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- NJW-Spezial 2018, 297Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2018, Seite: 297
- Landgericht Verden, Urteil07.09.2017, 5 O 282/14
Oberlandesgericht Celle Urteil10.04.2018
Lkw-Fahrer muss beim Passieren von Reitern gegebenenfalls unter Ausnutzung des Randstreifens Seitenabstand von 1,50 m bis 2,00 m einhaltenMithaftung des Reiters aufgrund bloßen Anhaltens des Pferds trotz erkennbarer Gefahrenlage
Will ein Lkw-Fahrer einen Reiter passieren, so muss er gegebenenfalls unter Ausnutzung des Randstreifens einen Seitenabstand von wenigstens 1,50 m bis 2,00 m einhalten. Tut er dies nicht und scheut das Pferd daraufhin, haftet er für etwaige Verletzungen des Pferds und dadurch bedingter Folgen. Den Reiter kann aber ein Mitverschulden treffen, wenn er trotz Erkennbarkeit der Gefahrenlage lediglich das Pferd anhält und sitzenbleibt. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle hervor.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im April 2011 kam es gegen Mittag auf einer einspurigen Fahrbahn zu einer Begegnung zwischen einer Reiterin und dem Fahrer einer Sattelzugmaschine mit Auflieger. Nachdem die Reiterin den entgegenkommenden Lkw bemerkte, hielt sie das Pferd auf dem rechten etwa 2,9 Meter breiten Sandstreifen an und stellte es leicht schräg mit dem Gesicht zur Fahrbahn. Der Lkw-Fahrer passierte die Reiterin daraufhin mit Schrittgeschwindigkeit. Er fuhr dabei lediglich ganz rechts auf der Fahrbahn. Den Randstreifen nutze er nicht, so dass er mit einem Abstand von weniger als einem Meter die Reiterin passierte. Das Pferd scheute dabei und verletzte sich erheblich. Es musste schließlich eingeschläfert werden. Die Halterin des Pferdes klagte anschließend gegen den Fahrer und die Halterin des Lkw sowie deren Haftpflichtversicherung auf Zahlung von Schadensersatz.
Landgericht gibt Klage unter Beachtung einer hälftigen Haftungsquote statt
Das Landgericht Verden gab der Schadensersatzklage statt. Es nahm aber eine hälftige Haftungsquote vor. Dagegen richtete sich die Berufung der Klägerin. Ihrer Meinung nach haften die Beklagten vollständig.
Oberlandesgericht bejaht ebenfalls hälftige Haftungsquote
Das Oberlandesgericht Celle bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies daher die Berufung der Klägerin zurück. Ihr stehe unter Beachtung einer hälftigen Haftungsquote der geltend gemachte Schadensersatzanspruch zu.
Unzureichender Seitenabstand beim Passieren der Reiterin
Die Beklagten haben für den Unfall nicht nur aufgrund der Betriebsgefahr des Lkw gehaftet, so das Oberlandesgericht, sondern auch aufgrund eines schuldhaften Verstoßes des Lkw-Fahrers gegen das Seitenabstandsgebot aus § 1 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung. Wer Reiter passiere, müsse einen Seitenabstand von wenigstens 1,50 m bis 2,00 m einhalten. Denn es müsse mit einer plötzlichen Reaktion des Tieres gerechnet werden. Den erforderlichen Seitenabstand habe der Lkw-Fahrer nicht eingehalten.
Erlaubnis zur Nutzung des Randstreifens
Der Lkw-Fahrer hätte nach Auffassung des Oberlandesgerichts den notwendigen Seitenabstand einhalten können, wenn er den 2,9 m breiten Randstreifen mitgenutzt hätte. Dies sei ihm gefahrlos möglich gewesen. Zwar gehöre der Randstreifen nicht zur Fahrbahn. Allerdings sei das Befahren des Randstreifens erlaubt, wenn es die Verkehrslage als sachgerechte und vernünftige Maßnahme erscheinen lasse. So lag der Fall hier. Andernfalls hätte der Lkw-Fahrer anhalten müssen, um sich mit der Reiterin zu verständigen.
Mitverschulden der Reiterin aufgrund bloßen Anhaltens des Pferds trotz erkennbarer Gefahrenlage
Der Reiterin sei nach Ansicht des Oberlandesgerichts ein Mitverschulden von 50 % anzulasten, weil sie das Pferd lediglich angehalten und es leicht schräg mit dem Gesicht zur Fahrbahn gestellt hatte. Ein Reiter müsse damit rechnen, dass ein Pferd sowohl durch das Geräusch als auch durch die pure Anwesenheit eines großen, sehr dicht vorbeifahrenden Lkw irritiert werde, unruhig werde und schließlich scheue. Zudem sei zu berücksichtigen, dass ein Pferd aufgrund seines Gewichts und seiner Körperkraft von einem Menschen nicht zu kontrollieren sei, wenn es durchgehe. Die Begegnungssituation im vorliegenden Fall sei daher potentiell gefährlich gewesen. Die Reiterin hätte daher vom Pferd absitzen und es am Zügel nehmen müssen. Sie hätte auch zu einer breiteren Stelle zurückreiten oder eine Verständigung mit dem Lkw-Fahrer herbeiführen können.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.05.2018
Quelle: Oberlandesgericht Celle, ra-online (vt/rb)
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