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- NZV 2013, 247Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2013, Seite: 247
Oberlandesgericht Hamm Urteil30.10.2012
Autofahrer muss bei Spurwechsel vor roter Ampel Vorsicht walten lassenVerkehrsunfall wegen Nichtbeachtung des Gebots der Rücksichtnahme (§ 1 Abs. 2 StVO) begründet Mithaftung des Autofahrers
Bemerkt ein Autofahrer vor einer roten Ampel, dass er auf der falschen Spur ist und deswegen zu einem Spurwechsel ansetzt, muss er die größtmögliche Sorgfalt walten lassen. Beachtet er während des Spurwechsels nicht das Gebot der Rücksichtnahme aus § 1 Abs. 2 StVO, haftet er für den verursachten Verkehrsunfall mit. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall bemerkte ein ortsunkundiger Fahrer eines Porsches vor einer roten Ampel, dass er sich auf der falschen Fahrspur befand. Er fuhr deswegen von der rechten Rechtsabbiegerspur über den links davon gelegenen weiteren Fahrstreifen für Rechtsabbieger auf die äußerste linke Fahrbahn, die für den Geradeausverkehr und für Linksabbieger bestimmt war. Er setzte sein Fahrzeug dabei in einer Lücke hinter einem PKW und vor einem LKW. Die Lücke war jedoch zu klein, um vollständig einzufahren. Daher stand sein Fahrzeug in einem 45° Winkel in der Lücke, wobei das Heck des PKW sich teilweise noch auf der linken Rechtsabbiegerspur befand. Der LKW-Fahrer bemerkte den Spurwechsel nicht und rammte den Porsche beim Anfahren. Aufgrund dessen verlangte der Porschefahrer Schadenersatz.
Anspruch auf Schadenersatz wegen des Verkehrsunfalls bestand
Das Oberlandesgericht Hamm entschied zu Gunsten des Porschefahrers. Ihm habe ein Anspruch auf Schadenersatz wegen des Verkehrsunfalls zugestanden.
Haftungsanteil des Porschefahrers von 70 %
Der Porschefahrer habe jedoch nach Ansicht des Oberlandesgerichts für die Unfallfolgen zu 70 % selbst haften müssen. Ihm sei nämlich ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO und somit ein erhebliches Mitverschulden an dem Verkehrsunfall anzulasten gewesen. Nach dieser Vorschrift müsse sich jeder Verkehrsteilnehmer so verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Danach hätte der Porschefahrer vor dem Fahrstreifenwechsel mit dem LKW-Fahrer Kontakt aufnehmen müssen. Dies habe er hingegen unterlassen. Ist eine Kontaktaufnahme nicht möglich, so müsse der Fahrer auf andere Weise auf seinen Spurwechsel aufmerksam machen oder notfalls auf diesen verzichten. Zu berücksichtigen sei zudem gewesen, dass aufgrund der unterschiedlichen Größenverhältnisse des LKW und des Porsche der Autofahrer damit habe rechnen müssen, im toten Winkel des LKW-Fahrers zu sein.
LKW-Fahrer haftet zu 30 % für den Unfall
Der LKW-Fahrer habe demgegenüber zu 30 % für den Unfall haften müssen, so die Richter weiter. Zwar dürfe grundsätzlich auf die Einhaltung der Fahrspur vertraut werden. Dennoch bestehe eine Pflicht zur Gefahrenabwehr. Der nachfolgende Verkehr müsse daher dir vor und neben ihm befindlichen Fahrzeuge ständig beobachten. Es sei damit zu rechnen, dass gerade ortsunkundige Fahrer, vor einer Kreuzung plötzlich einen Spurwechsel vornehmen. Dies gelte insbesondere für so ungewöhnliche Kreuzungen wie in diesem Fall, die zwei Rechtsabbiegerspuren und nur eine Spur für Geradausfahrer und Linksabbieger vorweisen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 04.06.2013
Quelle: Oberlandesgericht Hamm, ra-online (vt/rb)
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