21.11.2024
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Dokument-Nr. 20893

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Urteil07.04.2015Oberlandesgericht Frankfurt am Main24 U 82/14
Vorinstanz:
  • Landgericht Darmstadt, Urteil13.01.2015, 10 O 37/13
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil07.04.2015

Ratingagentur muss schlechtes Scoring eines Unternehmens unterlassenNegative Bewertung der Kredit­wür­digkeit ist ohne jegliche sachliche Basis

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hat einer Ratingagentur untersagt, über ein im Rhein-Main-Gebiet ansässiges Unternehmen eine schlechte Bewertung (Scoring) zu erteilen.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens betreibt seit den 1990er Jahren ein Unternehmen im Bereich der Luftfahr­t­in­dustrie. Eine Insolvenz oder Zahlungs­ausfälle sind bei ihr bisher nicht vorgekommen. Die Beklagte betreibt eine Wirtschafts­aus­kunftei, in der sie Informationen und Analysen über Unternehmen sammelt und hieraus Bonitäts­aus­künfte erstellt, die auf Anfrage Dritten zur Verfügung gestellt werden.

Klägerin wird mit schlechtestem Scorewert versehen

Die Klägerin wurde von der Beklagten mit dem "Risikoindikator 4", dem schlechtesten von vier Werten angegeben. Ferner heißt es in der Bewertung der Klägerin "Das Ausfallrisiko wird als hoch eingestuft" sowie "Sicherheiten empfohlen".

Beklagte verbessert Score nach Beschwerde um eine Stufe

Die Klägerin, die auf die schlechte Bewertung durch eine ihrer Kundinnen aufmerksam gemacht wurde, wandte sich durch einen Anwalt an die Beklagte und forderte Aufklärung. Die Beklagte stufte die Klägerin danach eine Stufe besser mit "3" und das Ausfallrisiko mit "überdurch­schnittlich" ein.

Klägerin klagt auf Unterlassung der schlechten Bewertung

Die Klägerin erhob hierauf Klage gegen die Beklagte mit dem Antrag, es zu unterlassen, gegenüber Dritten eine schlechte Risikoein­schätzung der Klägerin abzugeben und ihr Ausfallrisiko als hoch einzustufen.

LG: Bewertungen sind lediglich Werturteile

Das in erster Instanz zuständige Landgericht Darmstadt folgte der Verteidigung der Beklagten und wies die Klage ab, weil es sich bei den Bewertungen lediglich um Werturteile handele, die - anders als Tatsa­chen­be­haup­tungen - einer exakten Nachprüfung nicht zugänglich seien. Auf die hierauf von der Klägerin eingelegte Berufung kassierte das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main das Urteil des Landgerichts und verurteilte die Beklagte antragsgemäß.

Vorgehen der Ratingagentur bei Abgabe der Bewertungen ist von verant­wor­tungsloser Oberfläch­lichkeit geprägt

Zur Begründung führt das Oberlan­des­gericht aus, dass die von der Beklagten abgegebene äußerst negative Bewertung der Kredit­wür­digkeit der Klägerin sei ohne jegliche sachliche Basis. Das Vorgehen der Beklagten bei der Abgabe ihrer verschiedenen Bewertungen sei von einer verant­wor­tungslosen Oberfläch­lichkeit geprägt und verletze das Recht der Klägerin, keine rechtswidrigen Eingriffe in ihren Gewerbebetrieb erleiden zu müssen. Maßstab für das Ratingagenturen erlaubte Verhalten sei § 28 b Bundes­da­ten­schutz­gesetz. Nach dieser Vorschrift dürfe ein "Wahrschein­lich­keitswert für ein bestimmtes zukünftiges Verhalten erhoben oder verwendet werden, wenn die zur Berechnung des Wahrschein­lich­keits­wertes genutzten Daten unter Zugrundelegung eines wissen­schaftlich anerkannten mathematisch-statistischen Verfahrens nachweisbar für die Berechnung der Wahrschein­lichkeit des bestimmten Verhaltens erheblich sind". Zwar seien die sogenannten "Scoreformeln" selbst sowie die Basisdaten nach dem Urteil des Bundes­ge­richtshofes vom 14. Januar 2014 als geschütztes Geschäfts­ge­heimnis der Ratingagentur anzusehen. Vorliegend erwecke die Beklagte bei ihren Kunden aus der Wirtschaft aber den Eindruck einer umfassenden Verwertung der verschiedensten Variablen über das bewertete Unternehmen. Genauer betrachtet stütze sie die schlechte Bewertung der Klägerin jedoch einzig und allein darauf, dass es sich bei der Klägerin nicht um eine Kapital­ge­sell­schaft, sondern einen eingetragenen Einzelkaufmann handele. Das reiche nicht aus, da die Verwertung dieses Einzelfaktors dem Maßstab einer komplexen, auf statistischen und wissen­schaft­lichen Algorithmen beruhenden Bewertung nicht genüge.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online

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