03.12.2024
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss10.09.2013

Rumänische Staats­an­ge­hörige darf nicht zum Zwecke der Straf­voll­streckung nach Rumänien ausgeliefert werdenAuslieferung darf bei Verstoß gegen völkerrechtlich verbindliche Mindest­standards oder gegen unabdingbare verfassungs­rechtliche Grundsätze versagt werden

Die von Rumänien beantragte Auslieferung einer 49 Jahre alten rumänischen Staatsbürgerin ist unzulässig, weil sie gegen den verfassungs­rechtlichen Verhältnis­mäßigkeits­grundsatz verstoßen würde. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm.

Die Verfolgte des zugrunde liegenden Verfahrens war im Jahre 2004 in Abwesenheit durch ein rumänisches Amtsgericht wegen in den Jahren 1999 und 2000 begangener Betrugstaten und unter Einbeziehung sechs früherer Verurteilungen verurteilt worden. Gegen sie wurde eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren neun Monaten verhängt, von der unter Anrechnung erlittener Untersuchungshaft, aus der sie zuletzt im Jahre 2003 entlassen worden war, noch drei Jahre sechs Monate zu vollstrecken sind.

Verfolgter erhebt Einwand gegen Auslie­fe­rungs­antrag

Seit ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2010 lebt die Verfolgte mit ihrem Kind und ihrem Lebensgefährten in Bochum, wo die gelernte Schneiderin zuletzt als Reinigungskraft tätig war. Strafrechtlich ist sie in der Bundesrepublik bislang nicht in Erscheinung getreten. Gegen einen von Rumänien im Jahre 2010 gestellten Auslie­fe­rungs­antrag hat die Verfolgte Einwände erhoben.

OLG Hamm erklärt beantragte Auslieferung für unzulässig

Das Oberlan­des­gericht Hamm hat die rumänischen Behörden mehrfach um Angaben zu den abgeurteilten Taten und dem zugrunde liegenden Strafverfahren, zu den Haftbedingungen in der Zeit der Unter­su­chungshaft und zu den heutigen Haftbedingungen gebeten, wobei die übermittelten Antworten der rumänischen Behörden einzelne Fragen offenließen. Nach Abschluss seiner Prüfungen hat das Oberlan­des­gericht Hamm – einem Antrag der General­staats­an­walt­schaft Hamm folgend – die beantragte Auslieferung für unzulässig erklärt. Nach der geltenden Rechtslage sei eine Auslieferung aufgrund bestehender vertraglicher Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland und des Respekts vor fremden Rechtsordnungen (nur) dann unzulässig, wenn sie gegen völkerrechtlich verbindliche Mindest­standards oder gegen unabdingbare verfas­sungs­rechtliche Grundsätze der deutschen öffentlichen Ordnung verstoße.

Auslieferung würde verfas­sungs­recht­lichem Verhält­nis­mä­ßig­keits­grundsatz widersprechen

Im vorliegenden Fall liege ein derartiger Verstoß vor, weil die Auslieferung der Verfolgten dem verfas­sungs­recht­lichen Verhält­nis­mä­ßig­keits­grundsatz widerspreche. Das ergebe sich aus den Gesamtumständen des Falles und insbesondere aus der bisherigen Sachbehandlung der rumänischen Behörden, nach der eine Klärung offener Fragen nicht absehbar sei. Die abgeurteilten Taten lägen nunmehr 12 bis 16 Jahre zurück, wozu auch das über zwei Jahre andauernde Auslie­fe­rungs­ver­fahren beigetragen habe. Die ausgeurteilten Strafen seien zum Teil durch die erlittene rumänische Unter­su­chungshaft verbüßt. Durch diese Unter­su­chungshaft sei die Verfolgte nach ihren unwiderlegten Angaben zudem traumatisiert worden und leide noch heute unter den Folgen. Sie werde auch durch die Dauer des Auslie­fe­rungs­ver­fahrens belastet. Zum jetzigen Zeitpunkt sei außerdem unklar, ob die Verfolgte bei den in die letzte Verurteilung einbezogenen früheren Verurteilungen ausreichendes rechtliches Gehör gehabt habe. Den von den rumänischen Behörden hierzu übersandten schriftlichen Gericht­s­ent­schei­dungen sei eine Verurteilung in Abwesenheit der Betroffenen zu entnehmen, wohingegen die rumänischen Gerichte ergänzend mitgeteilt hätten, dass die Verurteilte bei zwei Verurteilungen nach ordnungsgemäßer Ladung auch anwesend gewesen sei. Dieser Widerspruch sei bislang nicht erklärt worden. Zudem sei bei der letzten Verurteilung der Verfolgten eine frühere Verurteilung fehlerhaft mit einer zu hohen Strafe einbezogen worden, so dass die Gesamtstrafe fehlerhaft gebildet worden sei. Fragen zu den rumänischen Haftbedingungen und den Folgen der Unter­su­chungshaft für die Betroffene seien ebenfalls nicht ausreichend beantwortet worden.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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