21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss01.10.2015

Singen des "U-Bahn-Liedes" kann den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllenLiedtext billigt Massen­vernichtungs­unrecht im Konzen­tra­ti­o­nslager Auschwitz

Das in der Öffentlichkeit hörbare Singen des sogenannten U-Bahn-Liedes mit dem Text "Eine U-Bahn, eine U-Bahn, eine U-Bahn bauen wir, von Jerusalem bis nach Auschwitz, eine U-Bahn bauen wir!" kann den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und bestätigte damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Amtsgerichts Dortmund.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die 1970 und 1973 geborenen Angeklagten aus Gottmadingen besuchten im April 2014 das Bundesligaspiel Borussia Dortmund gegen den FSV Mainz, aufgrund getragener Trikots als Fans des Vereins Borussia Dortmund erkennbar. Nach dem Ende des Spiels sangen sie Arm in Arm im Bereich des Vorplatzes am Nordausgang des Stadions in der Nähe einer Gruppe Mainzer Fans für die umstehenden Personen deutlich hörbar das sogenannte U-Bahn-Lied mit dem Text "Eine U-Bahn, eine U-Bahn, eine U-Bahn bauen wir, von Jerusalem bis nach Auschwitz, eine U-Bahn bauen wir!".

AG verurteilt Angeklagte wegen Volksverhetzung

Aufgrund dieser Tat verurteile das Amtsgericht Dortmund die beiden Angeklagten am 3. Juni 2015 wegen Volksverhetzung jeweils zu einer Geldstrafe von 5.400 Euro (90 Tagessätze zu je 60 Euro). Die von den Angeklagten gegen die Verurteilung eingelegte Sprungrevision blieb erfolglos. Das Oberlan­des­gericht Hamm bestätigte die amtsge­richtliche Verurteilung.

Verharmlosung der Herrschaft des Natio­nal­so­zi­a­lismus zur Störung des öffentlichen Friedens geeignet

Das Verhalten der Angeklagten stelle eine gemäß § 130 Abs. 3 Strafgesetzbuch strafbare Volksverhetzung dar, entschied das Oberlan­des­gericht. Die Angeklagten hätten eine unter der Herrschaft des Natio­nal­so­zi­a­lismus begangenen Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völker­straf­ge­setz­buches bezeichneten Art in einer Weise verharmlost, die geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören.

Verständigem Zuhörer erscheint Singen des Liedes als Verharmlosung der Verbrechen der Natio­nal­so­zi­a­listen

Die Vorschrift des Völker­straf­ge­setz­buches verbiete es, eine nationale, rassische, religiöse oder ethische Gruppe unter Lebens­be­din­gungen zu stellen, die sie körperlich zerstören könne. Der gesungene Liedtext beziehe sich auf eine unter der Herrschaft des Natio­nal­so­zi­a­lismus begangene Handlung dieser Art, er billige das Massen­ver­nich­tungs­unrecht im Konzen­tra­ti­o­nslager Auschwitz. Der im Liedtext besungene Startort Jerusalem stehe als Synonym für Juden. Die Verbindung von Jerusalem und Auschwitz durch die U-Bahn als direktes Transportmittel verbildliche die Transporte der Opfer des Holocaust nach Auschwitz. Nach dem Text solle die U-Bahn von den Sängern erst noch gebaut werden. Das stelle die Bezüge zur Vergangenheit in einen Kontext zu einem künftigen Geschehen, auf welches die Sänger hinwirken wollten. Unabhängig davon, dass ersichtlich nicht ernsthaft eine U-Bahn von Jerusalem nach Auschwitz gebaut werden solle, bringe der Text des Liedes symbolisch die Möglichkeit zum Ausdruck, dass eine Wiederholung der Transporte jüdischer Menschen an den Ort eines früheren Vernich­tungs­lagers denkbar sei. Dadurch erscheine der Völkermord der Natio­nal­so­zi­a­listen an den Juden in seinem Unrechtsgehalt begrenzt, mithin nicht schwerwiegend und der Gedanke einer Wiederholung als billigenswert. Aus Sicht eines verständigen Zuhörers erscheine das als eine Verharmlosung der Verbrechen der Natio­nal­so­zi­a­listen. Es gebe keine Begleitumstände, die das Lied in einen anderen Kontext, z.B. den einer Fanrivalität, stellen könnten. Das Lied sei zwar in der Nähe einer Gruppe Mainzer Fans gesungen worden, sein Inhalt aber nicht an diese gerichtet gewesen, Mainz sei nicht Jerusalem und Jerusalem sei am Spiel nicht beteiligt gewesen.

Tatgeschehen lässt auf vorsätzliches Verhalten der Angeklagten schließen

Das Singen des Liedes durch die Angeklagten sei geeignet gewesen, den öffentlichen Frieden zu stören. Insoweit genüge schon die konkrete Eignung. Bei der in der Liedform in die Öffentlichkeit getragenen "Judenhetze" bestehe ohne weiteres die Gefahr, dass die Botschaft der Angeklagten von Zuhörern, die diese billigten, weitergetragen werde, so dass das psychische Klima aufgeheizt und Unfrieden in der Bevölkerung erregt werde.

Das äußere Tatgeschehen lasse auf ein vorsätzliches Verhalten der Angeklagten schließen. Sie seien sich der Tragweite ihrer Äußerungen bewusst gewesen und hätten ihren Inhalt gewollt.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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