Dokument-Nr. 21508
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Landgericht Tübingen Urteil12.05.2015
Freilaufender Hund rennt in Fahrrad: Hundehalter haftet für Sturz der FahrradfahrerinRealisierung der typischen Tiergefahr aufgrund abrupter Richtungsänderung
Ändert ein Hund auf einer Straße abrupt seine Richtung und rennt er sodann in ein Fahrrad, woraufhin die Fahrradfahrerin stürzt, so hat sich in dem Unfall eine typische Tiergefahr verwirklicht. Der Hundehalter haftet daher für sämtliche Unfallfolgen. Dies hat das Landgericht Tübingen entschieden.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Im April 2011 befuhr eine Frau mit ihrem Fahrrad einen asphaltierten landwirtschaftlichen Weg, der umgeben war mit Wiesenflächen. Das Radfahren war auf diesem Weg erlaubt. Ihr entgegen kam gut sichtbar ein Mann mit seinem Hund. Während der Hundehalter am rechten Wegrand lief, bewegte sich sein Hund am linken Wegrand. Dabei zog er die Hundeleine als "Schleppleine" hinter sich her. Als sich die Fahrradfahrerin auf wenige Meter dem Hund und seinem Halter genähert hatte, bewegte sich der Hund plötzlich nach rechts, wodurch es zu einem Sturz der Radfahrerin kam. Die Radfahrerin erlitt aufgrund dessen eine Knieverletzung sowie ein Schienbeinkopfbruch mehrfragmentär. Aufgrund der Verletzungen musste operativ eine Platte eingesetzt werden, wodurch die Radfahrerin vier Wochen an den Rollstuhl und sechs weitere Wochen an Gehstützen gebunden war. Im Jahr 2012 wurde die Platte operativ entfernt. Aufgrund der durch den Unfall erlittenen Verletzungen, klagte die Radfahrerin auf Zahlung eines Schmerzensgelds.
Hundehalter haftet für Sturz der Radfahrerin
Das Landgericht Tübingen entschied zu Gunsten der Radfahrerin. Ihr habe dem Grunde nach ein Schmerzensgeldanspruch zugestanden, da der Hundehalter für den Sturz der Fahrradfahrerin gemäß § 833 BGB gehaftet habe. Da der Sturz und die Begegnung mit dem Hund in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang gestanden haben, habe ein Anscheinsbewies dafür gesprochen, dass der Hund den Sturz verursacht habe.
Realisierung der typischen Tiergefahr aufgrund abrupter Richtungsänderung
Der Sturz der Radfahrerin habe nach Ansicht des Landgerichts zudem auf eine typische Tiergefahr beruht. Der Hund habe in einer für das Tier typischen Weise unberechenbar und nicht mit dem Denken eines Verkehrsteilnehmers entsprechender Art und Weise reagiert. Es stelle gerade ein tierisches Verhalten dar, wenn ein Hund abrupt und unvorhersehbar seine Richtung ändert.
Kein Mitverschulden der Fahrradfahrerin
Nach Auffassung des Landgerichts sei der Fahrradfahrerin auch kein Mitverschulden anzulasten gewesen. Sie habe ihre Geschwindigkeit reduziert, um den Hund langsam passieren zu können. Weitere Maßnahmen habe sich nicht ergreifen müssen. Sie habe insbesondere nicht anhalten, absteigen und ihr Fahrrad vorsichtig an den Hund vorbeischieben müssen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.08.2015
Quelle: Landgericht Tübingen, ra-online (vt/rb)
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