21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 1718

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Landgericht Osnabrück Urteil28.11.2005

Schadens­ersatz­anspruch nach BaumunfallBehörden müssen Bäume mindestens zweimal im Jahr auf ihre Standsicherheit hin überprüfen

Bäume im Bereich von Straßen müssen nicht abgeholzt werden, sie sind aber von der zuständigen Behörde mindestens zweimal im Jahr auf ihre Standsicherheit hin zu überprüfen. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung des Landgerichts Osnabrück.

Im vorliegenden Fall befuhr der Sohn des Klägers am 3. Juni 2005 abends gegen 19.15 Uhr eine Straße im Gebiet der Gemeinde L. (Altkreis Lingen). Auf dem Randstreifen, ca. 50 - 60 cm vom Fahrbahnrand entfernt, befinden sich dort ca. 10 Meter hohe Birken mit einem Stamm­durch­messer von 40 - 50 cm. Zum Unfallzeitpunkt herrschten starke Windböen. Der Kläger behauptete, dass eine links zur Fahrbahn stehende Birke plötzlich unmittelbar vor dem herannahenden Fahrzeug quer über die Fahrbahn gefallen sei. Trotz einer eingeleiteten Notbremsung sei es nicht gelungen, das Fahrzeug rechtzeitig zum Stillstand zu bringen. Der Kläger verlangte deshalb die ihm entstandenen Schäden in Höhe von 2.239,22 Euro ersetzt.

Gemeinde ist Verkehrs­si­che­rungs­pflichten nicht ausreichend nachgekommen

Das Landgericht Osnabrück hat der Klage nach der Vernehmung von drei Zeugen unter Einholung eines Baumsach­ver­stän­di­gen­gut­achtens in vollem Umfang stattgegeben. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht zunächst zu der Überzeugung gekommen, dass die beklagte Gemeinde ihren Verkehrs­si­che­rungs­pflichten in Bezug auf den fraglichen Baum nicht ausreichend nachgekommen sei.

Sorgfältige äußere Gesundheits- und Zustandsprüfung der Bäume muss regelmäßig zweimal im Jahr erfolgen

Sowohl der Sohn des Klägers, als auch ein unbeteiligter Verkehrs­teil­nehmer hatten übereinstimmend bekundet, dass der Baum unmittelbar vor dem herannahenden Pkw auf die Straße gestürzt sei und der klägerische Pkw sodann gegen diesen Baum stieß. Darüber hinaus wies das Gericht darauf hin, dass die Gemeinde gegen die ihr zukommende Verkehrssicherungspflicht verstoßen hätte. Danach besteht die Pflicht, alle Verkehrs­teil­nehmer vor den Gefahren von Straßenbäumen, sei es durch das Herabfallen von Teilen eines Baumes oder das Umstürzen eines Baumes selbst, zu schützen. Die Gemeinden müssen deshalb Bäume bzw. Teile von ihnen entfernen, die den Verkehr gefährden, insbesondere, wenn sie nicht mehr standsicher sind oder herabzustürzen drohen. Dies bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass eine sorgfältige äußere Gesundheits- und Zustandsprüfung regelmäßig zweimal im Jahr erforderlich sei, nämlich einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand. Dabei reiche zur Kontrolle im Regelfall eine in angemessenen Abständen vorgenommene äußere Sichtprüfung bezogen auf die Gesundheit und Standsicherheit des Baumes aus, wenn dabei keine konkreten Defektsymptome des Baumes (spärliche oder trockene Belaubung, dürre Äste, äußere Verletzungen, Pilzbefall etc.) erkennbar seien.

Durchgeführte Sichtprüfung unzureichend

Die seitens der Gemeinde im konkreten Fall durchgeführte Sichtprüfung konnte diese Anforderungen nicht erfüllen. Auf Grund der Vernehmung eines Mitarbeiters der Gemeinde konnte das Gericht feststellen, dass dieser alleine eine Baumkontrolle aus einem Fahrzeug heraus vorgenommen hatte, das mit einer Geschwindigkeit von 30 - 50 km/h fuhr. Der Sachverständige hatte festgestellt, dass der betroffene Baum sich bereits zum Zeitpunkt dieser Sichtkontrolle in einer Absterbephase befunden hatte, was bei einer einfachen Sichtkontrolle vom Boden aus erkennbar gewesen wäre. Der Baum sei in einem Bereich von ca. 1/3 des Stammes hohl gewesen, zur Straßenseite hin hätten sich drei Wunden befunden, schließlich sei die Krone nur noch sehr schwach ausgeprägt gewesen. Dieser Zustand des Baumes hätte die beklagte Gemeinde zu einer eingehenderen Überprüfung des Baumes bewegen müssen, bei der seine Umsturzgefahr deutlich geworden wäre und Veranlassung zu seiner Beseitigung gegeben hätte.

Da nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ein Mitverschulden des Fahrzeugführers ebenfalls nicht feststellbar war, war die Klage als in vollem Umfang erfolgreich. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da die beklagte Gemeinde gegen das Urteil Berufung beim Oberlan­des­gericht Oldenburg eingelegt hat. Das Urteil kann im Volltext unter der Rubrik "Entscheidungen” abgerufen werden.

vgl. zur Thematik auch BGH, Urt. v. 04.03.2004: Fahrzeug­be­sitzer muss Ursächlichkeit von Schäden wegen unzureichender Kontrolle der Straßenbäume beweisen können

Quelle: ra-online Redaktion, Pressemitteilung des LG Osnabrück vom 17.01.2006

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