Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Wegen eines Sturzes musste ein Patient stationär in einem Krankenhaus behandelt werden. Nachdem der Patient in einem Dreibettzimmer in einem Bett lag, welches über ein Bettgitter verfügte, wurde er in ein Einzelzimmer untergebracht. Das dort stehende Bett verfügte nicht über ein Bettgitter. An zwei aufeinander folgenden Tagen im April 2008 stürzte der Patient in seinem Zimmer im Zustand der Verwirrtheit. Aufgrund der beiden Stürze klagte er gegenüber dem Krankenhaus auf Zahlung von Schadenersatz und Schmerzensgeld. Seiner Meinung habe das Krankenhauspersonal angesichts seiner Sturzgefährdung besondere Sicherungsmaßnahmen ergreifen müssen.
Das Landgericht Mühlhausen wies die Klage ab. Da das Krankenhaus seine Obhutspflichten nicht verletzt habe, habe es nicht für die Sturzfolgen haften müssen. Der Patient habe nicht lückenlos überwacht werden müssen. Zudem sei dies auch aus organisatorischen und wirtschaftlichen Gründen nicht infrage gekommen. Gegen diese Entscheidung legte der Patient Berufung ein.
Das Oberlandesgericht Jena bestätigte das erstinstanzliche Urteil und wies die Berufung des Patienten zurück. Das Krankenhaus habe weder seine aus dem Krankenhausaufnahmevertrag resultierende Obhutspflicht, noch seine aus § 823 Abs. 1 BGB folgende Pflicht zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit des Patienten verletzt.
Zwar sei es richtig, so das Oberlandesgericht weiter, dass es dem behandelnden ärztlichen und pflegerischen Personal obliegt, den Patienten zu überwachen und ihn vor krankheitsbedingter Selbstgefährdung und Selbstschädigung zu schützen. Der Umfang und das Ausmaß der dem Krankenhaus obliegenden Pflege und Betreuung richten sich dabei nach dem Gesundheitszustand des Patienten. Es komme auf die konkrete Verfassung des Patienten an. Insbesondere müsse auf seinen Gesundheitszustand, seine körperliche, seelische und geistige Verfassung abgestellt werden. Entscheidend sei daher, ob es vor dem jeweiligen Sturzereignis konkrete Hinweise auf eine Selbstgefährdung gab.
Nicht ausreichend für eine allgemeine Fixierung und beständige Überwachung eines Patienten sei nach Ansicht des Oberlandesgerichts das Vorhandensein einer latenten Sturzneigung. Denn insofern müsse das Interesse und Bedürfnis des Patienten nach Förderung der Selbstständigkeit und Mobilität in angemessenem Maße berücksichtigt werden.
Das Oberlandesgericht konnte im vorliegenden Fall keine hinreichenden Gefahrenanzeichen für eine akute Sturzgefahr erkennen. Gegen die Annahme einer solchen Gefahr habe vor allem gesprochen, dass der Patient im Rahmen der Physiotherapie Stand- und Bewegungsversuche mit einem Rollator durchführte, ohne das Auffälligkeiten erkennbar waren. Zudem habe auch nicht der erste Sturz besondere Maßnahmen erfordert. Zwar habe dieser eine angemessene Reaktion des Personals auf eine situative Sturzgefahr erforderlich gemacht. Nicht notwendig sei aber die lückenlose Überwachung und Fixierung des Patienten gewesen. Maßstab sei insofern das für den Patienten Erforderliche sowie das für Patient und Pflegepersonal Zumutbare gewesen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.11.2013
Quelle: Oberlandesgericht Jena, ra-online (vt/rb)