23.11.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss08.12.2016

Abfin­dungs­an­spruch muss trotz erheblicher Steuerlast erfüllt werdenHofeigentümer ist trotz erhöhter Einkom­men­steu­erlast durch Entnahme von Abfin­dungs­flächen aus Hofvermögen zur vertraglich vereinbarten Grund­s­tücks­übergabe verpflichtet

Ein Hofeigentümer kann einen Abfin­dungs­an­spruch auf Übertragung von Grundstücken aus dem Hofbesitz zu erfüllen haben, auch wenn er deswegen eine erhebliche Steuerlast zu tragen hat, weil die Entnahme der Grundstücke aus dem Betrie­bs­vermögen einen zu versteuernden Gewinn darstellt. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und bestätigte damit die erstin­sta­nzliche Entscheidung des Amtsgerichts Münster.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die bereits in den 1970er Jahren verstorbenen Eltern des im Jahre 1934 geborenen Antragstellers, zugleich die Schwiegereltern der im Jahre 1939 geborenen Antragsgegnerin, waren Eigentümer eines in Münster-Wolbeck gelegenen Hofes. Im Jahre 1969 übertrugen sie den Hofbesitz ihrem älteren, im Jahre 1929 geborenen Sohn, dem damaligen Ehemann der Antragsgegnerin. Dieser verstarb im Jahre 2002 und wurde von der Antragsgegnerin allein beerbt. Mit der Hofübertragung vereinbarten die Eltern mit ihren beiden Söhnen auch eine Erb- und Pflicht­teils­ansprüche umfassende Abfindung des Antragstellers. Neben einem mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück in Münster sollte dieser seinerzeit landwirt­schaftlich genutzte Grundstücke mit einer Größe von 3.750 m² aus dem übertragenen Hofbesitz - unentgeltlich und lastenfrei - erhalten, sobald diese bebauungsreif sein sollten. Die Bebauungsreife der infrage stehenden, aufgrund eines Straßenausbaus in ihrer Lage veränderten Grundstücke trat aufgrund eines im Jahre 2004 verabschiedeten Bebauungsplans ein.

Antragsteller verlangt lastenfreie Übertragung der Grundstücke

Im Jahre 2013 forderte der Antragsteller die Antragsgegnerin zur lastenfreien Übertragung der Grundstücke auf. Zur Erstattung der von der Antragsgegnerin für die Grundstücke bereits verauslagten Entwäs­se­rungs­beiträge in Höhe von ca. 25.000 Euro erklärte sich der Antragsteller bereit.

Antragsgegnerin widerspricht Übertragung aufgrund daraus entstehender erheblicher Steuerlast

Die Antragsgegnerin hat der Übertragung widersprochen, unter anderem aufgrund einer ihr durch die Übertragung entstehenden erheblichen Steuerlast: Durch eine Herausnahme der Flächen aus dem steuerlichen Betrie­bs­vermögen müsse - so die Antragsgegnerin - die Differenz zwischen Verkehrs- und Buchwert der Flächen versteuert werden. Dies führe zu einer Einkom­men­steu­erlast zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer von insgesamt ca. 445.000 Euro, die sie aus dem Hofbetrieb nicht aufbringen könne.

OLG: Antragsgegnerin hat Grundbesitz lastenfrei und unentgeltlich zu übertragen

Das Begehren des Antragstellers war erfolgreich. Das Oberlan­des­gericht Hamm wies die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den erstin­sta­nz­lichen Beschluss des Landwirt­schafts­ge­richts zurück. Gegen Erstattung der verauslagten Entwäs­se­rungs­beträge, die sich der Antragsteller anrechnen lasse, habe ihm die Antragsgegnerin den infrage stehenden Grundbesitz lastenfrei und unentgeltlich zu übertragen, so das Gericht.

Der Abfin­dungs­an­spruch sei rechtswirksam zwischen dem Antragsteller und seinem Bruder vereinbart worden und nunmehr von der Antragsgegnerin als Erbin des verstorbenen Bruders zu erfüllen. Er sei nicht verjährt.

Erfüllung des Anspruchs auf Grund­s­tücks­über­tragung kann nicht von steuerlicher Belastung abhängig gemacht werden

Von der Erstattung steuerlicher Belastungen oder eine Beteiligung des Antragstellers an derartigen Lasten könne die Antragsgegnerin die Erfüllung des Anspruchs nicht abhängig machen. Zwar müsse sie die Grundstücke aus dem Betrie­bs­vermögen ihres Hofes herausnehmen und dem Antragsteller zu Eigentum übertragen. Dabei sei der Wert der Grund­s­tück­s­entnahme steuerlich dem Gewinn des Hofes zuzurechnen, woraus sich - nach ihrer Berechnung - eine Steuerlast von ca. 445.000 Euro ergeben werde. An dieser Steuerlast habe sich der Antragsteller aber nicht zu beteiligen. Ihm seien die Grundstücke unentgeltlich und lastenfrei zu übertragen. Das folge aus dem Abfin­dungs­vertrag des Jahres 1969, der insoweit auch keine planwidrige Regelungslücke und keine anderslautende Geschäfts­grundlage aufweise, die eine Vertrags­an­passung im Sinne der Antragsgegnerin rechtfertigen könnten.

Erhöhte Einkom­men­steu­erlast war bereits bei Vertrags­ab­schluss absehbar

Bereits bei Vertrags­ab­schluss sei absehbar gewesen, dass es aufgrund einer Differenz zwischen Buchwert und tatsächlichen Verkehrswert zu einer erhöhten Einkom­men­steu­erlast des Hofeigentümers kommen würde, wenn er die Abfin­dungs­fläche aus dem Hofvermögen entnehme. Dennoch sei vereinbart worden, dass die Grundstücke nicht schon bei Vertragsschluss, sondern erst bei ihrer Baureife zu übertragen seien. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sie der Hofübernehmer landwirt­schaftlich nutzen können sollen. Dass die Vertrags­parteien in Kenntnis dieser Umstände keine Regelung zu einer möglichen Beteiligung des Abfin­dungs­be­rech­tigten an den späteren Steuerlasten des Hofübernehmers getroffen hätten, lasse darauf schließen, dass jeder Vertrags­be­teiligte die für ihn festgesetzten Steuern selbst tragen solle.

Für diese Bewertung spreche auch, dass der Antragsteller mit dem Abfin­dungs­vertrag vollständig aus dem elterlichen Vermögen habe abgefunden werden sollen und sich in Bezug auf die infrage stehenden Grundstücke mit einem Übertra­gungs­an­spruch begnügt habe, von dem zum damaligen Zeitpunkt keiner gewusst habe, ob und wann dieser Anspruch vom Hofeigentümer zu erfüllen sei. Die Baureife dieser Grundstücke sei dann tatsächlich auch erst 35 Jahre nach Vertragsschluss eingetreten.

Antragsgegnerin hätte rechtzeitig Rücklagen bilden können

Außerdem habe die Antragsgegnerin angesichts der bevorstehenden Erfüllung der Abfin­dungs­ver­ein­barung rechtzeitig Rücklagen bilden oder Teile der streit­ge­gen­ständ­lichen Fläche frühzeitig aus ihrem Betrie­bs­vermögen entnehmen und so die sie künftig treffende Einkom­men­steu­erlast vermindern können. Im Übrigen habe sie - neben den zu übertragenden Flächen - weitere Flächen von ca. 13.500 m² aus dem Hofbesitz als Bauland ausgewiesen bekommen, durch deren Verwertung sie die Einkom­men­steu­erlast ausgleichen könne.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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