18.10.2024
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Dokument-Nr. 30581

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil08.07.2021

Trotz Präsentation als Arzneimittel ist Vertrieb eines Hustensafts als Medizinprodukt bei entsprechender Erlaubnis des BfArM keine IrreführungOLG Frankfurt am Main lehnt Berufung ab

Hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) festgestellt, dass ein Produkt (hier: Hustensaft) trotz seiner Präsentation nach einer Gesamtabwägung kein zulassungs­pflichtiges Arzneimittel ist, sind die Zivilgerichte daran grundsätzlich gebunden. Ein von einer Verwal­tungs­behörde erlaubtes Verhalten stellt selbst dann keine Irreführung nach § 5 UWG dar, wenn tatsächlich die Voraussetzungen für die Erlaubnis nicht vorliegen. Die auf Unterlassen des Vertriebs gerichtete Berufung des Klägers hatte deshalb gemäß des Oberlan­des­ge­richts Frankfurt am Main (OLG) keinen Erfolg.

Im hier vorliegenden Fall stritten die Parteien um die Einordnung des von der Beklagten vertriebenen Produkts „Mucosolvan PHYTO Complete“ als (Präsentations-)Arzneimittel oder Medizinprodukt. Ein Präsentationsarzneimittel liegt vor, wenn die Präsentation des Produkts den Eindruck erweckt, dass es heilende Wirkung im Sinne eines Arzneimittels hat. Dies sei hier der Fall, meint die Klägerin. Mangels Arznei­mit­tel­zu­lassung habe die Beklagte den Vertrieb zu unterlassen. Das Produkt enthalte die zwei anerkannten und monographierten Arzneipflanzen Spitzwegerich und Thymian, die seit jeher bei der Behandlung von Husten eingesetzt würden und deren pharma­ko­lo­gische Wirkung unbestritten sei. Unter der Dachmarke „Mucosolvan“ vertreibe die Beklagte zudem zahlreiche als Arzneimittel zugelassen Hustensäfte.

Weiteren Vertrieb im voraus­ge­gangenen Eilverfahren untersagt

Im voraus­ge­gangenen Eilverfahren hatte der Senat der Beklagten den weiteren Vertrieb untersagt, da die Beklagte nicht nachgewiesen habe, dass der Vertrieb des Hustensaftes als Medizinprodukt von einer behördlichen Erlaubnis gedeckt sei. Vorgelegt worden sei allein ein hinsichtlich der maßgeblichen Passagen geschwärzter Bescheid des BfArM. Im nunmehrigen Haupt­sa­che­ver­fahren hat die Beklagte den vollständigen ungeschwärzten Bescheid des BfArM vorgelegt. Demnach handelt es sich bei dem streit­ge­gen­ständ­lichen Präparat nicht um ein zulas­sungs­pflichtiges Arzneimittel.

OLG: Bescheid des BfArM bindend

Das OLG hat deshalb die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts zurückgewiesen. Der Bescheid des BfArM entfalte Tatbe­stands­wirkung. Der Senat sei an die dortige Feststellung gebunden, dass das Produkt kein zulas­sungs­pflichtiges Arzneimittel sei. Soweit der Kläger meine, die Bescheids­be­gründung sei inhaltlich fehlerhaft, könne er damit nicht gehört werden. Es sei gerade Sinn der Tatbe­stands­wirkung, dass die fachlich kompetente Verwal­tungs­behörde eine abschließende Entscheidung treffe, die von den Zivilgerichten - unabhängig von der Rechtmäßigkeit - nicht nachprüfbar sei.

Grenze Tatbe­stands­wirkung hier nicht erreicht

Der weitere klägerische Einwand, dass das BfArM nicht die streit­ge­gen­ständliche Werbung, sondern nur die Produkt­ver­packung der Beurteilung zugrunde gelegt habe, greife ebenfalls nicht. Gegenstand der Prüfung sei das Produkt nebst der Produkt­ver­packung und dem Infor­ma­ti­o­nsblatt gewesen. Bei der Prüfung sei jedoch auch berücksichtigt worden, dass das Produkt den äußeren Anschein eines Arzneimittels erwecke. Dies habe jedoch nicht für eine Einstufung als (Präsentations-) Arzneimittel ausgereicht Soweit die Tatbe­stands­wirkung ihre Grenze in der Nichtigkeit eines Verwal­tungsaktes finde, sei diese Grenze hier nicht erreicht. Das BfArM habe vertretbar ausgeführt, dass das Produkt zwar die objektiven Kriterien eines Präsen­ta­ti­o­ns­a­rz­nei­mittels erfülle, im Rahmen einer Gesamtwürdigung aber aufgrund der physikalisch wirkenden bestim­mungs­gemäßen Hauptwirkung dennoch als Medizinprodukt einzuordnen sei.

Durch Verwal­tungs­behörde erlaubtes Verhalten stelle keine Irreführung dar

Der Kläger könne sich auch nicht auf eine Irreführung nach § 5 UWG berufen. Ein von einer Verwal­tungs­behörde durch Verwaltungsakt erlaubtes Verhalten stelle selbst dann keine Irreführung dar, wenn die Voraussetzung für die Erlaubnis tatsächlich nicht vorliegen würden. Im Rahmen einer Inter­es­se­n­ab­wägung könne ein Unter­las­sungs­an­spruch nicht wegen eines Verhaltens begründet werden, dass einer gesetzlichen Erlaubnis entspreche.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/aw)

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