Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein privater Garagenvorplatz wurde regelmäßig von Fußgängern als Abkürzung genommen. Im Dezember 2012 behauptete ein Mann, der ebenfalls den Vorplatz als Abkürzung nutzen wollte, dass er beim Betreten des Garagenvorplatzes aufgrund der vorhandenen Glätte zu Fall gekommen sei und sich dabei verletzt habe. Der verunfallte Mann verlangte aufgrund des Vorfalls von der Eigentümerin des Grundstücks Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 € und Schadenersatz. Diese weigerte sich dem nachzukommen, da ihrer Meinung nach eine Räum- und Streupflicht nicht bestanden habe. Der Mann erhob daraufhin Klage. Das Landgericht Hagen wies die Klage mit der Begründung ab, dass der Kläger nicht habe beweisen können, dass er auf dem Garagenvorplatz der Grundstückseigentümerin stürzte. Dagegen richtete sich die Berufung des Klägers.
Das Oberlandesgericht Hamm entschied gegen den Kläger. Diesem habe nach Ansicht des Gerichts kein Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadenersatz zugestanden. In diesem Zusammenhang sei es unerheblich gewesen, ob der Kläger auf dem Garagenvorplatz stürzte. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte es an einer Verkehrssicherungspflichtverletzung der Grundstückeigentümerin gefehlt.
Zwar sei es richtig, so das Oberlandesgericht weiter, dass die Duldung der Nutzung eines Privatgrundstücks durch Unbefugte Sicherungspflichten auslöst. Denn der Grundsatz, wonach Verkehrssicherungspflichten nicht gegenüber Personen gelten, die sich unbefugt auf einem privaten Grundstück aufhalten, gilt dann nicht, wenn der Verkehrssicherungspflichtige die erkennbare Nutzung duldet. Jedoch dürfen an den Inhalt der Sicherungspflichten keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden.
Aus Sicht der Richter können die Anforderungen, die an der Räumpflicht auf einem öffentlichen Gehweg gestellt werden, nicht auf den Fall der bloßen Duldung eines privaten Weges übertragen werden. Denn für öffentliche Gehwege gebe es in der Regel keine Alternative. Der Fußgänger sei also auf deren Nutzung angewiesen. Demgegenüber könne der Passant von der Nutzung einer privaten Fläche absehen. Daher müsse ein geduldeter Nutzer diese Fläche grundsätzlich so hinnehmen, wie er sie vorfindet. Eine Räum- und Streupflicht für private Wege und Plätze ohne wirkliches Verkehrsbedürfnis mit reiner Abkürzungs- oder Bequemlichkeitsfunktion sei in der Regel zu verneinen.
Eine Ausnahme müsse nach Auffassung des Gericht dann gemacht werden, wenn die Gefahr für den geduldeten Nutzer nicht erkennbar ist und er sich daher nicht rechtzeitig auf sie einstellen kann (Bsp.: nicht erkennbares tiefes Loch) sowie bei erheblichen Gefahren für Leib und Leben. Ebenso sei der Fall anders zu beurteilen, wenn der Privatweg als Zuweg für ein anderes Grundstück dient und die Nutzer daher auf diesen angewiesen sind. Ein solcher Ausnahmefall habe hier aber nicht vorgelegen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 13.08.2013
Quelle: Oberlandesgericht Hamm, ra-online (vt/rb)