21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil29.05.2017

Duldungspflicht und Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden durch ausgewilderte WisenteOLG Hamm entscheidet in zwei Wisent-Rechts­streitig­keiten

Das Oberlan­des­gericht Hamm hat zwei Zivil­rechts­streitig­keiten über die im Rothaargebirge ausgewilderten Wisente entschieden und dabei aufgezeigt, welche weiteren (rechtlichen) Schritte notwendig sind, um den Streit der Parteien über die ausgewilderten Wisente abschließend zu entscheiden.

In den zugrunde liegenden Rechtss­trei­tig­keiten klagen zwei Forstwirte aus Schmallenberg gegen den zum Zwecke der Auswilderung und Erhaltung von Wisenten im Rothaargebirge gegründeten Verein.

Vereine müssen geeignete Maßnahmen zur Verhinderung von Schäden durch Wisente treffen

Das Oberlan­des­gericht Hamm hat in beiden Fällen den beklagten Verein verurteilt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um zu verhindern, dass die freigelassenen Wisente und deren Abkömmlinge die auf den klägerischen Waldgrund­s­tücken wachsenden Bäume - insbesondere Buchen - durch Schälen der Baumrinde oder auf andere Weise beschädigen.

Vereine müssen Ausnah­me­ge­neh­mi­gungen für Auswilderung erhalten

Das Gericht stellte die Verurteilung dabei jedoch zugleich unter den Vorbehalt, dass dem beklagten Verein für die von ihm beabsichtigten Maßnahmen zur Störungs­be­sei­tigung die nach § 45 Abs. 7 Bundes­na­tur­schutz­gesetz erforderlichen Ausnah­me­ge­neh­mi­gungen durch die nach Landesrecht für Naturschutz und Landschafts­pflege zuständigen Behörden erteilt werden.

In einem Fall stellte das Gericht zudem die Verpflichtung des Vereins fest, dem Kläger bis zum Ende der Freiset­zungsphase die ihm durch die Wisente an den Bäumen seines Grundbesitzes zugefügten Schäden zu ersetzen.

OLG bejaht Beein­träch­tigung des Eigentums der Forstwirte

Die weitergehenden, u.a. auf eine vorbehaltlose Verurteilung des Vereins gerichteten Klagebegehren blieben erfolglos. Zu Begründung der Urteile führte das Gericht insbesondere aus, dass sich der Anspruch der Kläger aus § 1004 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches ergebe. Indem die Wisente die Grundstücke der Kläger betreten und dort die Buchen schälen würden, beein­träch­tigten sie das Eigentum der Kläger. Insoweit bestehe Wieder­ho­lungs­gefahr. Für die Beein­träch­tigung sei der beklagte Verein als Störer verantwortlich. Er habe die Wisente ausgewildert, ihre Vermehrung gefördert und sei in der Lage, die Tiere einzufangen und zu immobilisieren, was künftige Beein­träch­ti­gungen verhindern könne.

Kläger müssen Beein­träch­ti­gungen dulden

Allerdings seien die Kläger verpflichtet, die von den Wisenten ausgehenden Störungen zu dulden, sofern dem beklagten Verein keine - nach natur­schutz­recht­lichen Bestimmungen zu beurteilende - Ausnah­me­ge­neh­migung für die zu treffenden Maßnahmen erteilt werde. Die grundsätzliche Duldungspflicht der Kläger ergebe sich aus dem Natur­schutzrecht. Einschlägig sei die Vorschrift des § 44 Abs. 1 Nr. 1 Bundes­na­tur­schutz­gesetz, die es dem beklagten Verein (vorbehaltlich einer Ausnah­me­ge­neh­migung) verbiete, wild lebenden Tieren besonders geschützter Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten, woraus auch die Duldungspflicht der Kläger folge.

Kläger und Beklagte können sich gleichermaßen auf Bundes­na­tur­schutz­ge­setzes berufen

Die genannte Vorschrift des Bundes­na­tur­schutz­ge­setzes verdränge als das speziellere Recht das landesrechtlich geregelte Jagdrecht. Auch der beklagte Verein könne sich auf die Vorschrift des Bundes­na­tur­schutz­ge­setzes berufen. Abgesehen vom Nachstellen und Fangen gebe es keine anderen geeigneten Maßnahmen zur Verhinderung der infrage stehenden Eigen­tums­be­ein­träch­ti­gungen, die ihrerseits nicht gegen das Bundesnaturschutzgesetz oder andere Normen verstießen.

Ausgewilderten Wisente sind durch Bundes­na­tur­schutz­gesetz geschützt

§ 44 Abs. 1 Nr. 1 Bundes­na­tur­schutz­gesetz schütze die ausgewilderten Wisente. Sie seien eine besonders geschützte Art und auch wild lebend im Sinne der Vorschrift. Dass zunächst gezüchtete Tiere freigelassen worden seien, stehe dem nicht entgegen. Gezüchtete Exemplare wild lebender Arten könnten herrenlos werden, die Freiheit und mit ihr als wild lebend den Naturschutz erlangen. Die freigelassenen Wisente und auch ihre späteren Abkömmlinge seien heute herrenlos und wild lebend. Das folge aus den für diese rechtliche Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnissen.

Ausnahmen von der Duldungspflicht möglich

In den vorliegenden Fällen kämen jedoch Ausnahmen von der Duldungspflicht in Betracht. Es bestehe die Möglichkeit, dass eine Ausnah­me­ge­neh­migung zu Verfolgung der Wisente gemäß § 45 Abs. 7 Bundes­na­tur­schutz­gesetz erteilt werde. Ausgehend hiervon könne sich der beklagte Verein nicht auf das Verbot des § 44 Abs. 1 BNatSchG berufen, wenn öffentlich-rechtliche Ausnahmen zugelassen werden könnten, die er mit Aussicht auf Erfolg beantragen könne. Deswegen erfolge seine zivilrechtliche Verurteilung zur Verhinderung der infrage stehenden Eigen­tums­be­ein­träch­ti­gungen unter dem Vorbehalt einer zuvor erteilten Ausnah­me­ge­neh­migung. Über die Ausnah­me­ge­neh­migung selbst könne nicht das Zivilgericht, sondern nur die zuständige Natur­schutz­behörde entscheiden.

In den zu entscheidenden Fällen halte das Gericht - das sei im Zivilprozess zu prüfen - eine Ausnah­me­ge­neh­migung im Sinne von § 45 Abs. 7 Bundes­na­tur­schutz­gesetz für möglich. Um deren Erteilung habe der beklagte Verein daher die zuständige Behörde zu ersuchen. Das Bundes­na­tur­schutz­gesetz lasse die Erteilung einer Ausnah­me­ge­neh­migung u.a. zu, wenn erhebliche forst­wirt­schaftliche Schäden drohten, was beim Kläger der Fall sein könne. Im insoweit durch­zu­füh­renden Geneh­mi­gungs­ver­fahren sei diese Frage abschließend zu prüfen und zu beurteilen.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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