Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil15.01.2004
Kein Versicherungsschutz für nicht sicher verwahrten Schmuck im ReisegepäckSchmuck ständig im Auge behalten - Gepäck muss nah am Körper gehalten werden
Hat eine Frau in ihrer Handtasche Schmuck im Wert von rund 100.000 Euro sowie "erhebliche Mengen an Bargeld" auf einer Reise dabei und wird ihr die Tasche gestohlen, wenn sie am Flughafen ein Ticket kaufen will, so muss die Reisegepäckversicherung nicht für den Schaden aufkommen, wenn die Frau die Tasche auf einem Gepäckwagen abstellt, anstatt sie "körpernah mit jederzeitiger Zugriffsmöglichkeit" bei sich zu führen. Das geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt hervor.
Ein Versicherungsnehmer, der Schmuck in seinem Reisegepäck mit sich führt, muss diesen in seinem persönlichen Gewahrsam sicher verwahren, da er andernfalls keinen Versicherungsschutz genießt. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte zu entscheiden, welche Anforderungen an die sichere Verwahrung zu stellen sind. Der klagenden Versicherungsnehmerin war auf dem Flughafen Paris am Ticket-Schalter eine Handtasche entwendet worden, in der sie u.a. Schmuck im Wert von über 100.000,- Euro sowie erhebliche Mengen von Bargeld mit sich führte. Die Klägerin hatte die Handtasche in den Gepäckkorb eines zwischen ihr und dem Ticket-Schalter befindlichen, quer stehenden Gepäckwagens gelegt. Während sie dort ein Flugticket erwarb, griff der Täter auf das Handgepäck zu und entwendete die Handtasche. Die gegen ihre Reise- und Warenlagerversicherung gerichtete Klage auf Ersatz des abhanden gekommenen Schmucks hat das Oberlandesgericht – wie zuvor schon das Landgericht – abgewiesen. § 2 Abs. 3 d der vereinbarten Versicherungsbedingungen lautete: "… besteht Versicherungsschutz in gleicher Höhe für Schmuck, der in persönlichem Gewahrsam sicher verwahrt mitgeführt wird". Die Klausel ist identisch mit § 1 Nr. 4 b der Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von Reisegepäck (AVBR 92).
Werthaltige Gegenstände körpernah tragen
Das Oberlandesgericht legt dar, dass diese Regelung vom Versicherungsnehmer verlangt, dass er das wertvolle Gut durch vorbeugendes Verhalten besonders sichert. Verlangt werde eine gesteigerte Form des persönlichen Verhaltens, wobei das Maß des Sicherungsverhaltens abhängig vom Wert des Gegenstandes, der Intensität des Diebstahlsanreizes sowie dem Gefährdungsgrad der jeweiligen Örtlichkeit und Situation abhänge. Erforderlich sei, dass der Versicherungsnehmer den Gegenstand entsprechend dem äußeren Wert und den äußeren Umständen der Gefährdung sichere und körpernah trage oder halte, so dass nahe liegende Gefahren des Verlusts vermieden würden und er jederzeit bereit und in der Lage sei, einen möglichen Diebstahlsversuch abzuwehren. Dem habe die Klägerin nicht Rechnung getragen, weil sie ihre Handtasche vor der Entwendung aus der Hand gegeben habe. Der Wert des Tascheninhalts sei einerseits außergewöhnlich hoch gewesen, andererseits sei ein Ticket-Schalter auf einem Großflughafen ein im Hinblick auf die Entwendungsgefahr extrem gefährdeter Ort. Allein der Blickkontakt zu der Handtasche sei nicht ausreichend gewesen, weil die Klägerin durch das Verkaufsgespräch am Ticket-Schalter zumindest vorübergehend abgelenkt gewesen sei. Die jederzeitige Blick- und Zugriffsmöglichkeit auf die Handtasche sei damit beschränkt gewesen und habe zu einer zumindest kurzfristigen Risikoerhöhung geführt. Dadurch war die sicherere Verwahrung zeitweilig aufgehoben. Aus Sicherheitsgründen wäre es nach allem geboten gewesen, dass die Klägerin die Handtasche während des Ticketkaufs nicht aus der Hand gegeben hätte.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung des § 1 Nr. 4 b AVBR 92 bisher nicht ergangen ist.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 23.02.2005
Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main vom 22.01.2004