23.11.2024
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Sie sehen ein Flugzeug am Himmel.

Dokument-Nr. 16558

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Urteil12.08.2013Oberlandesgericht Frankfurt am Main1 U 276/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2013, 3796Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 3796
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Vorinstanz:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil10.10.2012, 2-04 O 32/12
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil12.08.2013

Anspruch auf Entschädigung bei verpasstem Flug aufgrund von Sicherheits­kontrollenBundesrepublik hätte dafür sorgen müssen, dass die Überprüfung verdächtigen Gepäcks auch in der Nachtzeit schneller vonstatten geht

Ein Reisender, der aufgrund einer länger dauernden Sicher­heits­kontrolle am Flughafen Frankfurt seinen Flug nicht mehr erreichte, hat Anspruch auf eine Entschädigung. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main.

Der Kläger wollte im Juli 2011 vom Flughafen Frankfurt aus einen Flug antreten, der um 4.20 Uhr starten sollte. Im Sicher­heits­kon­troll­bereich wurde der Kläger aufgehalten, weil der Verdacht entstanden war, in seinem als Handgepäck mitgeführten Rucksack könnten sich gefährliche Gegenstände befinden. Wie für diese - häufig vorkommenden - Fälle vorgesehen, wurde von der Bundespolizei der Entschär­fertrupp informiert, der um diese Uhrzeit nur eine Rufbereitschaft unterhält, weshalb es rund drei Stunden dauerte, bis die Personen der Entschärfertruppe die erforderlichen Überprü­fungs­maß­nahmen vor Ort durchführen konnten. Hierbei konnte der Verdacht, dass sich im Rucksack des Klägers gefährliche Gegenstände befanden, entkräftet werden. Tatsächlich führte der Kläger darin lediglich eine Kamera, zwei Ladegeräte, ein Handy sowie Bekleidung und die später verfallenen Flugtickets mit. In der Zwischenzeit war allerdings das Flugzeug, das der Kläger erreichen wollte, abgeflogen. Der Kläger buchte deshalb für sich und seinen Reisebegleiter Tickets für einen anderen Flug. Die hierfür aufgewandten Kosten in Höhe von 911,98 Euro sind Gegenstand der Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland als Dienstherrin der Bundespolizei.

LG: Organi­sa­ti­o­ns­ver­schulden der Bundesrepublik

Das in erster Instanz angerufene Landgericht gab der Klage statt, im Wesentlichen mit der Begründung, der Bundesrepublik sei ein Organi­sa­ti­o­ns­ver­schulden zur Last zu legen, denn sie hätte dafür Sorge tragen müssen, dass die Überprüfung verdächtigen Gepäcks auch in der Nachtzeit schneller vonstatten gehen könne.

OLG: Kläger hat zeitliche Verzögerung und Kontroll­maß­nahmen nicht selbst zu verantworten

Die hiergegen gerichtete Berufung der beklagten Bundesrepublik wies das OLG nunmehr zurück, allerdings mit einer anderen Begründung als das Landgericht. Nach Auffassung des OLG kann der Kläger von der Beklagten wegen der Kontroll­maß­nahmen eine Entschädigung nach aufop­fe­rungs­recht­lichen Grundsätzen verlangen. Die Annahme, in dem Rucksack befänden sich möglicherweise gefährliche Gegenstände, sei nicht dadurch entstanden, dass der Kläger gefährlich aussehende Gegenstände mitführte, sondern durch gewisse "Überlagerungen" auf dem Röntgenbild des Kontrollgeräts. Deshalb habe der Kläger die Umstände, die den Verdacht begründeten, nicht selbst zu verantworten. Auch die zeitliche Verzögerung, die dazu führte, dass er und sein Reisebegleiter den gebuchten Flug versäumten, habe der Kläger nicht zu verantworten. Die Verzögerung beruhe vielmehr darauf, dass die Beklagte aus Haushalt­s­er­wä­gungen nachts ihren Entschär­fertrupp nur in Rufbereitschaft vorhalte und die herbeigerufenen Beamten deshalb erst nach längerer Anfahrt am Flughafen eintrafen. Der Kläger müsse zwar im Sicher­heits­in­teresse der Allgemeinheit Kontroll­maß­nahmen hinnehmen. Es sei ihm aber nicht zuzumuten, den infolge dieser Maßnahmen entstandenen zusätzlichen Nachteil - den Verfall der Flugtickets und den notwendigen Erwerb zweier Ersatztickets - zu tragen. Ein solcher Nachteil entstehe anderen Fluggästen bei Sicher­heits­kon­trollen im regulären Tagesbetrieb in der Regel nicht und stelle deshalb - entgegen der Auffassung der Beklagten - kein allgemeines Lebensrisiko dar, sondern belaste den Kläger insoweit mit einem Sonderopfer, für das er Entschädigung verlangen könne.

Hintergrundinformation

Von einer Aufopferung spricht man, wenn durch einen hoheitlichen Eingriff der Staatsgewalt Rechts- oder Lebensgüter verletzt werden und dies für den betroffenen Bürger ein Sonderopfer darstellt. Der Eingriff muss dabei durch das Allgemeinwohl bestimmt sein. Der Aufop­fe­rungs­an­spruch wird durch Spezialgesetze verdrängt und gewährt eine Entschä­di­gungs­leistung in Geld.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online

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