18.10.2024
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Dokument-Nr. 28363

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Urteil16.01.2020Oberlandesgericht Frankfurt am Main16 U 208/18
Vorinstanz:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil24.10.2018, 2-24 O 22/18
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil16.01.2020

Buchung eines Flugtickets einer ausländischen Flugge­sell­schaft über eine deutsche Internetseite begründet allein keinen Gerichtsstand in DeutschlandReine Rechts­scheins­gesichts­punkte können keine internationale Zuständigkeit begründen

Wird ein Flugticket einer ausländischen Flugge­sell­schaft über eine deutsch­sprachige Internetseite gebucht, die technisch und inhaltlich vollständig vom Ausland aus gepflegt wird, sind deutsche Gerichte international unzuständig. Es fehlt an einem Bezug des Buchungs­vorgangs zu einer deutschen Niederlassung. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wurde die Revision zum Bundes­ge­richtshof zugelassen.

Der Kläger des zugrunde liegenden Falls nahm die beklagte französische Luftver­kehrs­ge­sell­schaft auf Schadensersatz wegen Stornierung eines Beför­de­rungs­ver­trages in Anspruch. Er buchte über die Webseite "airfrance.de" im Dezember 2017 für den Sommer 2018 ein Ticket für einen Flug von San Francisco nach Paris in der First-Class und einen Weiterflug von Paris nach London in der Business-Class für insgesamt knapp 600 Euro. Nach Überweisung des Betrags wurde die Buchung bestätigt. Der Kläger erhielt ein elektronisches Ticket mit einem Reser­vie­rungscode. Als Ausstellungsort wies das Ticket u.a. "DIR - WEB Allemagne, Frankfurt am Main" aus. Als Kontakt vor Reiseantritt wurde eine Telefonnummer mit der Frankfurter Vorwahl "069" angegeben. Im Impressum der Homepage heißt es: "Air France in Deutschland: Air France Direktion für Deutschland, Zeil 5, 60613 Frankfurt am Main".

Flugge­sell­schaft storniert Flug wegen eines Systemfehlers

Einen Tag nach der Buchung teilte die Beklagte dem Kläger von der E-Mail-Adresse "Customer Care Europe" auf Englisch mit, dass das Ticket wegen eines Systemfehlers storniert worden sei. Der gezahlte Betrag wurde nachfolgend erstattet. Ende Januar 2018 hätte ein vergleichbarer Flug 10.578,86 Euro gekostet. Der Kläger war der Auffassung, dass die Beklagte das Ticket nicht wirksam habe stornieren können. Er verlangte Schadensersatz in Höhe des objektiven Flugpreises (10.578,86 Euro).

Gerichte verneinen internationale Zuständigkeit

Das Landgericht wies die Klage als unzulässig ab, da es nicht international zuständig sei. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Die Berufung blieb jedoch auch vor dem Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main ohne Erfolg. Das Landgericht habe zu Recht seine internationale Zuständigkeit verneint. Die internationale Zuständigkeit folge hier insbesondere nicht aus Art. 7 Nr. 5 EuGVVO. Demnach könne eine Partei, deren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates liege (hier Frankreich), in einem anderen Mitgliedstaat (hier Deutschland) verklagt werden, wenn es sich um Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweignie­der­lassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung handele, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem sich diese befinde.

Deutsch­sprachige Internetseite wird nicht von Frankfurter Niederlassung aus betrieben

In Frankfurt am Main befinde sich zwar die Marke­tin­g­ab­teilung und auch der Sitz des Geschäfts­führers für Deutschland. Bestätigung und Ticket seien aber nicht von dortigen Mitarbeitern ausgestellt worden. Das im Internet gebuchte und elektronisch ausgestellte Ticket habe auch keinen sonstigen Bezug zur Frankfurter Niederlassung i.S.d. Art. 7 Nr. 5 EuGVVO. Insbesondere werde die deutsch­sprachige Internetseite der Beklagten nicht von der Frankfurter Niederlassung aus betrieben. Weder könnten von dort Inhalte der Internetseite verändert werden, noch würden dort technische Einrichtungen bereitgehalten auf welchen die Daten der Internetseite gespeichert würden. Die Beklagte habe vielmehr dargelegt, dass sich die Daten der deutsch­spra­chigen Internetseite der Beklagten bei einem externen Provider in Paris befänden.

Im Impressum ausschließlich angegebene französische E-Mail-Adresse lässt auf Betrieb der Internetseite von Paris aus schließen

Ohne Erfolg verweise der Kläger auf die Angaben im Impressum der Beklagten. Sie zeigten allein, dass es auch eine Präsenz in Deutschland gebe. Die im Impressum ausschließlich angegebene französische E-Mail-Adresse spreche jedoch gerade dafür, dass die Internetseite von Paris aus betrieben werde.

Deutsche Niederlassung nicht an Rechts­ver­hältnis zwischen Flugge­sell­schaft und Fluggast beteiligt

Die Niederlassung in Deutschland sei damit an dem Rechts­ver­hältnis zwischen der Flugge­sell­schaft und dem Fluggast nicht beteiligt gewesen. Reine Rechts­scheins­ge­sichts­punkte könnten die internationale Zuständigkeit nicht begründen.

Revision zum BGH zugelassen

Das Oberlan­des­gericht hat die Revision zum Bundes­ge­richtshof zugelassen. Die Frage der internationalen Zuständigkeit bei Inter­net­bu­chungen habe grundsätzliche Bedeutung.

Erläuterungen:

Erläuterungen

Art. 7 EUGVVO

Art. 7 [Besondere Gerichtsstände]

Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:

1. - 4. [...]

5. wenn es sich um Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweignie­der­lassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung handelt, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich diese befindet;

6. [...]

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online (pm/kg)

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