18.10.2024
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Oberlandesgericht Dresden Urteil09.08.2005

Rechts­form­miss­brauch begründet Haftung von Vereins­mit­gliedernOLG Dresden verurteilt regionale Diöze­sen­verbände und Vereine des Kolpingwerks zu Zahlungen in Millionenhöhe

Das Oberlan­des­gericht Dresden hat mit Teil- und Grundurteil vom 09.08.2005 die Diöze­sen­verbände Dresden-Meißen und Görlitz des Kolpingwerks sowie die in den Bistümern Dresden-Meißen und Görlitz tätigen Vereine des Kolpingwerks auf eine von einem Immobilienfonds erhobene Klage verpflichtet, an den Insol­venz­ver­walter des Kolping-Bildungswerk-Sachsen e.V. (KBS e.V.) Zahlungen in Höhe der dem Immobilienfonds gegenüber dem KBS e.V. zustehenden Forderungen zu leisten.

Der Immobilienfonds hat ab Oktober 1999 dem KBS e.V. das zuvor mit einem Aufwand von nahezu DM 30 Mio. sanierte Schloss Schweinsburg in Neukirchen/Pleiße durch einen Leasingvertrag bis zum Jahre 2019 zur Nutzung überlassen. Die monatlichen Leasingraten haben zunächst rd. € 84.000,00 betragen. Nachdem der KBS e.V. die Leasingraten ab Mai 2000 nicht mehr bezahlt hatte, ist im Dezember 2000 über sein Vermögen das Insol­venz­ver­fahren eröffnet worden. Infolge der Zahlungs­un­fä­higkeit des KBS e.V., vor allem wegen des Ausfalls der Leasingraten, ist dem Immobilienfonds nach seinen Berechnungen ein Schaden von knapp € 15 Mio. entstanden. Hiervon machte er einen Teilbetrag von rd. € 4,2 Mio. gegen verschiedene Organisationen des Kolpingwerks gerichtlich geltend.

Das Landgericht Dresden hat diese Klage abgewiesen. Auf die Berufung hat das Oberlan­des­gericht die in den Bistümern Dresden-Meißen und Görlitz tätigen Diöze­sen­verbände des Kolpingwerks sowie die beiden in den Bistümern tätigen Vereine des Kolpingwerks verurteilt, an den Insol­venz­ver­walter € 707.658,66 nebst Zinsen zu zahlen. Die Klage über die weiteren 3.578.012,16 € wurde gegenüber den beiden Diöze­sen­ver­bänden und den beiden Vereinen dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Zur Begründung hat der zuständige 2. Zivilsenat darauf verwiesen, dass der KBS e.V. als Verein kraft Gesetzes grundsätzlich nur ideelle Zwecke habe verwirklichen dürfen, ihm also unter­neh­me­rische Betätigungen untersagt gewesen seien. Solche habe der KBS e.V. aber teils selbst, teils mittels von ihm beherrschter Tochter- und Enkel­ge­sell­schaften ausgeübt. So habe etwa eine Enkel­ge­sell­schaft des KBS e.V. als General­un­ter­nehmerin zwei Großbauvorhaben mit einem Gesamtvolumen von knapp DM 50 Mio. errichtet bzw. saniert. Daneben habe es mehrere sonstige Tätigkeiten gegeben, die ein Verein gesetzlich nicht habe wahrnehmen dürfen.

Hätten aber der KBS e.V. sowie seine Tochter- und Enkel­ge­sell­schaften in erheblichem Umfange wirtschaftlich agiert, müssten für die Verbind­lich­keiten des Vereins dessen Mitglieder wegen eines sog. Rechts­form­miss­brauchs haften. Dies folge daraus, dass die jährlichen Gesamtumsätze von zuletzt mehr als 100 Mio. DM zumindest zu einem Viertel bis einem Drittel von Gesellschaften erbracht worden seien, die unter­neh­me­rische Aktivitäten entfaltet hätten. Diesen Entwicklungen hätte von den Vereins­mit­gliedern Einhalt geboten werden müssen. Als Vereins­mit­glieder des KBS e.V. seien u.a. die im Rechtsstreit verklagten Diöze­sen­verbände in den Bistümern Dresden-Meißen und Görlitz zu erachten, da diese jene Personen entsandt und benannt hätten, von denen formal die Mitgliedschaft im KBS e.V. wahrgenommen worden sei. Die beiden in den Bistümern tätigen Vereine des Kolpingwerks seien als Rechtsträger der Diöze­sen­verbände für deren Verbind­lich­keiten eintritts­pflichtig.

Die gegen die beiden auf Bundesebene angesiedelten Organisationen des Kolpingwerks gerichtete Klage hat das Oberlan­des­gericht in Übereinstimmung mit dem Landgericht abgewiesen. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die beiden Bundes­or­ga­ni­sa­tionen weder Mitglieder im KBS e.V. gewesen seien noch sie auf dessen wirtschaftliche Tätigkeit nachweisbar Einfluss genommen hätten.

Die Revision zum Bundes­ge­richtshof wurde vom Oberlan­des­gericht zugelassen.

In der mündlichen Urteils­be­gründung hat das Oberlan­des­gericht ergänzend darauf hingewiesen, dass zwar unter den Besonderheiten der vorliegenden Fallgestaltung die Mitglieder eines eingetragenen Vereines für dessen Verbind­lich­keiten persönlich eintritts­pflichtig seien. Dies besage aber nicht, dass auch in Vereinen herkömmlicher Größe und Prägung eine persönliche Haftung eines Mitglieds bei Fehlver­hal­tens­weisen des Vorstandes ohne weiteres zu befürchten sei. Vielmehr komme solches nur in Betracht, wenn das Vereinsmitglied die Fehlent­wick­lungen im Verein zumindest in den Grundzügen gekannt und dennoch keine ihm zumutbaren und möglichen Maßnahmen ergriffen habe, um eine weitere wirtschaftliche Betätigung zu verhindern.

Quelle: Pressemitteilung des OLG Dresden vom 09.08.2005

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