In dem zugrunde liegenden Fall kam es im Mai 2012 an einer Engstelle zu einer Kollision zwischen einem Bus und einem Motorrad. Obwohl der Busfahrer sah, dass eine Gruppe von Motorradfahrern die Engstelle befuhr, und er den Gegenverkehr Vorrang gewähren musste, fuhr er in die Engstelle hinein. Der Busfahrer ging davon aus, gefahrlos an der Gruppe vorbeifahren zu können. Zwar klappte dies zunächst, jedoch fuhr eine Motorradfahrerin zu weit links, so dass sie mit dem Bus zusammenstieß und sich erheblich verletzte. Die Motorradfahrerin klagte aufgrund des Unfalls auf Schadensersatz.
Das Landgericht Potsdam gab der Schadensersatzklage statt. Es lastete der Motorradfahrerin aber ein Mitverschulden von 20 % an, da sie sich nicht an das Rechtsfahrgebot gehalten habe. Gegen diese Entscheidung legte der Busfahrer Berufung ein.
Das Oberlandesgericht Brandenburg bestätigte im Wesentlichen die Entscheidung des Landgerichts. Der Motorradfahrerin stehe gegen den Busfahrer ein Anspruch auf Schadensersatz zu.
Der Busfahrer habe den Vorrang des Gegenverkehrs nicht beachtet und somit gegen § 41 Abs. 1 StVO in Verbindung mit dem Vorschriftzeichen 208 verstoßen, so das Oberlandesgericht. Der Vorrang habe auch für die Motorradfahrerin gegolten, da er nicht auf mehrspurige Fahrzeuge beschränkt sei. Der Busfahrer habe sich trotz der Fahrbahnbreite von 7,4 m nicht sicher sein dürfen, dass ein Motorrad ungehindert an dem Bus hätte vorbeifahren können. Beim Entgegenkommen einer Motorradkolonne müsse damit gerechnet werden, dass die Motorradfahrer nicht ausschließlich hintereinander herfahrend am äußersten Fahrbahnrand bleiben, sondern auch nebeneinander fahrend in die Engstelle hineinfahren.
Der Motorradfahrerin sei aber nach Auffassung des Oberlandesgerichts ein Mitverschulden anzulasten, da sie gegen das Rechtsfahrgebot gemäß § 2 Abs. 2 StVO verstoßen habe. Auch derjenige, der grundsätzlich Vorrang habe, müsse mit Gegenverkehr rechnen, der bei normaler Fahrt ohne Behinderung möglich sei. Der Berechtigte müsse deshalb in der Engstelle so weit rechts fahren, wie ihm das möglich sei. Dies habe im vorliegenden Fall insbesondere deshalb gegolten, weil der Vorrang nur gegenüber Lkw und Bussen galt und nicht gegenüber sonstigen Fahrzeugen. Bei Einhaltung des Rechtsfahrgebots wäre eine Vorbeifahrt ohne Probleme möglich gewesen.
Das Oberlandesgericht nahm eine Haftungsverteilung von 60 % zu 40 % zu Lasten des Busfahrers vor. Eine höhere Haftung des Busfahrers komme nicht in Betracht, da sein Verkehrsverstoß als nicht besonders gravierend zu werten sei. Denn bei normaler Fahrweise wäre eine Gefährdung der Motorradfahrer ausgeschlossen gewesen, auch wenn eine Gewissheit darüber nicht bestanden habe. Demgegenüber sei der Verkehrsverstoß der Motorradfahrerin nicht unerheblich gewesen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 25.07.2018
Quelle: Oberlandesgericht Brandenburg, ra-online (vt/rb)