In der seit 1935 bestehenden Versicherergemeinschaft haben sich die Allianz-, Axa-, R+V- und Victoria-Versicherung zusammengeschlossen und bieten Berufshaftpflichtversicherungen für Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte und genossenschaftliche Prüfungsverbände im Wege einer gemeinsamen Mitversicherung an. Das Bundeskartellamt hat hierin einen Kartellrechtsverstoß gesehen und am 10. August 2007 das Anbieten derartiger Verträge weitgehend untersagt.
Auf die Beschwerde der Versicherergemeinschaft und der beteiligten Versicherungsunternehmen hat der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts die Entscheidung des Bundeskartellamts aufgehoben. Der Senat hat dies damit begründet, dass die Zusammenarbeit der Versicherungsunternehmen zwar eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung darstelle (Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag, § 1 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Eine derartige Mitversicherungsgemeinschaft sei jedoch nach einer Verordnung der Europäischen Kommission zulässig, wenn deren Marktanteil nicht mehr als 20 % betrage (Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 358/2003 der Europäischen Kommission vom 27. Februar 2003). Im vorliegenden Fall liege der Marktanteil der Versicherergemeinschaft unter diesem Schwellenwert.
Zur Ermittlung des Schwellenwertes sei - entgegen der Auffassung des Bundeskartellamts - nicht nur auf den Berufshaftpflichtversicherungsmarkt für Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer abzustellen, sondern auf das Marktvolumen für Berufshaftpflichtversicherungen aller rechts-, steuer- und wirtschaftsberatenden Berufe, also einschließlich entsprechender Versicherungen für Rechtsanwälte, Steuerberater und Notare. Für den so abgegrenzten Markt ergäben sich Bruttobeitragseinnahmen von insgesamt 450 – 500 Millionen Euro jährlich (Deutschland, Jahre 2005 und 2006), so dass die Versicherergemeinschaft mit einem Einnahmenanteil von weniger als 80 Millionen Euro die 20 %-Schwelle deutlich unterschreite.
Zur Begründung seiner Marktabgrenzung verweist der Senat darauf, dass die Berufshaftpflichtversicherungen für rechts-, steuer- und wirtschaftsberatende Berufe beim Vertrieb, der Vertragsabwicklung und dem erforderlichen Know-how der Schadenssachbearbeiter weitgehende Parallelen aufweisen. Es sei deshalb für eine Versicherung, die zwar Rechtsanwälte oder Notare versichere, bislang aber keinen Haftpflichtversicherungsschutz für Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer anbiete, möglich, ihr Angebot kurzfristig und ohne erheblichen finanziellen Aufwand auf jene Versicherungen zu erweitern.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.09.2008
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 26/08 des OLG Düsseldorf vom 17.09.2008