18.10.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss02.08.2005

Keine Geldrü­ck­er­stattung bei "gekaufter" MPU-UntersuchungOLG Karlsruhe zur Sitten­wid­rigkeit des Versprechens, für das "Bestehen" einer MPU zu sorgen

Mit dem Versuch eines Bürgers (B), gegen Zahlung eines Geldbetrages die sichere Wiedererteilung seiner Fahrerlaubnis zu erreichen, musste sich das Oberlan­des­gericht Karlsruhe befassen.

Dem B. war die Fahrerlaubnis entzogen und die Wiedererteilung von dem Bestehen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) abhängig gemacht worden. Trotzdem fuhr er im Juni 2003 mit dem Auto und verursachte einen Verkehrsunfall. Im Juli 2003 wandte er sich auf Empfehlung eines Bekannten an den Antragsgegner S., der eine psychologische Beratungsstelle betrieb. Mit ihm einigte sich B. auf eine Zahlung von 8.000 Euro, dafür versprach der S., auf jeden Fall dafür zu sorgen, dass B. die MPU "bestehen" würde. S. riet dem B. darüber hinaus, mit der Führer­schein­stelle Kontakt aufzunehmen, um von dort die Erlaubnis einzuholen, in Hamburg die MPU ablegen zu können. B. solle sich beeilen, damit die MPU noch abgelegt werden könne, bevor die Führer­schein­stelle von dem Unfall im Juni Kenntnis erlangt habe. Die Führer­schein­stelle genehmigte die Durchführung der MPU in Hamburg jedoch nicht, weil sie bereits von dem Verkehrsunfall erfahren hatte. B. verlangt deshalb von S. die von ihm gezahlten 8.000 Euro zurück. Die Staats­an­walt­schaft ermittelt in diesem Zusammenhang gegen S. wegen Urkun­den­fäl­schung und anderer Delikte.

Das Rückzah­lungs­be­gehren des B. blieb ohne Erfolg.

Das zwischen B. und S. geschlossene Rechtsgeschäft ist wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Die Verschaffung amtlich anerkannter Bescheinigungen, deren Erteilung von der Erfüllung bestimmter, im öffentlichen Interesse überprüfter Voraussetzungen abhängt, gegen Entgelt verstößt gegen die guten Sitten, wenn diese in jedem Fall, d.h. auch ohne dass die geforderten Voraussetzungen vorliegen, versprochen wird. Die diese Sitten­wid­rigkeit begründenden Tatsachen waren den Parteien bewusst. So trägt B. zwar vor, er habe nicht gewusst, dass S. eine Urkun­den­fäl­schung oder eine Bestechung der Gutachter plane, lässt aber offen, welchen rechtmäßigen Zwecken die Zahlung nach seinen Vorstellungen dienen sollte.

Dass er dafür eine besonders intensive Schulung oder Vorbereitung erhalten sollte, ist nicht behauptet. Ihm musste vor allem nach der Zusage, S. werde in jedem Fall für ein Bestehen der Prüfung sorgen, klar sein, dass die Erteilung nicht davon abhängen würde, dass er den Anforderungen entspreche. Selbst wenn B. davor bewusst die Augen verschlossen hat, steht dies einer positiven Kenntnis der Sitten­wid­rigkeit gleich.

Der Rückforderung der damit ohne Rechtsgrund geleisteten Zahlung steht der Einwand des § 817 S. 2 BGB entgegen. Dem B. fällt bereits mit seiner geleisteten Zahlung ein Sittenverstoß zur Last. Die Leistung beruht nämlich auf der für beide Seiten erkennbar sittenwidrigen Abrede, unter Verwendung des Geldes ein positives Gutachten zu erhalten, das ohne die sachfremde oder gar strafbare Hilfe des S. nicht zu erlangen gewesen wäre.

Das Risiko, die auf einen erkannt sittenwidrigen Vertrag erbrachte Vorleistung nicht zurückfordern zu können, soll nach dem Gesetzeszweck gerade denjenigen treffen, der sich bewusst außerhalb der Rechtsordnung bewegt. Dem S. die aus seinem möglicherweise strafbaren Handeln verbleibenden Gelder zu nehmen, ist damit allenfalls einer eventuellen straf­recht­lichen Sanktion vorbehalten.

Erläuterungen
§ 817 BGB:

"War der Zweck einer Leistung in der Art bestimmt, dass der Empfänger durch die Annahme gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoßen hat, so ist der Empfänger zur Herausgabe verpflichtet. Die Rückforderung ist ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß zur Last fällt, ...."

§ 138 Abs. 1 BGB:

"Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig."

Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 17.08.2005

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