In dem zugrunde liegenden Fall erlitt die Halterin eines Pferdes im April 2009 durch einen Huftritt erhebliche Verletzungen am Gesicht. Hintergrund dessen war, dass ihr Pferd aufgrund eines herannahenden Pkw scheute und sie dadurch zu Boden gerissen wurde. Die Pferdehalterin behauptete, der Pkw sei dicht an ihr vorbeigefahren. Der Pkw-Fahrer wiederum trug vor, er sei 10 bis 15 m vor der Stelle, an der die Pferdehalterin mit ihrem Pferd stand, in einem Weg abgebogen. Die Pferdehalterin klagte aufgrund der erlittenen Verletzungen gegen den Pkw-Fahrer und die Halterin des Pkw auf Zahlung von Schadensersatz.
Das Landgericht Hannover wies die Schadensersatzklage der Klägerin ab. Es habe nicht nachgewiesen werden können, dass sich der Betrieb des Fahrzeugs auf das Verhalten des Pferdes, insbesondere dessen Scheuen, ausgewirkt habe und er damit für den eingetretenen Schaden ursächlich gewesen sei. Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Berufung ein.
Das Oberlandesgericht Celle entschied zum Teil zu Gunsten der Klägerin und hob daher dementsprechend die Entscheidung des Landgerichts auf. Die Klage auf Schadensersatz sei dem Grunde nach zu 50 % gerechtfertigt gewesen. Beide Parteien haben je zur Hälfte für den Unfall haften müssen.
Die Beklagten haben aufgrund der Betriebsgefahr des Fahrzeugs gehaftet, so das Oberlandesgericht. Selbst wenn die Behauptung des Beklagten zutreffe, er sei 10 bis 15 m vor der Stelle, an der die Klägerin mit ihrem Pferd stand, abgebogen, habe die Betriebsgefahr zurechenbar das Scheuen des Tieres verursacht. Das Abbiegemanöver habe in einem dichten zeitlichen und räumlichen Verhältnis zur Klägerin gestanden. Eine von einem Fahrzeug verursachte Gefahrenlage bestehe nicht nur in dem Moment, wenn dieses an dem Tier vorbeifährt. Vielmehr könne die Gefahrenlage solange weiter bestehen, wie sich das Fahrzeug im Wahrnehmungsbereich des Tieres befinde. Motorbetriebene Fahrzeuge seien typischerweise geeignet, geräuschempfindliche Tiere, wie Pferde, die zudem besonders auf Bewegungen in ihrem Umfeld reagieren, zu erschrecken.
Die Klägerin habe wiederum nach Auffassung des Oberlandesgerichts wegen der von ihrem Pferd ausgehenden Tiergefahr gemäß § 833 Satz 1 BGB gehaftet. Durch das infolge des herannahenden Fahrzeugs oder dessen Geräusche verursachte Ausbrechen und Aufbäumen des Pferdes, durch das die Klägerin zu Boden gerissen wurde, habe sich dessen typische Tiergefahr realisiert.
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts sei der Klägerin kein Mitverschulden anzulasten gewesen, weil sie nicht eine Trense verwendete und keinen Schutzhelm trug. Durch eine Trense, bei der eine Gebissstange im empfindlichen Maul des Tieres liegt, könne ein zur Flucht entschlossenes Pferd nicht verlässlich aufgehalten werden. Ein in Panik geratenes Pferd könne von einem Menschen nicht mehr kontrolliert werden. Die Nutzung eines Schutzhelms habe die Gesichtsverletzungen der Klägerin nicht verhindern können.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 18.01.2017
Quelle: Oberlandesgericht Celle, ra-online (vt/rb)