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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil11.03.2011
OLG Karlsruhe: "Zu Tränen gerührt" ist eine Tatsachenbehauptung und gegendarstellungsfähigGünther Jauch erwirkt Gegendarstellungsanspruch gegen die in der Zeitschrift "neue woche" erschienene Aussage "zu Tränen gerührt"
Die in einem Presseerzeugnis abgedruckte Passage "zu Tränen gerüht" stellt keine Meinungsäußerung dar. Vielmehr handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung, die gegendarstellungsfähig ist. Dies hat das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem Rechtsstreit zwischen der Zeitschrift "neue woche" und dem Journalisten Günther Jauch entschieden.
Gegenstand des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe war eine Veröffentlichung in der Illustrierten „neue woche“ über einen bekannten Journalisten und TV-Moderator. Das Heft der „neuen woche“ vom 15.10.2010 zeigt auf der Titelseite ein Bild des Klägers neben seiner Ehefrau, abgebildet vor einem aus grünen Blättern zusammengesetzten Hintergrund, darunter steht in großer Schrift „G. J. & seine T. - Triumph & Tränen! - Alles über sein geheimes Privatleben“. In dem Heft wird in einem Artikel unter nahezu gleichlautendem Titel nach Erwähnung des Einstiegs des Klägers in das Geschäft des Winzers - „Winzerkönig“ - und des Umstandes, dass der Kläger „höchstes Glück“ „tief im Herzen seiner Familie“ finde ausgeführt: „Sicherlich war er auch zu Tränen gerührt, als er vom Schicksal sozial benachteiligter Kinder in seinem Wohnort Potsdam hörte“, danach wird festgestellt, dass der Kläger das Kinderhilfsprojekt „Arche“ großzügig unterstützt habe.
Kläger verlangt Gegendarstellung, weil er nicht "zu Tränen gerührt" war
Der Kläger hat in einem einstweiligen Verfügungsverfahren zu dem Artikel den Abdruck einer Gegendarstellung beantragt, wonach er nicht zu Tränen gerührt gewesen sei, als er vom Schicksal sozial benachteiligter Kinder in seinem Wohnort Potsdam gehört habe. Er handle nämlich nicht aus reiner Rührung heraus als gewissermaßen Herzschmerzgeschichte für den Boulevard, sondern überlege sich genau, bei welchen Projekten er spende und bei welchen nicht.
OLG gibt Kläger Recht
Das Landgericht Offenburg hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe Erfolg.
Anspruch auf Gegendarstellung
Das Oberlandesgericht verurteilte die beklagte Verlegerin zu der Veröffentlichung der Gegendarstellung. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 BadWürttPrG* sei der Verleger eines periodischen Druckwerks zum Abdruck einer Gegendarstellung verpflichtet, soweit der den Abdruck Verlangende durch eine Tatsachenbehauptung betroffen sei.
Beanstandete Passage stellt Tatsachenbehauptung dar
Die beanstandete Passage sei als Behauptung einer (äußerlich wahrnehmbaren) Tatsache einzuordnen. Wenn jemand „zu Tränen gerührt“ sei, besage dies mehr als eine tiefgreifende emotionale Affektion, die ganz im Innern des Betroffenen bleibe. Ein sicher beträchtlicher Teil des Publikums verbinde mit dieser Formulierung das Bild eines Menschen, der nicht nur beinahe, sondern der auch tatsächlich geweint habe. Zumindest werde erwartet und vorausgesetzt, dass die betroffene Person jedenfalls ganz kurz vor dem Ausbruch der Tränen sei und dass dies auch spürbar, wenn nicht sogar sichtbar sei, die Stimme einer solchen Person werde unsicher, ihre Augen seien gerötet und feucht und vielleicht trete - obwohl die Person gegen die Emotion ankämpfe - die eine oder andere vereinzelte Träne doch schon hervor. Es handele sich also um körperliche Vorgänge, die nicht im Inneren des Menschen verblieben, sondern ohne Weiteres im Wege einer Beweisaufnahme einer Feststellung zugeführt werden könnten.
Einschränkung „sicherlich“ lässt Passage nicht zur Meinungsäußerung werden
Der Umstand, dass die strittige Äußerung mit dem Wort „sicherlich“ eingeleitet werde, stehe der Annahme einer Tatsachenbehauptung nicht entgegen. Einschränkende Zusätze dieser Art reichten grundsätzlich nicht aus, dies lediglich als Meinungsäußerung zu qualifizieren. Im ersten Teil des Artikels werde der Leser mit harten Fakten zur TV-Karriere des Klägers konfrontiert. Auch der nur durchschnittlich aufmerksam und informierte Leser werde konstatieren, dass ihm diese Fakten wohl bekannt seien und auch tatsächlich zuträfen. Die dadurch beim Leser gewissermaßen hervorgerufene „Sogwirkung der Faktizität“ dränge ihm unter diesen Umständen geradezu auf, dass dann aber auch wohl der zweite mit „Tränen“ zu überschreibende Teil des Artikels ungeachtet des vorangestellten „sicherlich“ seine Richtigkeit habe und ebenso im Faktischen verwurzelt sein werde wie der Auftakt.
*§ 11 Landespressegesetz Gegendarstellungsanspruch:
Abs. 1: Der verantwortliche Redakteur und der Verleger eines periodischen Druckwerks sind verpflichtet, eine Gegendarstellung der Person oder Stelle zum Abdruck zu bringen, die durch eine in dem Druckwerk aufgestellte Tatsachenbehauptung betroffen ist....
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.03.2011
Quelle: ra-online, Oberlandesgericht Karlsruhe (pm/pt)
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