18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 19283

Drucken
Hinweisbeschluss11.04.2014Oberlandesgericht Hamm9 U 216/13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • r+s 2014, 572Zeitschrift: recht und schaden (r+s), Jahrgang: 2014, Seite: 572
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanz:
  • Landgericht Münster, Urteil, 2 O 31/13
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Hamm Hinweisbeschluss11.04.2014

Auffahrunfall wegen stehendem PKW: Auffahrender aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit schaden­ersatz­pflichtigKeine Absiche­rungs­pflicht nach § 15 StVO bei deutlicher und rechtzeitiger Sichtbarkeit eines stehenden Fahrzeugs

Fährt ein Fahrzeug auf ein deutlich und rechtzeitig zu erkennenden stehenden PKW auf, so ist der Auffahrende voll schaden­ersatz­pflichtig. Ihm ist insofern eine mangelnde Aufmerksamkeit vorzuwerfen. Ist ein stehendes Fahrzeug deutlich und rechtzeitig erkennbar, so besteht auch keine Pflicht zur Absicherung nach § 15 StVO. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Hamm hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im Juli 2010 kam es an einer Kreuzung zu einer seitlichen Berührung zweier PKW. Die Fahrerin des einen PKW stellte daher wenige Meter hinter der Kreuzung ihr Fahrzeug ab. Ein nachfolgender LKW fuhr wenig später ungebremst sowie mit überhöhter Geschwindigkeit auf den abgestellten PKW auf und verletzte dessen Fahrerin. Ihre Kranken­ver­si­cherung klagte aufgrund der erlittenen Verletzungen gegen den LKW-Fahrer auf Schadenersatz. Dieser wehrte sich gegen die Inanspruchnahme damit, dass er den PKW zwar aus einer Entfernung von 150 m gesehen habe. Er habe aber angesichts des gesetzten rechten Blinkers angenommen, dass das Fahrzeug von rechts kommend auf die Straße eingebogen war und sich noch im Beschleu­ni­gungs­vorgang befand. Erst wenige Meter vor dem abgestellten Fahrzeug habe er dessen Stillstand bemerkt. Hinzu sei gekommen, dass aufgrund der durch das linke Seitenfenster scheinenden Sonne eine Blendwirkung ausging. Das Landgericht Münster hielt die Ausführungen des LKW-Fahrers für nicht überzeugend und gab daher der Schaden­er­satzklage in vollem Umfang statt. Dagegen richtete sich die Berufung des LKW-Fahrers.

Anspruch auf Schadenersatz wegen Kolli­si­ons­unfall bestand

Das Oberlan­des­gericht Hamm bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Der Kranken­ver­si­cherung der verletzten Fahrerin habe ein Anspruch auf Schadenersatz zugestanden.

Mangelnde Aufmerksamkeit des LKW-Fahrers

Nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts habe der LKW-Fahrer gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen. Danach habe sich jeder Verkehrs­teil­nehmer unter anderem so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt oder gefährdet wird. Die sich daraus ergebenden Sorgfalts­an­for­de­rungen habe der LKW-Fahrer aber nicht beachtet. Er hätte selbst wenn er von einer Bewegung des PKW ausging, in der Folgezeit den Blick nicht von der Fahrbahn abwenden dürfen. Auch die durch die Sonne ausgehende Blendwirkung hätte eine erhöhte Aufmerksamkeit erfordert. Im Ergebnis war das Gericht davon überzeugt, dass der LKW-Fahrer bei Beachtung der geforderten Sorgfalt den Stillstand des PKW hätte erkennen können.

Kein Verstoß wegen unterbliebener Absicherung des stehenden PKW

Der PKW-Fahrerin sei dagegen kein Verstoß gegen § 15 StVO anzulasten gewesen, so das Oberlan­des­gericht. Zwar müsse ein liegen­ge­bliebenes Fahrzeug besonders abgesichert werden, wenn es nicht rechtzeitig als stehend zu erkennen ist. Der PKW der Fahrerin sei aber zum einen nicht liegengeblieben. Vielmehr habe die Fahrerin ihr Fahrzeug gewollt abgestellt. Zum anderen wäre eine Absicherung nicht notwendig gewesen, weil nach den Ausführungen eines Sachver­ständigen ein aufmerksamer Verkehrs­teil­nehmer aus einer Entfernung von 200 m den Stillstand des Fahrzeugs hätte bemerken können. Darüber hinaus habe im Kreuzungs­bereich eine Geschwin­dig­keits­be­grenzung auf 70 km/h bestanden. Somit hätte ein aufmerksamer Verkehrs­teil­nehmer genügend Zeit gehabt auf den stehenden PKW zu reagieren.

Verkehrsverstoß wegen zu geringem Abstand zur Fahrstrei­fen­be­grenzung unbeachtlich

Nach Auffassung des Oberlan­des­ge­richts habe die PKW-Fahrerin zwar einen Verkehrsverstoß dahingehend begangen, weil sie ihr Fahrzeug in einem Abstand von weniger als drei Metern zu der durchgezogenen Fahrstrei­fen­be­grenzung, die den Linksabbieger im Gegenverkehr abschirmt, abgestellt hatte. Es sei jedoch zu beachten gewesen, dass die Fahrstrei­fen­be­grenzung der Sicherheit des Gegenverkehrs dient und nicht der Sicherheit des nachfolgenden Verkehrs. Der LKW-Fahrer habe sich also nicht zu seinen Gunsten auf den Verkehrsverstoß berufen können.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm, ra-online (vt/rb)

der Leitsatz

Fährt ein Fahrzeug auf ein deutlich und rechtzeitig zu erkennenden stehenden PKW auf, so ist der Auffahrende voll schaden­ersatz­pflichtig. Ihm ist insofern eine mangelnde Aufmerksamkeit vorzuwerfen. Ist ein stehendes Fahrzeug deutlich und rechtzeitig erkennbar, so besteht auch keine Pflicht zur Absicherung nach § 15 StVO (rao).

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Entscheidung19283

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI