21.11.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.

Dokument-Nr. 27534

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil06.05.2019

Grundstücks­kauf­vertrag mit Vereinbarungen über Wohnrecht und Pflege­ver­pflichtung gilt trotz frühen Todes des VeräußerersErben haben keinen Anspruch auf Ausgleich für gegenstandslos gewordenes Wohnrecht und Pflege­ver­pflichtung

Vereinbaren die Vertrags­parteien bei einem Grundstücks­kauf­vertrag ein Wohnrecht für den Veräußerer und eine Pflege­ver­pflichtung für die Erwerberin, führt der Tod des Veräußerers nur wenige Wochen nach Vertragsschluss nicht zu einem Zahlungs­an­spruch der Erben zum Ausgleich für das infolge des Todes gegenstandslos gewordene Wohnrecht und die Pflege­ver­pflichtung. Die Kauf­vertrags­parteien haben sich vielmehr beide im Ungewissen befunden, wie lange der Verkäufer leben und ob er pflegebedürftig werden würde, so dass kein Raum für eine ergänzende Vertrags­aus­legung besteht. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Frankfurt am Main hervor.

Die Antragstellerin des zugrunde liegenden Streitfalls ist - neben ihren zwei Geschwistern - zu 1/3 Erbin ihres 2014 verstorbenen Bruders. Ihr Bruder hatte im Frühjahr 2014 seinen Grundbesitz an seine Nichte, die Antragsgegnerin, verkauft. Nach den vertraglichen Regelungen erhielt der Bruder ein lebens­läng­liches unentgeltliches Wohnrecht. Der Jahreswert dieses Wohnrechts wurde mit 2.592 Euro beziffert. Die Nichte verpflichtete sich zudem zur Pflege des Erblassers im häuslichen Bereich, solange dies für sie möglich und zumutbar war. Der Wert ihrer Pflege­leis­tungen wurde mit einem Jahreswert von 2.460 Euro beziffert. Der Kaufpreis betrug 86.000 Euro. Nach Berück­sich­tigung einer Grund­buch­be­lastung sowie "eines für den Verkäufer einzutragenden Wohnrechts... (kapitalisiert 21.666 Euro) unter Übernahme von Pflege­leis­tungen (kapitalisiert 20.563 Euro)" zahlte die Nichte noch 10.000 Euro.

Antragstellerin verlangt Zahlung kapitalisierter Werte für nicht genutztes Wohnrecht und nicht erbrachte Pflege­leis­tungen

Knapp drei Wochen nach Abschluss dieses Kaufvertrages verstarb der Erblasser überraschend. Die Antragstellerin war der Ansicht, der Kaufvertrag sei im Wege ergänzender Vertrags­aus­legung so zu verstehen, dass die Nichte zur Zahlung der kapitalisierten Werte für das nicht genutzte Wohnrecht und die nicht erbrachten Pflege­leis­tungen verpflichtet sei. Sie begehrte Prozess­kos­tenhilfe für eine beabsichtigte Zahlungsklage.

Gründe für ergänzende Vertrags­aus­le­gungen nicht ersichtlich

Das Landgericht Limburg wies diesen Antrag zurück. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte auch vor dem Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main keinen Erfolg. Auch nach großzügigen Maßstäben bestehe für die beabsichtigte Rechts­ver­folgung der Antragstellerin keine hinreichende Erfolgsaussicht, resümiert das Oberlan­des­gericht. Voraussetzung für eine ergänzende Vertrags­aus­legung sei eine Lücke im Regelungs­konzept des Vertrags, die geschlossen werden müsse. Die ergänzende Auslegung dürfe dabei laut Gericht nicht zu einer freien richterlichen Vertrags­ge­staltung ausufern. Hier fehle es bereits an einer Lücke im Kaufvertrag. Beide Seiten hätten sich bei Abschluss im Ungewissen darüber befunden, wie lange der Verkäufer (der Erblasser) leben und ob er zu Lebzeiten pflegebedürftig im Sinne des Vertrages werden würde. Die Nichte sei das Risiko eingegangen, dass sie - sofern der Erblasser sehr alt werde, gleichzeitig aber bald nach Vertragsschluss pflegebedürftig - über einen sehr langen Zeitraum Pflege­leis­tungen erbringen müsse. Umgekehrt sei der Erblasser das Risiko eingegangen, dass er im Fall seines frühen Todes sein Grundstück an die Nichte überlassen habe, obwohl sie ihn nicht pflegen und ein Wohnrecht nur für kurze Zeit habe erdulden müssen. Es sei kein Grund ersichtlich, warum im Wege der ergänzenden Vertrags­aus­legung deswegen eingegriffen werden sollte, da sich das Risiko des Erblassers zu einem sehr frühen Zeitpunkt realisiert habe. Auch im umgekehrten Fall, wenn die Nichte ihre Verpflichtungen für einen sehr langen Zeitraum hätte erfüllen müssen, hätte kein Anlass für eine ergänzende Vertrags­aus­legung bestanden.

Kein Wegfall der Geschäfts­grundlage

Raum für eine Anpassung des Vertrages nach den so genannten Grundsätzen des Wegfalls der Geschäfts­grundlage bestehe ebenfalls nicht. Bei der Vereinbarung eines lebenslangen Wohnungsrechts müsse jeder Vertragsteil grundsätzlich damit rechnen, dass der Berechtigte sein Recht wegen Krankheit und Pflege­be­dürf­tigkeit nicht bis zu seinem Tod ausüben könne, so das Oberlan­des­gericht. Für den Tod des Berechtigten könne insoweit nichts anderes gelten. Gleiches gelte für die Pflege­ver­pflichtung. Auch hier müsse jeder Vertragsteil grundsätzlich damit rechnen, dass diese Verpflichtung infolge des Todes des Berechtigten bereits kurze Zeit nach dem Abschluss des Vertrages gegenstandslos werde.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online (pm/kg)

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