23.11.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.

Dokument-Nr. 1838

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Urteil01.02.2006Oberlandesgericht Karlsruhe13 U 134/04
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2006, 1006Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2006, Seite: 1006
  • VersR 2006, 936Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2006, Seite: 936
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ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil01.02.2006

Ungewolltes Kind - auch nichtehelicher Vater hat Schadens­ersatzanspruchNichtehelicher Vater kann Unter­halts­schaden bei ärztlichem Behand­lungs­fehler geltend machen

Auch der nichtehelicher Vater in einer ungefestigten Partnerschaft kann einen Unter­halts­schaden für ein ungewolltes Kind bei einem ärztlichem Behand­lungs­fehler verlangen. Das geht aus einem Urteil des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe hervor.

Die bei Geburt ihres Sohnes 21jährige Klägerin verlangt vom Beklagten, einem Gynäkologen, Ersatz für den Unterhalt für ihr 2002 geborenes Kind, den sie und der nichteheliche Vater leisten müssen. Der Vater, der die Vaterschaft anerkannt hat, hat seine Ansprüche an die Klägerin abgetreten. Die Klägerin, die mit dem Vater wenige Monate befreundet war, damals wie heute nicht mit ihm zusammen lebte, suchte den Beklagten auf, um sich ein langwirkendes Kontrazeptivum in einem Plastikröhrchen oberhalb der Ellenbeuge unter der Haut einsetzen zu lassen. Bei einem weiteren Termin nach knapp sechs Monaten stellte der Beklagte eine Schwangerschaft in der 16. Woche fest, das Implantat konnte nicht mehr gefunden, der Wirkstoff im Blut der Klägerin nicht nachgewiesen werden.

Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe das Implantat überhaupt nicht oder fehlerhaft eingesetzt. Der Vater des Kindes und sie hätten weder zum damaligen Zeitpunkt noch später ein Kind haben wollen, da sie sich erst ein halbes Jahr gekannt hätten und sie ihre sehr gute Arbeitsstelle habe antreten wollen. Der Beklagte schulde ihnen deshalb Bar- und Betreu­ungs­un­terhalt.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, es könne nicht von einem ungewollten Kind im Sinne der Rechtsprechung gesprochen werden, denn die Familienplanung der jungen Klägerin sei sicher nicht abgeschlossen. Was heute an Unterhalt aufgewandt werde, werde später erspart.

Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Klägerin zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe - Senate in Freiburg - war erfolgreich. Das Oberlan­des­gericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von Unterhalt für das Kind an die Klägerin ab dem Zeitpunkt der Geburt.

Der Senat hat unter Berufung auf höchst­rich­terliche Rechtsprechung ausgeführt, dass die Unterhaltslast für das Kind einen Schaden im Rechtssinne darstellt. In Frage steht die haftungs­rechtliche Zurechnung der wirtschaft­lichen Belastung durch das Kind zu der Verletzung eines Arztvertrages, der auf die Verhinderung einer Schwangerschaft gerichtet ist. Auch und gerade bei einer jungen Frau kann sich die geschilderte Frage der haftungs­recht­lichen Zurechnung eines „unerwünschten“ Kindes stellen. Eine fehlgeschlagene Familienplanung liegt nicht nur vor, wenn diese bereits im Sinne gewünschter endgültiger Kinderlosigkeit abgeschlossen ist, sondern sie ist auch dann denkbar, wenn die gegenwärtige Planung durchkreuzt wird und die zukünftige Planung endgültig noch nicht absehbar ist. Die Familienplanung der Klägerin bestand darin, dass sie noch keine Ehe eingehen wollte und dass sie kein Kind gemeinsam mit ihrem Partner haben wollte. Diese Planung ist durch die fehlgeschlagene Verhütung gestört. Ob die Klägerin irgendwann ein Kind gewollt hätte, spielt keine Rolle. Für die Klägerin liegt ein Schaden in der unerwünschten Unter­halts­be­lastung, gegen die die fehlgeschlagene Verhütung schützen sollte. Nach der Beweisaufnahme steht auf der Grundlage eines eingeholten Sachver­stän­di­gen­gut­achtens fest, dass dem Beklagten beim Einsetzen des Präparats ein Behandlungsfehler unterlaufen ist. Dieser ist kausal für die Schwangerschaft, da bei ordnungsgemäßer Einlage das Präparat eine volle kontrazeptive Sicherheit bietet.

Der Klägerin stehen auch Ansprüche aus dem abgetretenen Recht des Vaters zu, da der Vater in den Schutzbereich des Behand­lungs­ver­trages einbezogen ist. In den bisher von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen war nur der Ehegatte in den Schutzbereich des Vertrages einbezogen, für den nichtehelichen Erzeuger hat der Bundes­ge­richtshof diese Frage ausdrücklich offen gelassen. Für seine Einbeziehung spricht, dass auch in einer nicht auf die Herstellung einer Lebens­ge­mein­schaft gerichteten Partnerschaft der überein­stimmende Wille gegeben sein kann, keine Familie zu gründen. Gemeinsam geplante Empfäng­nis­ver­hütung ist kein Privileg ehelicher oder nichtehelicher Lebens­ge­mein­schaft. Es ist grundsätzlich von einem Interesse der Patientin auszugehen, zumindest den gegenwärtigen Partner auch einer ungefestigten Partnerschaft durch den Vertrag mit dem Arzt, der die Empfäng­nis­ver­hütung ermöglicht, in gleicher Weise vor Unter­halts­lasten zu schützen wie sich selbst, was für den behandelnden Arzt auch ohne weiteres erkennbar ist. Dies gilt vorliegend um so mehr, als dem Beklagten der konkrete Anlass für die Schwan­ger­schafts­ver­hütung ausdrücklich mitgeteilt worden war. Deshalb hat im konkreten Fall der nichteheliche Vater in dieser ungefestigten Partnerschaft einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verpflichtung zur Zahlung des Barunterhalts. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen zur Einbeziehung des Vaters in den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hat der Senat die Revision zugelassen.

Erläuterungen

siehe nachfolgend auch

Urteil des Bundes­ge­richtshofs vom 14. November 2006, AZ VI ZR 48/06 - Arzt haftet für Unterhalt nach fehlerhaften Verhü­tungs­maß­nahmen

Quelle: ra-online Redaktion, Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 03.02.2006

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