21.11.2024
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Sie sehen Geld, auf dem das Wort „Insolvenz“ arrangiert wurde.

Dokument-Nr. 5276

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Bundesgerichtshof Urteil10.12.2007

Keine Durch­griffs­haftung im Fall des insolventen Kolping-Bildungswerk Sachsen e.V.Für Verbind­lich­keiten eines eingetragenen Vereins haftet grundsätzlich nur dieser selbst

Die Klägerin, ein geschlossener Immobilienfonds, erwarb 1994 von einer Tochter­ge­sell­schaft des gemeinnützigen Kolping-Bildungswerk Sachsen e.V. (KBS e.V.) ein 40-jähriges Erbbaurecht an einer in Sachsen gelegenen, mit einem Schloss bebauten Immobilie. Nach dem Umbau der vorhandenen Schlossanlage in ein Schulungs-, Aus- und Weiter­bil­dungs­zentrum vermietete die Klägerin das Objekt ab Oktober 1999 gegen monatliche Leasingraten von rund 80.000 € für 19,75 Jahre an den KBS e.V.. Dieser hatte sich als "Holdingverein" mit zuletzt mehr als 25 Tochter- und Enkel­ge­sell­schaften zu einem der größten Anbieter staatlich geförderter Maßnahmen zur beruflichen Ausbildung in Sachsen entwickelt und war in drei weiteren Großprojekten mit monatlichen Mietbelastungen von über 240.000 € engagiert. Im Dezember 2000 musste über das Vermögen des KBS e.V. das Insol­venz­ver­fahren eröffnet werden.

Die Klägerin macht gegen die Beklagen unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten Ansprüche wegen des ihr durch die Insolvenz des KBS e.V. entstandenen Vermö­gens­nachteils geltend. Die Beklagten sind - als rechtsfähige oder nicht­rechts­fähige Vereine organisierte - Mitglieder des auf verschiedenen örtlichen Stufen tätigen Kolpingwerks. Nach Auffassung der Klägerin sollen die als nicht­rechts­fähige Vereine organisierten Beklagen zu 1), 3) und 5) angesichts der konzer­n­ähn­lichen Struktur der Kolping-Organisationen als faktische Mitglieder des KBS e.V. gelten und zusammen mit ihren jeweiligen rechtfähigen Trägervereinen - den Beklagten zu 2), 4) und 6) - für dessen Verbind­lich­keiten haften.

Die Klage hatte in der Berufungs­instanz nur hinsichtlich der Beklagten zu 3-6 teilweise aufgrund der Erwägung des Oberlan­des­ge­richts Erfolg, dass die (faktischen) Mitglieder eines personalistisch strukturierten eingetragenen Vereins, der sich über das sog. Neben­zweck­privileg hinaus in erheblichem Umfang wirtschaftlich betätigt, wegen Missbrauchs der Rechtsform akzessorisch für sämtliche Vereins­ver­bind­lich­keiten haften, wenn sie - wie hier - Kenntnis von der wirtschaft­lichen Betätigung haben und dieser keinen Einhalt gebieten.

Der von allen Parteien angerufene II. Zivilsenat der Bundes­ge­richtshofs hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen, hingegen die Verurteilung der Beklagten zu 3-6 aufgehoben und die Klage auch gegen diese Beklagten abgewiesen.

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die - vom Berufungs­gericht angenommene - akzessorische Haftung der Beklagten zu 3-6 als (faktische) Mitglieder des KBS e.V. für dessen Vereins­ver­bind­lich­keiten gegenüber der Klägerin im Wege einer Durch­griffs­haftung wegen Rechts­form­miss­brauchs mit dem geltenden Gesetzesrecht (§§ 21 ff, 43 Abs. 2 BGB) nicht in Einklang steht.

Nach ständiger höchst­rich­ter­licher Rechtsprechung haftet für Verbind­lich­keiten eines eingetragenen Vereins grundsätzlich nur dieser selbst und nicht die hinter ihm stehenden Vereins­mit­glieder. Eine Durchbrechung dieses Trennungs­grund­satzes ist nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn die Ausnutzung der rechtlichen Verschiedenheit zwischen der juristischen Person und den hinter ihr stehenden natürlichen Personen rechts­miss­bräuchlich ist. Das Vorliegen eines derartigen Rechts­miss­brauchs hat das Oberlan­des­gericht jedoch nicht festzustellen vermocht hat. Weder bestanden auf Seiten des KBS e.V. etwa von Anfang an Bonitäts­probleme, die der Klägerin treuwidrig verschleiert worden wären, noch fanden recht­miss­bräuchliche Vermö­gens­ver­schie­bungen im Konzern oder eine vergleichbare Ausnutzung von Konzern­strukturen zu Lasten der Gläubiger statt, geschweige denn bestanden Anhaltspunkte für eine insoweit den Beklagten zu 3-6 zuzurechnende Veranlassung. Auch Art und Umfang der wirtschaft­lichen Betätigung des KBS e.V. als solcher in Form der Steuerung größerer Bauprojekte waren für Außenstehende - darunter insbesondere die Klägerin als Auftraggeberin und spätere Leasinggeberin hinsichtlich eines dieser Großprojekte - unschwer erkennbar.

Keinesfalls rechtfertigt das - den Beklagten zu 3-6 von der Klägerin angelastete - Nicht­ein­schreiten gegen die umfangreiche wirtschaftliche Betätigung des KBS e.V. und die darin liegende Überschreitung des Neben­zweck­pri­vilegs - mag sie auch erheblich gewesen sein - den vom Berufungs­gericht postulierten Haftungs­durchgriff der Gläubiger auf diese (faktischen) Vereins­mit­glieder wegen Rechts­form­miss­brauchs. Ihm steht entgegen, dass das Gesetz gegen ein solches Verhalten Vorkehrungen getroffen hat, eine ausfül­lungs­be­dürftige Lücke also nicht besteht: Als Sanktion für eine derartige zweckwidrige unter­neh­me­rische Betätigung des eingetragenen Vereins sieht das Gesetz allein das Amtslö­schungs­ver­fahren gemäß §§ 159, 142 FGG oder die behördliche Entziehung der Rechtsfähigkeit nach § 43 Abs. 2 BGB vor. Erst durch einen derartigen Rechtsakt wird die Rechtsfähigkeit des Vereins beendet und dieser zu einem nicht­rechts­fähigen wirtschaft­lichen Verein, für dessen Verbind­lich­keiten die Mitglieder - erst von diesem Zeitpunkt an - persönlich haften (§ 54 BGB).

Die gesetzlichen Sanktionen der Amtslöschung gemäß §§ 159, 142 FGG und der behördlichen Entziehung der Rechtsfähigkeit nach § 43 Abs. 2 BGB sowie der durch sie bewirkte mittelbare Zwang zur Auflösung oder Umwandlung des das Neben­zweck­privileg überschrei­tenden Idealvereins sind nach derzeitiger Gesetzeslage grundsätzlich - d.h., soweit nicht ausnahmsweise eine, hier allerdings nicht vorliegende, rechts­miss­bräuchliche Ausnutzung des Trennungs­prinzips durch die Vereins­mit­glieder im oben beschriebenen Sinne hinzukommt - zum Schutz des Rechtsverkehrs ausreichend.

Angesichts dieser eindeutigen Gesetzeslage ist für den vom Berufungs­gericht unternommenen Versuch, im Wege einer Rechts­fort­bildung die Duldung bzw. Nicht­ver­hin­derung einer Überschreitung des Neben­zweck­pri­vilegs durch Vereins­mit­glieder zusätzlich mit der Sanktion ihrer (rückwirkenden) persönlichen Haftung zu belegen, schon wegen Fehlens einer - regelungs­be­dürftigen - Gesetzeslücke kein Raum. Überdies trifft die Ausgangsthese des Berufungs­ge­richts, es entspreche "allgemeinen korpo­ra­ti­o­ns­recht­lichen Grundsätzen, dass die Mitglieder bzw. Gesellschafter einer Körperschaft grundlegenden strukturellen Fehlent­wick­lungen durch nachhaltige Maßnahmen entge­gen­zu­treten haben und sie bei der Verletzung einer solchen Pflicht einer persönlichen Haftung unterworfen" sind, nicht zu; ein derartiger Durch­griff­s­tat­bestand ist dem geltenden Recht fremd.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 188/07 des BGH vom 10.12.2007

der Leitsatz

BGB §§ 21 ff., 43 Abs. 2

a) Für die Verbind­lich­keiten des eingetragenen Vereins haftet regelmäßig nur dieser selbst und nicht die hinter ihm stehenden Vereins­mit­glieder.

b) Eine Durchbrechung dieses Trennungs­grund­satzes ist nur ausnahmsweise dann zulässig, wenn die Ausnutzung der rechtlichen Verschiedenheit zwischen der juristischen Person und den hinter ihr stehenden natürlichen Personen rechtsmiss-bräuchlich ist (sog. Durch­griffs­haftung).

c) Bei einer zweckwidrigen Überschreitung des Neben­zweck­pri­vilegs durch wirtschaftliche Betätigung des eingetragenen Idealvereins sind die gesetzlichen Sanktionen der Amtslöschung gemäß §§ 159, 142 FGG und der behördlichen Entziehung der Rechtsfähigkeit nach § 43 Abs. 2 BGB sowie der durch sie bewirkte mittelbare Zwang zu dessen Auflösung oder Umwandlung nach derzeitiger Gesetzeslage grundsätzlich zum Schutz des Rechtsverkehrs ausreichend.

d) Für die zusätzliche Sanktion einer (rückwirkenden) persönlichen Durch­griffs­haftung der Mitglieder des eingetragenen Idealvereins wegen Duldung bzw. Nicht­ver­hin­derung einer Überschreitung des Neben­zweck­pri­vilegs ist - schon wegen Fehlens einer regelungs­be­dürftigen Gesetzeslücke - kein Raum.

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