21.11.2024
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Dokument-Nr. 22522

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Urteil23.02.2016Landessozialgericht Niedersachsen-BremenL 11 AS 1392/13
Vorinstanz:
  • Sozialgericht Braunschweig, Urteil24.05.2013, S 19 AS 2358/10
ergänzende Informationen

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil23.02.2016

Jobcenter ist nicht zur pauschalen Überprüfung aller Bescheide eines Leistungs­emp­fängers verpflichtetÜberprü­fungs­antrag muss konkret begründet werden

Das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass ein gegen die Bescheide des Jobcenters gestellter Überprü­fungs­antrag konkret begründet sein muss. Zwar ist es eine Besonderheit im Sozialrecht, dass grundsätzlich jeder Bescheid überprüft werden kann, auch wenn nicht rechtzeitig Widerspruch eingelegt wurde, sondern der Bescheid bestandskräftig ist. Allerdings muss ein solcher Überprü­fungs­antrag konkret begründet werden und kann nicht pauschal alle ergangenen Bescheide beanstanden.

Dem Verfahren lag der Fall eines Mannes aus dem Landkreis Gifhorn zugrunde, der zunächst in einer Jugend­hil­fe­ein­richtung wohnte. Als er seine erste eigene Wohnung mietete, bekam er vom Jobcenter Grund­si­che­rungs­leis­tungen und ein Darlehen für die Mietkaution. Widerspruch legte der Kläger gegen diese Bescheide nicht ein. Einige Monate später beantragte der Mann mit Hilfe seines Anwaltes mit mehreren gleichlautenden Anträgen die Überprüfung sämtlicher Bescheide, die er bisher vom Jobcenter erhalten hatte. Er begründete seine Überprü­fungs­anträge jedoch nicht, sodass für das Jobcenter nicht ersichtlich war, was genau er für falsch hielt. Daraufhin lehnte das Jobcenter die Überprü­fungs­anträge ab, da der Mann nicht im Ansatz eine Rechts­wid­rigkeit der gerügten Bescheide dargelegt habe.

Leistungs­emp­fänger begründet gestellte Überprü­fungs­anträge erst in der Gerichts­ver­handlung

Erst im Gerichts­ver­fahren trug der Mann sodann vor, dass er sich gegen die Einbehaltung von 35 Euro monatlich wende. Ausgangspunkt für die Einbehaltung war, dass er vom Jobcenter seine Mietkaution als Darlehen vorgestreckt bekommen hatte. Das Jobcenter hatte das Darlehen mit einem Darle­hens­be­scheid bewilligt und behielt sodann 35 Euro monatlich von dem Arbeits­lo­sengeld II des Mannes ein, um das Darlehen zu tilgen.

Sozia­l­leis­tungs­träger ist ohne erkennbaren Grund nicht zur inhaltlichen Überprüfung seiner Bescheide verpflichtet

Das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen führte in seinem Urteil aus, dass ein Sozia­l­leis­tungs­träger nicht zur inhaltlichen Überprüfung seiner Bescheide verpflichtet sei, wenn er den Einzelfall, der überprüft werden solle, objektiv gar nicht ermitteln könne. Der Überprü­fungs­antrag sei zu unkonkret, wenn sämtliche ergangenen Bescheide überprüft werden sollen, ohne dass klar sei, welcher konkrete Bescheid und welche konkrete Regelung gerügt werden. Dabei sei unerheblich, ob ein Überprü­fungs­antrag gegen "sämtliche ergangene Bescheide" gestellt werde, oder ob eine Vielzahl von Überprü­fungs­an­trägen einzeln gegen die Bescheide gestellt werde. In beiden Fällen, seien praktisch alle ergangenen Bescheide zur Überprüfung gestellt. Die Behörde könne dann nicht herausfinden, was genau gerügt werde. Der Betroffene müsse seine Rüge noch im Verwal­tungs­ver­fahren konkret darlegen - und nicht erst im Gerichts­ver­fahren - sonst müsse die Behörde die Bescheide nicht inhaltlich überprüfen.

Überprü­fungs­an­trägen im Sozialrecht liegt folgende Regelung zugrunde:

§ 44 Sozial­ge­setzbuch Zehntes Buch: Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwal­tungsaktes (in der Fassung vom 18.01.2001, zitiert nach juris)

Erläuterungen

(1) 1 Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwal­tungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozia­l­leis­tungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. 2 Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) 1 Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. 2 Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

[...]

(4) 1 Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozia­l­leis­tungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. 2 Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. 3 Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen/ra-online

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