21.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil17.01.2019

An engste Famili­en­mit­glieder gerichteter Misshandlungs­vorwurf in WhatsApp-Nachrichten fällt in Bereich "belei­di­gungs­freier Sphäre"Innerhalb des engsten Familienkreises besteht ehrschutzfreier Raum

Innerhalb des engsten Familienkreises besteht ein ehrschutzfreier Raum, der es ermöglicht, sich frei auszusprechen, ohne gerichtliche Verfolgung befürchten zu müssen. Behauptet die Schwiegermutter gegenüber ihrer Schwester und ihrer Tochter, dass ihr Schwiegersohn seine Famili­en­mit­glieder misshandle, hat dieser dagegen keinen Unter­lassungs­anspruch. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Frankfurt am Main hervor.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls ist der Schwiegersohn der Beklagten. Er verlangt von seiner Schiegermutter, dass sie zahlreiche Äußerungen über ihn nicht mehr behauptet bzw. verbreitet. Der Kläger und die Tochter der Beklagten haben zwei gemeinsame Kinder und sind weiterhin verheiratet. Anfang 2016 kam es zu einem heftigen Ehestreit. Nach Darstellung des Klägers hat er in diesem Zusammenhang seinen Sohn, der nicht von alleine das Zimmer verlassen wollte, am Nacken/Halsbereich gefasst und ihn von hinten "geschubst", damit er ein wenig schneller laufe. Die Ehefrau des Klägers fertigte ein Video des weinenden und sich am Hals fassenden Sohnes an. Dieses gab sie der Beklagten zur Aufbewahrung.

Schwiegermutter versendet "Protokoll über Misshandlungen" per WhatsApp an Verwandte

Die beklagte Schwiegermutter verfasste daraufhin ein so genanntes "Protokoll über Misshandlungen", in welchem sie zahlreiche Verhal­tens­weisen des Klägers auflistete. Dieses "Protokoll" sowie das Video versandte die Beklagte als WhatsApp-Anlagen an ihre Schwester mit der Bitte, dieses an ihre gemeinsame Mutter weiterzuleiten. Darüber hinaus stellte sie Strafanzeige gegen den Kläger wegen Kindes­miss­handlung und legte dem Jugendamt und der Kriminalpolizei ebenfalls das "Protokoll" und das Video bei.

Streit­ge­gen­ständliche Äußerungen sind als "privilegierte Äußerungen" einzustufen

Der Kläger begehrte von der Beklagten, dass sie zahlreiche in diesem "Protokoll" enthaltene Aussagen nicht weiter behauptet und verbreitet. Das Landgericht wies seinen Antrag zurück. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte auch vor dem Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main keinen Erfolg. Die streit­ge­gen­ständ­lichen Äußerungen seien als "privilegierte Äußerungen" einzustufen. Sie seien in einem "ehrschutzfreien Raum" gefallen und deshalb nicht rechtswidrig. Nach höchst­rich­ter­licher Rechtsprechung gebe es einen Bereich vertraulicher Kommunikation innerhalb besonders ausgestalteter Vertrau­ens­be­zie­hungen, wozu insbesondere der engste Familienkreis gehören, der dem Ehrenschutz vorgeht ("belei­di­gungsfreie Sphäre"). Damit solle ein persönlicher Freiraum gewährt werden, in dem man sich mit seinen engsten Verwandten frei aussprechen könne, ohne eine gerichtliche Verfolgung befürchten zu müssen. Äußerungen, die gegenüber Außenstehenden oder der Öffentlichkeit wegen ihres ehrverletzenden Gehalts eigentlich nicht schutzwürdig wären, würden in solchen privaten Vertrau­lich­keits­be­zie­hungen verfas­sungs­recht­lichen Schutz genießen, welcher dem Schutz der Ehre des durch die Äußerung Betroffenen vorgehe, so das Oberlan­des­gericht.

Äußerungen erfolgten in geschütztem Freiraum

Hier seien die streit­ge­gen­ständ­lichen Äußerungen in diesem Freiraum erfolgt. Die Beklagte unterhalte zu den Adressaten der Mitteilungen einen sehr engen und guten Kontakt, der das Bedürfnis rechtfertige, sich über den Kläger frei auszusprechen. Dabei spiele es keine Rolle, dass sich die Aussagen in einem elektronischen Dokument als Anlage zu einer WhatsApp Nachricht befunden hätten und nicht bloß (fern)mündlich kommuniziert worden seien.

Kein Unter­las­sungs­an­spruch aufgrund Weiterleitung der Nachrichten an Kriminalpolizei und Jugendamt

Soweit die beanstandeten Äußerungen und das "Protokoll" auch an die Kriminalpolizei und das Jugendamt weitergeleitet worden seien, könne darauf ohnehin kein Unterlassungsanspruch gestützt werden. Es sei mit dem Recht auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz sowie auf rechtliches Gehör unvereinbar, wenn rechtliche Äußerungen in einem Prozess oder die Wahrnehmung staats­bür­ger­licher Rechte und Pflichten in einem Strafverfahren aus Gründen des Ehrenschutzes zu straf-, oder zivil­recht­lichen Nachteilen führten, weil sich eine Behauptung später im Prozess oder nach behördlicher Prüfung als unrichtig oder unaufklärbar erweist, betonte das Oberlan­des­gericht.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online

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