstand der Untersuchung bildet, beteiligt ist,

2. den Verkehr mit dem nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten dazu mißbraucht, Straftaten zu begehen oder die Sicherheit einer Vollzugsanstalt erheblich zu gefährden, oder

3. eine Handlung begangen hat, die für den Fall der Verurteilung des Beschuldigten Begünstigung, Straf­ver­ei­telung oder Hehlerei wäre.

siehe auch

Beschluss des BGH vom 24. Mai 2006: BGH bestätigt Prozess-Ausschluss der Zündel-Straf­ver­tei­digerin

Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 31.03.2006

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