15.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil16.05.2017

Privater PKW-Verkäufer haftet gegenüber Kfz-Händler für falsche ZusicherungenRücktritt vom Kaufvertrag auch bei vorraus­ge­gangener Untersuchung des Fahrzeugs in eigener Werkstatt möglich

Ein Kraft­fahrzeug­händler kann vom privaten Verkäufer die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Gebraucht­fahrzeug verlangen, wenn das verkaufte Fahrzeug entgegen den Vereinbarungen im Kaufvertrag nicht unfallfrei und nicht nachla­ckie­rungsfrei ist. Das kann auch dann gelten, wenn der Händler das Fahrzeug vor Vertrags­ab­schluss in der eigenen Werkstatt untersucht hat. Dies entschied das Oberlan­des­ge­richts Hamm und änderte damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Dortmund ab.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls betreibt einen Kraft­fahr­zeug­handel in Dortmund. Im Februar 2015 erwarb sie von der Beklagten, einer Privatperson aus dem Landkreis Hildesheim, für 10.660 Euro ein Gebraucht­fahrzeug vom Typ Nissan Juke. In der schriftlichen Kaufver­trags­urkunde vereinbarten die Parteien, dass das Fahrzeug unfallfrei sei und keine Nachlackierung habe. Der Klägerin war bekannt, dass die Beklagte nicht die Ersthalterin des Fahrzeugs war. Zudem hatte die Klägerin vor Vertragsschluss Gelegenheit, das Fahrzeug in ihrer Werkstatt auf Vorschäden und sonstige Mängel zu untersuchen.

Klägerin erklärt Rücktritt vom Kaufvertag wegen Mängeln

Nach Austausch der vereinbarten Leistungen erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag mit der Begründung, bei dem verkauften Nissan Juke handele sich um einen Unfallwagen, der zudem nachlackiert worden sei. Mit der gegen die Beklagte erhobenen Klage verlangt die Klägerin die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des verkauften Fahrzeugs.

Verkauftes Fahrzeug entsprach nicht vertraglich vereinbarter Beschaffenheit

Die Klage war in zweiter Instanz erfolgreich. Das Oberlan­des­ge­richts Hamm erachtete das Rücktritts­ver­langen der Klägerin für begründet. Das von der Beklagten verkaufte Fahrzeug habe nicht der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit entsprochen, so das Gericht. Nach dem Vertrag habe das Fahrzeug unfallfrei sein und keine Nachla­ckie­rungen haben sollen. Diese Beschaffenheit habe das Fahrzeug während seiner gesamten Lebenszeit und nicht nur beschränkt auf die Besitzzeit der Beklagten aufweisen sollen. Dass die Klägerin das Fahrzeug vor Vertragsschluss selbst untersucht habe, bedeute nicht, dass sie dadurch die Beklagte habe entlasten oder aus ihrer Gewähr habe entlassen wollen.

Fahrzeug war laut Gutachten weder unfall- noch nachla­ckie­rungsfrei

Die vom Oberlan­des­gericht mit dem eingeholten Gutachten eines Kfz-Sachver­ständigen durchgeführte Beweisaufnahme habe ergeben, dass das Fahrzeug bei Übergabe an die Klägerin nicht unfall- und nachla­ckie­rungsfrei gewesen sei. Es weise im rechten hinteren Bereich einen unfachmännisch reparierten Unfallschaden mit Nachla­ckie­rungen und zudem am vorderen Stoßfänger Spuren eines Anpra­ll­ge­schehens auf.

Der Rücktritt der Klägerin sei auch nicht ausgeschlossen, weil sie die Mängel bei Vertrags­ab­schluss gekannt habe - dies behaupte die Beklagte bereits nicht - oder der Klägerin die Mängel aus grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sein.

Voraussetzungen für grob fahrlässige Mänge­lun­kenntnis nicht gegeben

Eine grob fahrlässige Unkenntnis der Mängel sei der Klägerin nicht vorzuwerfen. Auch als Kraft­fahr­zeughändlerin habe sie grundsätzlich keine Obliegenheit, das zu erwerbende Fahrzeug gründlich auf Unfallschäden, sonstige Beschädigungen oder Mängel zu untersuchen und dürfe sich insoweit auf eine Sichtprüfung sowie Angaben eines Verkäufers verlassen. Erst wenn ein am Kauf interessierter Händler konkrete Anhaltspunkte dafür habe, dass die infrage stehenden Angaben des Verkäufers falsch oder zweifelhaft seien, könne es als grob sorgfaltswidrig gewertet werden, wenn er das Fahrzeug dennoch nicht genauer untersuche. So liege der vorliegende Fall nicht. Bei ihm habe die Klägerin das Fahrzeug vor dem Kauf lediglich einer Sichtprüfung unterzogen und der gerichtliche Sachverständige habe es für möglich gehalten, dass ein Fachmann die Mängel des Nissan Juke bei einer Sichtprüfung nicht entdecke. Dies gehe zulasten der Beklagten. Die Voraussetzungen einer grob fahrlässigen Mängelunkenntnis der Klägerin hätte sie nachweisen müssen.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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