23.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil21.10.2008

Kein Haftungs­aus­schluss bei Teilnahme am Fahrsi­cher­heits­training, wenn Versi­che­rungs­schutz bestehtAusschluss nur bei Autorennen

Die Kfz-Haftpflicht­ver­si­cherung haftet auch bei Unfällen, die sich während eines Fahrtrainings ereignen. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Karlsruhe. Das Gericht wandte in seiner Entscheidung die vom BGH neu entwickelten Grundsätze zur Haftung eines versicherten Mitbewerbers bei Sport­ver­an­stal­tungen mit nicht unerheblichem Gefah­ren­po­tenzial für Schäden durch Regelverletzung an. Danach kann die die Inanspruchnahme des schädigenden Wettbewerbers für ohne gewichtige Regelverletzung verursachte Schäden nicht ausgeschlossen, soweit Versi­che­rungs­schutz besteht. Im zugrunde liegenden Fall sprach das Gericht den Fahrern allerdings im Ergebnis eine Mitschuld je zur Hälfte zu.

Im November 2002 fand eine Veranstaltung der akademischen Motor­sport­gruppe S. auf dem Hockenheimring statt, das "35. Akademische"-Jedermann-Fahrer-Lehrgang und Sporttraining, mit einem eigenen Fahrerlehrgang für die Fahrzeuge der Marke Audi RS ("Audi Quattro"). Teilnehmer waren unter anderem A. und B. jeweils mit einem haftpflicht­ver­si­cherten Kfz dieser Marke. Bei der Veranstaltung fuhr B. in einer Rechtskurve bei regennasser Fahrbahn auf das vor ihm befindliche Fahrzeug des A. auf und beide Fahrzeuge wurden erheblich beschädigt. B. verlangte nunmehr von A. als Fahrer, von dem Halter des Kfz und der Haftpflichtversicherung Zahlung von ca. 11.000 € für Reparaturkosten und als Nutzungs­ent­schä­digung. Jeder der beiden Fahrer wies die alleinige Verantwortung dem anderen zu, die Haftpflicht­ver­si­cherer wandten in erster Linie ein, ihre Haftung sei ausgeschlossen, da es sich um ein nicht versichertes Autorennen gehandelt habe.

BGH wies die Sache an das Oberlan­des­gericht Karlsruhe zurück, dass nunmehr neu entscheidet

Das Landgericht Mannheim hat die Ansprüche des B. zurückgewiesen. Das dieses Urteil im Ergebnis bestätigende Urteil des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe vom 23.02.2003 ist vom Bundes­ge­richtshof mit Urteil vom 29.01.2008 (VI ZR 98/07) aufgehoben und die Sache an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen worden.

OLG wendet neue Grundsätze des BGH an

In Anwendung der in diesem Urteil neu entwickelten Grundsätze, die die Haftung bei gefährlichen sportlichen Wettkämpfen danach differenzieren, ob Versi­che­rungs­schutz besteht, hat das Oberlan­des­gericht Karlsruhe dem B. auf seine Berufung ca. 5.000 € zugesprochen. Nach Auffassung des Senats ist die gesamt­s­chuld­ne­rische Haftung des Halters, des Fahrers A. und der Haftpflicht­ver­si­cherung weder nach den AKB (Allg. Bedingungen für die Kraft­fahrt­ver­si­cherung) noch nach dem von allen Teilnehmern unterzeichneten Haftungs­verzicht ausgeschlossen, weil es sich hier nicht um ein Rennen handelte. In den AKB wie auch im Haftungs­verzicht ist ein Risiko­aus­schluss nur für diejenigen Schäden vorgesehen, die bei Beteiligung an behördlich genehmigten Fahrver­an­stal­tungen entstehen, bei denen es auf Erzielung einer Höchst­ge­schwin­digkeit ankommt. Maßgeblich ist, ob ein reiner Wettbewerb zur Erzielung von Höchst­ge­schwin­digkeit vorliegt. Nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs handelt es sich dann nicht um ein Rennen, wenn bei einem Lehrgang einer Sportfahrschule auf einer Rundstrecke die Verbesserung des Fahrkönnens und die Beherrschung des Fahrzeugs im Alltagsverkehr, insbesondere in extremen Gefah­ren­si­tua­tionen, im Vordergrund stehen, sofern die Erzielung einer möglichst hohen Geschwindigkeit nicht Haupt- und Endziel ist, weil sich die Platzierung der Teilnehmern nicht danach richtet. Auch bei der Veranstaltung im Streitfall handelte es sich nicht um ein Rennen. Nach den Teilnahme- und Wertungs­be­din­gungen sollte für Sieg und Platzierung gerade nicht entscheidend sein, wer die höchste Geschwindigkeit erzielte oder die meisten oder schnellsten Runden fuhr, sondern Ziel des Abschluss­trainings war, dass die Teilnehmer den Kurs auf der Ideallinie in der vorgegebenen Sollzeitzeit befahren. Durch die Vorgabe sollte sowohl ein Bummeln als auch die Erzielung von Höchst­ge­schwin­dig­keiten vermieden werden. Bei Unterschreitung wie bei Überschreiten der Sollzeit um mehr als 3 Sekunden drohte die Vergabe von Strafpunkten. Über die Platzierung der Teilnehmer entschied die Anzahl der bei zu hoher oder bei zu niedriger Geschwindigkeit angefallenen Strafpunkte.

Haftung nicht wegen treuwidriger Inanspruchnahme des Mitbewerbers ausgeschlossen

Die Haftung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer treuwidrigen Inanspruchnahme des Mitbewerbers ausgeschlossen. Zwar ist grundsätzlich nach der Rechtsprechung bei sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefah­ren­po­tential, bei denen typischerweise auch bei Einhaltung der Wettbe­wer­bs­regeln und bei geringfügigen Regel­ver­let­zungen die Gefahr gegenseitiger Schadens­zu­fügung besteht, die Inanspruchnahme des schädigenden Mitbewerbers für Schäden eines Teilnehmers ausgeschlossen, die ohne gewichtige Regelverletzung verursacht wurden. Diese Grundsätze finden jedoch nach der neuen Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs keine Anwendung, wenn die Schäden durch eine Versicherung abgedeckt sind. Besteht wie hier Versi­che­rungs­schutz für ein schädigendes Verhalten auch dann, wenn sich besondere Gefahren verwirklichen, kann es nicht Aufgabe des Haftungsrechts sein, die Reichweite des Versi­che­rungs­schutzes über die Versi­che­rungs­be­din­gungen hinaus einzuschränken. Daher haften die Beklagten auch für solche Schäden, die ohne Verschulden oder leicht fahrlässig verursacht wurden.

Beide Fahrer gleichermaßen Schuld am Unfall

Nach der Beweisaufnahme, insbesondere nach Einholung eines Sachver­stän­di­gen­gut­achtens, gelangte der Senat zu der Überzeugung, dass beide Fahrer in gleichem Maß zum Unfallgeschehen beigetragen haben. Beiden Fahrern ist eine leicht fahrlässige Verletzung von Sorgfalts­pflichten anzulasten. Die StVO ist zwar nach den Teilnah­me­be­din­gungen nicht anwendbar, die Teilnehmer haben sich aber besonderen Fahrvor­schriften unterworfen. Danach hat der Fahrer alles zu unterlassen, was andere Teilnehmer, Streckenposten, Zuschauer oder sonstige Personen behindern oder gefährden könnte, insbesondere sind nachfolgende Fahrzeuge zu beachten. Wagen, die überholt werden, müssen dem überholenden Wagen sofort Platz machen und gegebenenfalls die Ideallinie frei geben. Dabei ist jedes Drängen nach Innen oder Außen streng untersagt und wird bei Feststellung geahndet.

Beide Fahrer beachteten nicht die Fahrvor­schriften

Beide Fahrer haben diese Fahrvor­schriften nicht hinreichend beachtet. Nach der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass B. in der Nordkurve rechts an dem vor ihm befindlichen Fahrzeug des A. vorbeifahren wollte, während A. nach rechts zum Kurveninnenrand lenkte, um die Ideallinie zu erreichen. Bei der Annäherung der Nordkurve befuhren beide Fahrer entsprechend den Fahremp­feh­lungen die äußere Seite der Fahrbahn. A. hatte jedoch die Verpflichtung, nachfolgende Fahrzeuge zu beachten. Er musste nach dem Reglement jederzeit, auch im Kurvenbereich, mit einem Überholmanöver rechnen. Auch B. hat gegen Sorgfalts­pflichten verstoßen. Zwar mussten Fahrzeuge, die überholt werden, den vor ihm vorbeifahrenden Kfz sofort Platz machen. Dies setzte jedoch voraus, dass die betroffenen Fahrer einen nachfolgenden oder überholenden Verkehrs­teil­nehmer auch wahrnehmen konnten und wahrgenommen hatten. Ob dies der Fall war, konnte wegen des freien Sichtfeldes am besten der nachfolgende Verkehr beurteilen. Zudem musste B. aufgrund der Fahrempfehlung damit rechnen, dass das vor ihm fahrende Fahrzeug innerhalb der Nordkurve zum Kurveninnenrand ziehen würde, um die Ideallinie zu erreichen. Selbst wenn A. abgebremst haben sollte, hätte B. nicht den Schluss ziehen dürfen, A. habe ihn zwischen­zeitlich bemerkt und lasse ihn vorbei. Weil beide Fahrer in gleichem Maße zum Unfallgeschehen beigetragen haben, jeweils also eine hälftige Mitver­ant­wort­lichkeit besteht, haben die Beklagten dem B. die Hälfte seines erstat­tungs­fähigen Schadens zu ersetzen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 24.10.2008

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