14.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss26.02.2015

Grundgesetzlich garantierte Glaubens- und Gewis­sens­freiheit erlaubt keine Sachbe­schä­digungZerstörung einer Collage in der Universitäts­bibliothek kann nicht mit Verweis auf Glaubens- und Gewis­sens­freiheit gerechtfertigt werden und ist daher als Sachbe­schä­digung zu bestrafen

Die in Art. 4 Grundgesetz garantierte Glaubens- und Gewis­sens­freiheit erlaubt jedenfalls dann keine Sachbe­schä­digung, wenn eine Glaubens- und Gewissens­ent­scheidung auch straffrei umgesetzt werden kann. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und bestätigte damit das Berufungsurteil des Landgerichts Essen und das erstin­sta­nzliche Urteil des Amtsgerichts Essen.

Im zugrunde liegenden Verfahren suchte die in Marokko geborene, 39 Jahre alte Angeklagte aus Niedersachsen im Juni 2013 die Bibliothek der Universität Duisburg-Essen auf, um dort an ihrer Promotion zu arbeiten. In der Bibliothek waren mehrere von Studenten hergestellte Collagen ausgestellt. Eine Collage bestand in erster Linie aus Bildern und Texten des Comicromans "Exit wounds" der israelischen Autorin Rutu Modan. Auf der Collage befand sich unter der Überschrift "rutu modan exit Wounds" der Schriftzug "Terror as usual". Die Collage zeigte unter anderem eine Straßenszene, bei der im Vordergrund eine Gruppe von Personen stand. Zwei hielten Schilder mit hebräischen Schriftzeichen. Auf einem weiteren Schild war "Stop the occupation" zu lesen. Ein 4. Schild mit arabischen Schriftzeichen wurde in einen Sack gesteckt. Die Angeklagte meinte, dieses Schild zeige nicht - wie bei flüchtigem Lesen denkbar - die Worte "Beendet die Besatzung", sondern trage - bei der Veränderung nur eines Buchstabens - den Text "Nieder mit Allah". Hierdurch fühlte sich die Angeklagte in ihren religiösen Gefühlen verletzt. Sie verlangte eine Entfernung dieser Collage, die ein Biblio­theks­mi­t­a­r­beiter ablehnte. Dabei bot er der Angeklagten an, die beanstandete Stelle mit einem Stück Papier zu überkleben. Das Überkleben wartete die Angeklagte jedoch nicht ab. Sie ergriff eine Schere und schnitt die von ihr beanstandete Stelle aus der Collage heraus.

Angeklagte wegen Sachbe­schä­digung verurteilt

Für diese Sachbeschädigung verurteilte das Amtsgericht Essen die Angeklagte wegen gemein­schaft­licher Sachbe­schä­digung zu einer Geldstrafe von 400 Euro. Die Berufung der Angeklagten gegen dieses Urteil verwarf das Landgericht Essen als unbegründet.

Umsetzung der Glaubens- und Gewis­sen­s­ent­scheidung wäre straffrei möglich gewesen

Das Oberlan­des­gericht Hamm hat die von der Angeklagten gegen die Verurteilung eingelegte Revision ebenfalls als unbegründet verworfen. Die Collage sei Bestandteil einer öffentlichen Sammlung im Sinne von § 304 Strafgesetzbuch, so dass ihre Beschädigung als gemein­schädliche Sachbe­schä­digung zu bestrafen sei. Aus dem Grundrecht auf Glaubens- und Gewis­sens­freiheit könne die Angeklagte weder einen Recht­fer­ti­gungsgrund noch einen Entschul­di­gungsgrund für ihr Handeln ableiten. Handelte jemand aufgrund einer Glaubens- und Gewis­sen­s­ent­scheidung in strafbewehrte Weise, so könne er nicht straffrei bleiben, wenn er die Möglichkeit gehabt habe, seine Glaubens- und Gewis­sen­s­ent­scheidung straffrei umzusetzen. Diese Möglichkeit habe die Angeklagte gehabt. Ihr sei von dem angesprochenen Biblio­theks­mi­t­a­r­beiter angeboten worden, die beanstandete Stelle der Collage zu überkleben. Damit habe die Angeklagte ihr Ziel, den anstößigen Teil der Collage unkenntlich zu machen, auch in strafloser Weise erreichen können.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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