21.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil11.03.2011

OLG Karlsruhe: "Zu Tränen gerührt" ist eine Tatsa­chen­be­hauptung und gegen­dar­stel­lungsfähigGünther Jauch erwirkt Gegen­dar­stel­lungs­an­spruch gegen die in der Zeitschrift "neue woche" erschienene Aussage "zu Tränen gerührt"

Die in einem Presseerzeugnis abgedruckte Passage "zu Tränen gerüht" stellt keine Meinung­s­äu­ßerung dar. Vielmehr handelt es sich um eine Tatsa­chen­be­hauptung, die gegen­dar­stel­lungsfähig ist. Dies hat das Oberlan­des­gericht Karlsruhe in einem Rechtsstreit zwischen der Zeitschrift "neue woche" und dem Journalisten Günther Jauch entschieden.

Gegenstand des Verfahrens vor dem Oberlan­des­gericht (OLG) Karlsruhe war eine Veröf­fent­lichung in der Illustrierten „neue woche“ über einen bekannten Journalisten und TV-Moderator. Das Heft der „neuen woche“ vom 15.10.2010 zeigt auf der Titelseite ein Bild des Klägers neben seiner Ehefrau, abgebildet vor einem aus grünen Blättern zusam­men­ge­setzten Hintergrund, darunter steht in großer Schrift „G. J. & seine T. - Triumph & Tränen! - Alles über sein geheimes Privatleben“. In dem Heft wird in einem Artikel unter nahezu gleichlautendem Titel nach Erwähnung des Einstiegs des Klägers in das Geschäft des Winzers - „Winzerkönig“ - und des Umstandes, dass der Kläger „höchstes Glück“ „tief im Herzen seiner Familie“ finde ausgeführt: „Sicherlich war er auch zu Tränen gerührt, als er vom Schicksal sozial benachteiligter Kinder in seinem Wohnort Potsdam hörte“, danach wird festgestellt, dass der Kläger das Kinder­hilfs­projekt „Arche“ großzügig unterstützt habe.

Kläger verlangt Gegen­dar­stellung, weil er nicht "zu Tränen gerührt" war

Der Kläger hat in einem einstweiligen Verfü­gungs­ver­fahren zu dem Artikel den Abdruck einer Gegendarstellung beantragt, wonach er nicht zu Tränen gerührt gewesen sei, als er vom Schicksal sozial benachteiligter Kinder in seinem Wohnort Potsdam gehört habe. Er handle nämlich nicht aus reiner Rührung heraus als gewissermaßen Herzschmer­z­ge­schichte für den Boulevard, sondern überlege sich genau, bei welchen Projekten er spende und bei welchen nicht.

OLG gibt Kläger Recht

Das Landgericht Offenburg hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte vor dem Oberlan­des­gericht Karlsruhe Erfolg.

Anspruch auf Gegen­dar­stellung

Das Oberlan­des­gericht verurteilte die beklagte Verlegerin zu der Veröf­fent­lichung der Gegen­dar­stellung. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 BadWürttPrG* sei der Verleger eines periodischen Druckwerks zum Abdruck einer Gegen­dar­stellung verpflichtet, soweit der den Abdruck Verlangende durch eine Tatsachenbehauptung betroffen sei.

Beanstandete Passage stellt Tatsa­chen­be­hauptung dar

Die beanstandete Passage sei als Behauptung einer (äußerlich wahrnehmbaren) Tatsache einzuordnen. Wenn jemand „zu Tränen gerührt“ sei, besage dies mehr als eine tiefgreifende emotionale Affektion, die ganz im Innern des Betroffenen bleibe. Ein sicher beträchtlicher Teil des Publikums verbinde mit dieser Formulierung das Bild eines Menschen, der nicht nur beinahe, sondern der auch tatsächlich geweint habe. Zumindest werde erwartet und vorausgesetzt, dass die betroffene Person jedenfalls ganz kurz vor dem Ausbruch der Tränen sei und dass dies auch spürbar, wenn nicht sogar sichtbar sei, die Stimme einer solchen Person werde unsicher, ihre Augen seien gerötet und feucht und vielleicht trete - obwohl die Person gegen die Emotion ankämpfe - die eine oder andere vereinzelte Träne doch schon hervor. Es handele sich also um körperliche Vorgänge, die nicht im Inneren des Menschen verblieben, sondern ohne Weiteres im Wege einer Beweisaufnahme einer Feststellung zugeführt werden könnten.

Einschränkung „sicherlich“ lässt Passage nicht zur Meinung­s­äu­ßerung werden

Der Umstand, dass die strittige Äußerung mit dem Wort „sicherlich“ eingeleitet werde, stehe der Annahme einer Tatsa­chen­be­hauptung nicht entgegen. Einschränkende Zusätze dieser Art reichten grundsätzlich nicht aus, dies lediglich als Meinung­s­äu­ßerung zu qualifizieren. Im ersten Teil des Artikels werde der Leser mit harten Fakten zur TV-Karriere des Klägers konfrontiert. Auch der nur durch­schnittlich aufmerksam und informierte Leser werde konstatieren, dass ihm diese Fakten wohl bekannt seien und auch tatsächlich zuträfen. Die dadurch beim Leser gewissermaßen hervorgerufene „Sogwirkung der Faktizität“ dränge ihm unter diesen Umständen geradezu auf, dass dann aber auch wohl der zweite mit „Tränen“ zu überschreibende Teil des Artikels ungeachtet des vorangestellten „sicherlich“ seine Richtigkeit habe und ebenso im Faktischen verwurzelt sein werde wie der Auftakt.

*§ 11 Landes­pres­se­gesetz Gegen­dar­stel­lungs­an­spruch:

Abs. 1: Der verantwortliche Redakteur und der Verleger eines periodischen Druckwerks sind verpflichtet, eine Gegen­dar­stellung der Person oder Stelle zum Abdruck zu bringen, die durch eine in dem Druckwerk aufgestellte Tatsa­chen­be­hauptung betroffen ist....

Quelle: ra-online, Oberlandesgericht Karlsruhe (pm/pt)

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