21.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss18.08.2005

Strafgefangene haben grundsätzlich einen Anspruch auf Einhaltung eines VollzugsplansVollzugsplan bewirkt eine Selbstbindung der Vollzugsbehörde

Die ursprüngliche Vollzugsplanung der Justiz­voll­zugs­anstalt Freiburg bezüglich Manfred Schmider ist wirksam. Dies hat das Oberlan­des­gericht Karlsruhe entschieden und damit eine gleichlautende Entschließung der Straf­voll­stre­ckungs­kammer des Landgerichts Freiburg vom Juni 2005 bestätigt. Diese hatte auf Antrag des Strafgefangenen eine Entscheidung der Justiz­voll­zugs­anstalt Freiburg vom Dezember 2004, den von ihr im Oktober 2004 beschlossenen Vollzugsplan nicht mehr anzuwenden, aufgehoben und die Planung vom Oktober 2004 für verbindlich angesehen.

In dieser hatte die kraft Gesetzes eingesetzte Vollzugs­plan­kon­ferenz (§§ 7,159 des Straf­voll­zugs­ge­setzes - StVollZG -) der Justiz­voll­zugs­anstalt Freiburg bezüglich Manfred Schmider in einer ausführlichen Planung die Gewährung abgestufter und zeitlich versetzter Lockerungen vorgesehen. Unter anderem sind hierin erste einzelne begleitete Ausgänge mit Vollzugs­be­diensteten ab Februar 2005, einmal monatlich einen unbegleiteten Ausgang ab Oktober 2005 und die Verlegung in den Offenen Vollzug ab Dezember 2005 vorgesehen.

Diese Planung widerrief die Justiz­voll­zugs­anstalt Freiburg jedoch im Dezember 2004, weil aufgrund einer Stellungnahme der Staats­an­walt­schaft Mannheim zu weiter anhängigen Strafverfahren gegen Manfred Schmider eine Neubewertung der Vollzugsplanung erforderlich gewesen sei. In ihrer neuen Konzeption vom Dezember 2004/Januar 2005 sieht die Vollzugs­plan­kon­ferenz vor, mit dem gestuften Locke­rungs­programm erst ab Mai 2006 zu beginnen.

Die Straf­voll­stre­ckungs­kammer des Landgerichts Freiburg hat diese "Rücknahme" nicht als rechtswirksam angesehen und in ihrem Beschluss vom 02.06.2005 ausgeführt, dass nach dem Straf­voll­zugs­gesetz eine Vollzugsplanung, welche für einen Strafgefangenen Vergünstigungen aufweise, grundsätzlich verbindlich sei und von dieser nur bei Auftreten neuer Umstände abgewichen werden dürfe. Solche hätten aber nicht vorgelegen, da die von der Staats­an­walt­schaft Mannheim später erhobenen Bedenken der Vollzugs­plan­kon­ferenz im Oktober 2004 bereits bekannt gewesen seien.

Diese Rechtsansicht hat der 2.Strafsenat nun bestätigt. Jeder Strafgefangene habe einen Rechtsanspruch auf Aufstellung und auf Fortschreibung eines Vollzugsplans. Dessen Aufgabe sei es, einen Orien­tie­rungs­rahmen für das gemeinsame Vorgehen der zur Mitwirkung an der Erreichung des Vollzugsziels Verpflichteten im Interesse der Resozi­a­li­sierung des Gefangenen vorzugeben und je nach Vollstre­ckungsstand und Vollzugs­ver­halten des Gefangenen diesen regelmäßig zu aktualisieren. Sei eine bestimmte "Behand­lungs­maßnahme" in den Vollzugsplan aufgenommen, so habe der Gefangene grundsätzlich einen Anspruch auf Einhaltung. Die Vollzugsbehörde könne nur von ihrem Plan abweichen, wenn sie ermes­sen­feh­lerfrei begründen könne, aus welchen Gründen die im Plan vorgesehenen Maßnahmen nunmehr zur Erreichung des Vollzugsziels nicht mehr geeignet seien.

Der Vollzugsplan bewirke deshalb eine Selbstbindung der Vollzugsbehörde, weshalb diese bei ihrer späteren Entscheidung über einen Antrag des Gefangenen auf eine im Vollzugsplan vorgesehene Vollzugs­lo­ckerung in ihrer Entscheidung nicht mehr frei, sondern durch ihre eigene Planung gebunden sei. Der Annahme der Selbstbindung der Vollzugsbehörde stehe auch nicht entgegen, dass die Vollzugsanstalt den Vollzugsplan unter den Vorbehalt der weiteren Abklärung mit der Vollstre­ckungs­behörde gestellt und deshalb als "vorläufig" bezeichnet habe.

Es finde nämlich im Gesetz keine Stütze, dass sich die Vollzugsanstalt durch eine solche Bezeichnung die Möglichkeit einer gänzlich neuen Ermes­sen­ent­scheidung eröffnen könne. Außerdem sei die Erstellung des Vollzugsplans ureigene Aufgabe der Vollzugsanstalt, welche dieser aufgrund ihrer besonderen Kompetenz gesetzlich anvertraut sei. Eine vorherige Abstimmung mit anderen Behörden sehe das Gesetz nicht vor. Dass die Vollzugsanstalt bei erneuter Würdigung des in tatsächlicher Hinsicht unveränderten Lebens­sach­verhalts nunmehr zu einer anderen Entscheidung komme, sei deshalb rechtlich unbeachtlich.

Die Justiz­voll­zugs­anstalt Freiburg wird daher mit ihrem Locke­rungs­programm beginnen bzw. einzelne bereits begonnene Maßnahmen fortsetzen können.

Erläuterungen

Hinweis:

Manfred Schmider verbüßt derzeiten in der Justiz­voll­zugs­anstalt Freiburg wegen Betrugs in 145 Fällen, bandenmäßigen Betrugs in weiteren 97 Fällen und Kapita­l­an­la­ge­betrugs in Tateinheit mit versuchtem bandenmäßigen Betrug eine Freiheitsstrafe von 11 Jahren und sechs Monaten. Er befindet sich seit 04.02.2000 in Haft. Zwei Drittel der Strafe werden am 03.10.2007 verbüßt sein, das Strafende ist auf den 03.08.2011 vermerkt.

StVollzG § 159:

Konferenzen

"Zur Aufstellung und Überprüfung des Vollzugsplanes und zur Vorbereitung wichtiger Entscheidungen im Vollzug führt der Anstaltsleiter Konferenzen mit an der Behandlung maßgeblich Beteiligten durch."

StVollzG § 7:

Vollzugsplan

"(1) Auf Grund der Behand­lungs­un­ter­suchung (§ 6) wird ein Vollzugsplan erstellt. (2) Der Vollzugsplan enthält Angaben mindestens über folgende Behand­lungs­maß­nahmen: 1. die Unterbringung im geschlossenen oder offenen Vollzug, 2. die Verlegung in eine sozial­the­ra­peu­tische Anstalt, 3. die Zuweisung zu Wohngruppen und Behand­lungs­gruppen, 4. den Arbeitseinsatz sowie Maßnahmen der beruflichen Ausbildung oder Weiterbildung, 5. die Teilnahme an Veranstaltungen der Weiterbildung, 6. besondere Hilfs- und Behand­lungs­maß­nahmen, 7. Lockerungen des Vollzuges und 8. notwendige Maßnahmen zur Vorbereitung der Entlassung. (3) Der Vollzugsplan ist mit der Entwicklung des Gefangenen und weiteren Ergebnissen der Persön­lich­keits­er­for­schung in Einklang zu halten. Hierfür sind im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen. (4) Bei Gefangenen, die wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Straf­ge­setz­buches zu Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt worden sind, ist über eine Verlegung in eine sozial­the­ra­peu­tische Anstalt jeweils nach Ablauf von sechs Monaten neu zu entscheiden."

StVollzG § 11:

Lockerungen des Vollzuges

"(1) Als Lockerung des Vollzuges kann namentlich angeordnet werden, dass der Gefangene 1. außerhalb der Anstalt regelmäßig einer Beschäftigung unter Aufsicht (Außen­be­schäf­tigung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugs­be­diensteten (Freigang) nachgehen darf oder 2. für eine bestimmte Tageszeit die Anstalt unter Aufsicht (Ausführung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugs­be­diensteten (Ausgang) verlassen darf. (2) Diese Lockerungen dürfen mit Zustimmung des Gefangenen angeordnet werden, wenn nicht zu befürchten ist, dass der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen des Vollzuges zu Straftaten missbrauchen werde."

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 26.08.2005

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