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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil17.09.2019
Krankenkasse muss Kosten für Anschaffung eines GPS-Alarmgeräts für geistig Behinderten mit Weglauftendenz übernehmenGerät ist als spezielles Hilfsmittel für Behinderte zu werten
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass eine fixierbare GPS-Uhr mit Alarmfunktion für einen geistig Behinderten mit Weglauftendenz ein Hilfsmittel zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung sein kann.
Dem Verfahren lag der Fall eines 19-jährigen Mannes aus der Nähe von Bremen zugrunde. Er leidet an einem Down-Syndrom mit geistiger Behinderung und Weglauftendenz. Sein behandelnder Arzt beantragte bei der Krankenkasse eine GPS-Notfalluhr, die Alarm auslöst sobald er einen definierten Aufenthaltsbereich verlässt. Die Uhr sei erforderlich, da er sich durch Orientierungslosigkeit selbst gefährde und in der Tagesförderungsstätte nicht ständig beaufsichtigt werden könne. Herkömmliche Notrufsysteme habe er bislang eigenständig entfernt; dieses Gerät könne jedoch an seinem Handgelenk fixiert werden.
Krankenkasse verneint Kostenübernahme
Die Krankenkasse hielt die Uhr für kein Mittel des Behinderungsausgleichs. Nach ihrer Ansicht seien Mechanismen wie abgeschlossene Türen und ständige Begleitung vorrangig. Das Gerät erleichtere auch nicht die Pflege, sondern diene der Patientenüberwachung.
Gerät kann bei geistiger Behinderung Mobilität und Bewegungsfreiheit ermöglichen
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen gab der Klage statt und bewertete das Gerät als spezielles Hilfsmittel für Behinderte. Dabei hat es sich maßgeblich auf den neuen Behinderungsbegriff gestützt, der das Ziel der gesellschaftlichen Teilhabe in den Vordergrund rückt. Durch das Gerät könnten die Folgen der geistigen Behinderung abgemildert werden indem Mobilität und Bewegungsfreiheit überhaupt erst ermöglicht würden. Anders als bei geistig gesunden Menschen sei in dieser Konstellation gerade keine Freiheitsentziehung zu sehen. Denn die Selbstbestimmung der räumlichen Freiheit sei zwar durch die digitale Überwachung eingeschränkt, jedoch erlaube es die Ortungsfunktion des GPS-Systems überhaupt erst einen gewissen Bewegungsradius zu eröffnen, der ohne Ausrüstung mit einem GPS-System verwehrt sei. Unter den gegebenen Umständen führe die am Handgelenk fixierte GPS-Überwachung zu einer Reduzierung der bestehenden Isolation und Freiheitsentziehung durch Wegsperren.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 21.10.2019
Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen/ra-online (pm/kg)
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