15.11.2024
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Sie sehen ein altes Ehepaar auf einer Parkbank.

Dokument-Nr. 10614

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil25.10.2010

Anspruch auf Leistungen der Arbeitsagentur bei Risiko­schwan­ger­schaftWerdender Mutter steht bis zum Beginn der Mutter­schutzfrist Arbeits­lo­senhilfe zu

Eine Schwangere, für die ärztlicherseits zur Vermeidung einer Fehlgeburt ein Beschäf­ti­gungs­verbot bis zum Beginn des Mutterschutzes angeordnet worden ist, kann auch dann Anspruch auf Leistungen der Arbeitsagentur haben, wenn sie nicht arbeitsunfähig ist. Dies entschied das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen.

Im zugrunde liegenden Streitfall hatte sich die Klägerin wegen der Erziehung und Betreuung ihrer damals dreijährigen Tochter mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt. Sie erhielt im Anschluss an die Gewährung von Arbeitslosengeld ab April 2004 Arbeitslosenhilfe. Im August 2004 bescheinigte ihre behandelnde Ärztin ihr, dass nach § 3 Abs. 1 Mutter­schutz­gesetz (MuSchuG) ein Beschäftigungsverbot bestehe. Die beklagte Bundesagentur für Arbeit hatte daraufhin die Bewilligung von Arbeits­lo­senhilfe aufgehoben, da die Klägerin nicht mehr arbeitslos sei, weil sie wegen ihres Beschäf­ti­gungs­verbots nicht mehr arbeiten dürfe und daher dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehe. Die zweite Tochter der Klägerin kam im Februar 2005 zur Welt.

LSG bestätigt Weitergewährung von Leistungen der Arbeitsagentur trotz bestehenden Beschäf­ti­gungs­verbots

Widerspruchs- und Klageverfahren der Klägerin gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeits­lo­senhilfe blieben erfolglos. Demgegenüber hat das Landes­so­zi­al­gericht Niedersachsen-Bremen ihrer Berufung stattgegeben und den Anspruch der Klägerin auf Weitergewährung von Leistungen der Arbeitsagentur bis zum Beginn der Mutter­schutzfrist (§ 3 Abs. 2 MuSchuG) trotz bestehenden Beschäf­ti­gungs­verbots bestätigt.

Leistungs­aus­schluss aufgrund des Schutzgebotes für werdende Mütter verfas­sungs­rechtlich nicht haltbar

Nach Ansicht des Landes­so­zi­al­ge­richts steht das Beschäf­ti­gungs­verbot nach § 3 Abs. 1 MuSchuG (ohne gleichzeitige Arbeits­un­fä­higkeit) einer Verfügbarkeit der Klägerin nicht entgegen. Diese war vielmehr im Wege einer verfas­sungs­kon­formen Auslegung von § 119 Abs. 3 Nr. 1 Sozial­ge­setzbuch Drittes Buch alter Fassung (jetzt § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III) zu fingieren. Ein Leistungs­aus­schluss wäre gemäß Art. 6 Abs. 4 Grundgesetz wegen des sich daraus ergebenden Schutzgebotes für die werdende Mutter verfas­sungs­rechtlich nicht haltbar. Der werdenden Mutter stand damit ein Anspruch auf Arbeits­lo­senhilfe bis zum Beginn der Mutter­schutzfrist zu. Gleiches gälte nach dieser Rechtsprechung im Übrigen auch bei einem Anspruch auf Arbeits­lo­sengeld.

Erläuterungen
Hinweis: Aufgrund des beim Bundes­so­zi­al­gericht zu einem gleich­ge­la­gerten Verfahren bereits anhängigen Revisi­ons­ver­fahrens (B 7 AL 26/10 R) hat das Bundes­mi­nis­terium für Arbeit und Soziales zwischen­zeitlich die Bundesagentur für Arbeit "gebeten", in den Fällen eines absoluten Beschäf­ti­gungs­verbots ohne gleichzeitige Arbeitsunfähigkeit der Schwangeren bis zur Entscheidung des Bundes­so­zi­al­ge­richts vorläufig Arbeits­lo­sengeld weiterzuzahlen.

Quelle: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen/ra-online

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