18.10.2024
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Dokument-Nr. 1497

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil18.06.2003

Kein Unter­las­sungs­an­spruch von Nachbarn gegen Mobil­funk­anlagen, wenn die festgelegten Grenzwerte nicht überschritten werden

Eine Mobilfunkanlage auf einem Nachba­r­grundstück muss grundsätzlich hingenommen werden, wenn die gesetzlichen Grenzwerte eingehalten werden. Das geht aus einem Urteil des Oberlan­des­ge­richts Frankfurt hervor.

Die Richter des 23. Zivilsenates des Oberlan­des­ge­richts Frankfurt am Main hatten darüber zu entscheiden, ob und gegebenenfalls unter welchen näheren Voraussetzungen man sich dagegen wehren kann, dass auf dem Nachba­r­grundstück eine Mobilfunkanlage betrieben wird.

Nachbarn hatten eine Kirchengemeinde im Rhein-Main-Gebiet auf Unterlassung verklagt, nachdem eine Mobilfunkanlage auf dem nahe gelegenen Kirchturm installiert worden war. Der Senat bestätigte die Abweisung der Klage durch die 4. Zivilkammer des Landgerichts Hanau.

Zwar handele es sich bei den von der Sendeanlage ausgehenden elektro­ma­gne­tischen Feldern um Störungen, die unter den Voraussetzungen des § 906 BGB untersagt werden könnten. Die Kläger würden aber durch diese Einwirkungen nur "unwesentlich" beeinträchtigt. Eine unwesentliche Beein­träch­tigung liege in der Regel nach § 906 Abs. 1 Satz 2 BGB vor, wenn die in Rechts­ver­ord­nungen festgelegten Grenzwerte nicht überschritten würden. Die in der 26. Bunde­s­im­mis­si­ons­schutz­ver­ordnung (BImSchV) festgesetzten Grenzwerte würden aber von der Anlage eingehalten, so dass eine wesentliche Beein­träch­tigung durch die von der Mobilfunkanlage ausgehenden elektro­ma­gne­tischen Felder nicht gegeben sei.

Dies gelte sowohl für thermische, als auch nicht- thermische Effekte. Es gebe im Übrigen keine verlässlichen wissen­schaft­lichen Erkenntnisse für eine Gesund­heits­ge­fährdung durch nicht-thermische Effekte einer Mobilfunkanlage. Soweit die Kläger darauf verwiesen, dass schon jetzt Menschen in der Nähe von Mobil­funk­anlagen über Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Herzrhyth­muss­tö­rungen und Tinnitus klagten und insoweit Wissenschaftler zitierten, denen zufolge die festgelegten Grenzwerte zu hoch seien, reiche dieser Vortrag nicht aus, um einen wissen­schaftlich begründeten Verdacht einer Gesund­heits­ge­fährdung darzulegen.

Der Verord­nungsgeber habe in der 26. Bunde­s­im­mis­si­ons­schutz­ver­ordnung Vorsorge vor den Gefahren getroffen, die durch elektro­ma­gne­tische Felder generell und nicht nur durch thermische Effekte verursacht werden könnten. Deshalb sei ein Grenzwert festgelegt worden, der um den Faktor 50 die Schwelle unterschreite, ab der mit Gesund­heits­be­ein­träch­ti­gungen durch Erwärmung von Körpergeweben zu rechnen sei. Es gebe keine verlässlichen wissen­schaft­lichen Erkenntnisse, denen zufolge die in der 26. Bunde­s­im­mis­si­ons­schutz­ver­ordnung niedergelegten Grenzwerte nicht geeignet seien, die Bevölkerung von den elektro­ma­gne­tischen Felder ausgehenden Gefahren zu schützen.

Für die Gesam­tein­schätzung müsse auf die Empfehlung internationaler Kommissionen und der Strah­len­schutz­kom­mission hingewiesen werden, die das gegenwärtige Grenz­wert­konzept für geeignet und flexibel genug halten, um vor gesund­heit­lichen Beein­träch­ti­gungen bei den im Alltag vorkommenden elektro­ma­gne­tischen Feldern zu schützen. Eine kompetente, eigenständige Risikobewertung durch die Gerichte könne auch der Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zufolge erst dann erfolgen, wenn die Forschung so weit fortgeschritten sei, dass sich die Beurtei­lungs­pro­blematik auf bestimmte Fragestellungen verengen lasse, welche anhand gesicherter Befunde von anerkannter wissen­schaft­licher Seite geklärt werden könnten. Da es keine verlässlichen wissen­schaft­lichen Erkenntnisse für die Erheblichkeit bestimmter Auswirkungen unterhalb der festgelegten Grenzwerte gebe, sei es den in der Nachbarschaft einer Mobilfunkanlage lebenden Menschen zumutbar, elektro­ma­gne­tischen Feldern innerhalb der derzeitigen Grenzwerte ausgesetzt zu sein.

Wegen der Grund­sätz­lichkeit der Rechtsfragen hat der Senat die Revision zum Bundes­ge­richtshof zugelassen (siehe hierzu BGH, Urt. v. 13.02.2004 Voraussetzungen des privaten Immis­si­ons­schutzes gegen Mobil­funksen­de­anlagen)

Quelle: ra-online Redaktion, Pressemitteilung des OLG Frankfurt am Main vom 27.06.2003

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