Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil17.01.2019
Berufsferne rechtfertigt geringeres ArbeitslosengeldVermittlungsbemühungen der Bundesagentur für Arbeit dürfen sich in erster Linie auf ungelernte Tätigkeiten richten
Liegen zwischen der Aufgabe der Tätigkeit im Ausbildungsberuf und der Arbeitslosigkeit neun Jahre, richten sich die Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur für Arbeit in erster Linie auf ungelernte Tätigkeiten. Dies entschied das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen und korrigierte damit ein Urteil des Sozialgerichtes Gelsenkirchen zur sogenannten Fiktiveinstufung nach § 152 SGB III.
Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens absolvierte eine Ausbildung zum Informatikkaufmann und arbeitete anschließend bis Mitte 2006 etwa zwei Jahre in diesem Beruf. In der Folgezeit war er krankheitsbedingt nicht mehr berufstätig und bezog abwechselnd Erwerbsminderungsrente, Arbeitslosengeld und Krankengeld. Auf seinen Mitte 2015 gestellten Antrag hin gewährte ihm die Beklagte Arbeitslosengeld und ermittelte dessen Höhe anhand eines fiktiven Arbeitsentgeltes, da der Kläger in den letzten zwei Jahren vor der erneuten Arbeitslosigkeit nicht mindestens 150 Tage versicherungspflichtig beschäftigt gewesen war. In der Annahme fehlender aktueller Berufserfahrung legte sie dabei Qualifikationsgruppe 4 (ungelernte Beschäftigung) zugrunde.
SG bejaht Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld
Der Kläger machte geltend, dass sich die Vermittlungsbemühungen der Beklagten hingegen an seinem Ausbildungsberuf zu orientieren hätten. Das Sozialgericht sprach ihm dementsprechend höheres Arbeitslosengeld nach Qualifikationsgruppe 3 zu.
Massiv verändernde Arbeitsbedingungen im IT-Sektor lassen Vermittlungserfolg im Ausbildungsberuf nahezu undenkbar erscheinen
Dem schloss sich das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen nicht an. Zwar sei grundsätzlich im Rahmen der Fiktiveinstufung von der höchsten erlangten Qualifikation auszugehen. Eine Einstufung in die Qualifikationsgruppe 4 sei aber jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn - wie im Fall des Klägers - zwischen Aufgabe der Tätigkeit im Ausbildungsberuf infolge des Bezugs von Entgeltersatzleistungen und dem Beginn der Arbeitslosigkeit ein Zeitraum von gut neun Jahren liege. Dies gelte umso mehr angesichts der sich massiv verändernden Arbeitsbedingungen im IT-Sektor in den letzten zehn Jahren, die einen Vermittlungserfolg im Ausbildungsberuf nahezu undenkbar erscheinen ließen. Die Beklagte habe ihre Vermittlungsaktivitäten daher zu Recht auf Tätigkeiten erstreckt, die keinen Berufsabschluss erforderten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 01.03.2019
Quelle: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen/ra-online (pm)