15.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss21.06.2016

Abgasskandal: OLG Hamm bewilligt VW-Kundin Prozess­kos­tenhilfeKlage auf Lieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs hat hinreichende Aussichten auf Erfolg

Das Oberlan­des­gericht Hamm hat entschieden, dass die beabsichtigte Klage einer VW-Kundin, die im Jahre 2011 einen VW Polo mit einem Dieselmotor erworben hat, der vom sogenannten Abgasskandal betroffen ist, und die deswegen vom Hersteller - gegen Rückgabe des betroffenen Fahrzeugs - die Lieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs verlangt, hinreichende Aussichten auf Erfolg hat. Das Gericht hat der Kundin daher für die beabsichtigte Klage - in Abänderung des erstin­sta­nz­lichen Beschlusses des Landgerichts Essen - Prozess­kos­tenhilfe bewilligt.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die heute 34 Jahre alte, antragstellende Kundin aus Gelsenkirchen erwarb im Jahre 2011 ein Neufahrzeug vom Typ VW Polo Trendline 1,6 l TDI zum Preis von ca. 19.500 Euro. Im Oktober 2015 erfuhr die Kundin, dass ihr Fahrzeug vom sog. Abgasskandal betroffen ist. Der verbaute Dieselmotor (Typ EA 189) verfügt über eine Software, die Stickoxidwerte im Prüfstandlauf "optimiert". Vom Hersteller, der Antragsgegnerin des Verfahrens, verlangte die Kundin sodann, ihr gegen Rückgabe des gekauften Fahrzeugs ein mangelfreies Ersatzfahrzeug zu liefern. Dies lehnte die Antragsgegnerin ab, sie hielt das gekaufte Fahrzeug nicht für mangelhaft und das Nachlie­fe­rungs­ver­langen der Antragstellerin für unver­hält­nismäßig. Sie sei bereit, das gekaufte Fahrzeug nachzuarbeiten, wofür voraussichtlich Kosten von weniger als 100 Euro anfielen. Im Falle der Nachlieferung entstünden Kosten von etwa 19.300 Euro.

Landgericht lehnt Antrag auf Prozess­kos­tenhilfe ab

Unter Hinweis darauf, dass das gekaufte Fahrzeug zwar mangelhaft, die verlangte Nachlieferung aber unver­hält­nismäßig sei, hat das Landgericht die beantragte Prozesskostenhilfe abgelehnt.

OLG bejaht Erfolgs­aus­sichten der Klage

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts war erfolgreich. Auf der Grundlage des Beschwer­de­vor­bringens der Parteien hat das Oberlan­des­gericht Hamm die Erfolgs­aus­sichten der beabsichtigen Klage bejaht und der Antragstellerin Prozess­kos­tenhilfe bewilligt. Ihren Anspruch auf Nachlieferung eines Neufahrzeugs habe die Antragstellerin schlüssig vorgetragen, entschied das Gericht. Sie habe mit hinreichender Erfolgsaussicht einen bereits bei der Fahrzeu­g­übergabe vorhandenen Sachmangel geltend gemacht. Durch die Installation der Manipu­la­ti­o­ns­software, die die korrekte Messung der Stickoxidwerte verhindere und im Prüfbetrieb niedrigere Ausstoßmengen vorspiegele, dürfte das Fahrzeug von der bei vergleichbaren Fahrzeugen üblichen Beschaffenheit abweichen.

Vom Hersteller favorisierte Nachbesserung derzeit tatsächlich noch nicht möglich

Ob die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin gewählte Art der Nacherfüllung aufgrund unver­hält­nis­mäßiger Kosten verweigern dürfe, sei derzeit noch nicht abschließend und sicher festzustellen. Über diesen Einwand sei im Haupt­sa­che­ver­fahren zu entscheiden. Dabei müsse der Antragsgegnerin nicht nur die von der Antragstellerin gewünschte Nachlieferung sondern auch die von ihr, der Antragsgegnerin, favorisierte Nachbesserung tatsächlich möglich sein. Insoweit sei u.a. zu berücksichtigen, dass der Antragsgegnerin bislang keine Freigabe des Kraft­fahrt­bun­desamtes für die von ihr beabsichtigte technische Umrüstung des streit­ge­gen­ständ­lichen Fahrzeugmodells vorliege. Bislang sei auch nicht vorgetragen, wann mit der Freigabe zu rechnen sei und bis zu welchem Zeitpunkt die technische Maßnahme dann ggfls. an dem Fahrzeug der Antragstellerin umgesetzt werden könne. Es erscheine zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin die Antragstellerin unter Hinweis auf die Unver­hält­nis­mä­ßigkeit der Nachlieferung auf eine Nachbesserung verweisen könne, wenn ihr diese nicht binnen angemessener Frist möglich sei. Die rechtliche und tatsächliche Bewertung dieses Gesichtspunkts sowie der zwischen den Parteien umstrittenen Frage der Kosten, die bei der Prüfung der Unver­hält­nis­mä­ßigkeit zu berücksichtigen seien, sei allerdings nicht bereits im Rahmen des summarischen Prozess­kos­ten­hil­fe­ver­fahrens vorzunehmen.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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