21.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil06.06.2013

Kein Versi­che­rungs­schutz bei arglistiger Täuschung des Haft­pflicht­versicherers über den SchadenshergangVorsätzliche und arglistige Oblie­gen­heits­ver­letzung führt zur vollen Verwirkung des Versi­che­rungs­schutzes

Das Oberlan­des­gericht Karlsruhe hat entschieden, dass der Anspruch auf Versi­che­rungs­schutz für den Versi­che­rungs­nehmer entfällt, wenn der Haft­pflicht­versicherer arglistig über den Schadenshergang getäuscht wird.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls meldete seinem Haftpflichtversicherer einen Schadensvorfall und behauptete, so auch noch in seiner Klage auf Deckungsschutz, dass Frau S durch seine nicht geprüften Jagdhunde geschädigt worden sei. Nach Beendigung einer Gesell­schaftsjagd habe er seine Hunde an der Leine geführt, Frau S sei als Treiberin an der Jagd beteiligt gewesen. Die beiden Hunde seien plötzlich wegen eines Rehs losgejagt, mit der Leine hätten sie Frau S umgerissen, diese habe u.a. einen Meniskus- und einen Bänderabriss erlitten und habe mehrmals operiert werden müssen. Sie verlange deshalb Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro.

Landgericht gibt Klage auf Deckungsschutz trotz geänderte Schilderung des Unfallhergangs statt

Bei seiner Anhörung vor dem Landgericht hat der Kläger allerdings eingeräumt, dass der Unfall anders verlaufen sei, er habe seine Hunde nicht an der Leine geführt, sondern beide schon morgens vor der Jagd an Frau S übergeben, er sei erst nach dem Unfall hinzugekommen. Das Landgericht hat seiner Klage auf Deckungsschutz stattgegeben, die vorsätzliche Oblie­gen­heits­ver­letzung habe keinen nachteiligen Einfluss auf die Belange des Versicherers gehabt.

Kläger hat Obliegenheit zur Abgabe wahrheits­gemäßer Schadens­be­richte vorsätzlich und arglistig verletzt

Die dagegen gerichtete Berufung des Haftpflicht­ver­si­cherers hatte Erfolg - das Oberlan­des­gericht Karlsruhe wies die Klage ab. Der Versicherer ist von seiner Leistungs­pflicht frei geworden, weil der Kläger seine Obliegenheit zur Abgabe wahrheits­gemäßer Schadens­be­richte vorsätzlich und arglistig verletzt hat. Die Versicherung hat zwar bisher nur eine Akontozahlung von 1.000 Euro erbracht, so dass eine folgenlose Oblie­gen­heits­ver­letzung vorliegen könnte. Bei einer folgenlosen Verletzung der Aufklä­rungs­ob­lie­genheit des Versi­che­rungs­nehmers kann sich der Versicherer dennoch dann auf Leistungs­freiheit berufen, wenn die Oblie­gen­heits­ver­letzung generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden und dem Versi­che­rungs­nehmer ein erhebliches Verschulden zur Last fiel. Das ist hier der Fall. Das Verhalten des Klägers war generell geeignet, die Interessen der beklagten Versicherung ernsthaft zu beeinträchtigen. Die beiden Gesche­hens­va­rianten sind nämlich haftungs­rechtlich unterschiedlich zu bewerten. Nach der ersten Variante, bei der der Kläger die Tiere an der Leine geführt haben wollte, ist ohne Weiteres von einer Tierhal­ter­haftung des Klägers auszugehen, ein Mitverschulden liegt eher fern. Bei der zuletzt vom Kläger eingeräumten Variante kommt aber ernsthaft in Betracht, dass die Geschädigte Tieraufseherin im Sinne von § 834 Satz 1 BGB war. Ist der Aufseher selbst der Verletzte, haftet der Tierhalter zwar auch, doch wird ein Mitverschulden des Tieraufsehers vermutet.

Versicherer bleibt hier auch ohne Belehrung über Anspruchs­verlust bei vorsätzlich falschen Angaben leistungsfrei

Ob der Versicherer den Kläger vorher deutlich über den Anspruchs­verlust belehrt hat, der ihm bei vorsätzlich falschen Angaben droht, kann hier offen bleiben, denn auch ohne Belehrung wird der Versicherer leistungsfrei, wenn der Versi­che­rungs­nehmer seine Aufklä­rungs­pflicht arglistig verletzt hat und deshalb den mit der Beleh­rungs­pflicht bezweckten Schutz nicht verdient. Der Kläger hat hier arglistig gehandelt. Eine arglistige Täuschung setzt eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zwecke der Erregung oder Aufrecht­er­haltung eines Irrtums voraus. Der Versi­che­rungs­nehmer muss vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Eine Berei­che­rungs­absicht ist nicht erforderlich. Es reicht, dass der Versi­che­rungs­nehmer einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt und es für möglich hält, dass das eigene Verhalten die Entscheidung des Versicherers beeinflusst.

Vom Versi­che­rungs­makler formulierte und umgeschriebene Schadensanzeige mit falschem Unfallhergang entlastet Kläger nicht

Hier hat der Kläger erklärt, dass er seinem Versi­che­rungs­makler den Unfall richtig geschildert habe. Dieser habe jedoch erklärt, dass man das so nicht schreiben könne, letztlich habe er die vom Versi­che­rungs­makler formulierte und geschriebene Schadensanzeige mit der falschen Darstellung des Hergangs unterzeichnet. Damit hat der Kläger nicht nur gewusst, dass der mit seiner Unterschrift bestätigte Gesche­hens­ablauf in seiner Schadensanzeige nicht zutreffend war, sondern er wollte mit der unzutreffenden Schilderung des Schadens­hergangs eine Leistung der Beklagten erlangen, obwohl er annahm, dass er sie bei wahrheits­gemäßer Darstellung nicht oder so nicht erwarten konnte. Dabei entlastet es den Kläger nicht, dass er den Rat seines Versi­che­rungs­maklers befolgt hat. Das mag eventuelle Schaden­s­er­satz­ansprüche gegen den Versi­che­rungs­makler begründen, ändert aber nichts an dem Bewusstsein des Klägers, dass der Versicherer getäuscht wird, um ihn zur Gewährung von Deckungsschutz zu veranlassen. Die vorsätzliche und arglistige Oblie­gen­heits­ver­letzung führt zur vollen Verwirkung des Versi­che­rungs­schutzes, auch wenn der wahre Sachverhalt vom Versi­che­rungs­schutz erfasst worden wäre.

§ 833 Satz 1 BGB: Haftung des Tierhalters

Wird durch ein Tier ein Mensch getötet oder der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist derjenige, welcher das Tier hält, verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen.

§ 834 BGB: Haftung des Tieraufsehers

Wer für denjenigen, welcher ein Tier hält, die Führung der Aufsicht über das Tier durch Vertrag übernimmt, ist für den Schaden verantwortlich, den das Tier bei einem Dritten in der in § 833 bezeichneten Weise zufügt.

Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe/ra-online

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